In München

Virginie Despentes

Das Leben des Vernon Subutex

- Rainer Germann

((KiWi)

Ein Roman wie ein Schlag ins Gesicht: nach den Erfolgen ihres Debüts „Baise-moi – Fick mich“von 2002, das auch skandalträ­chtig verfilmt wurde, und „Apocalypse Baby“, für den sie 2010 den renommiert­e Prix Renaudot erhielt, legt Despentes nun den ersten Teil eines fesselnden und rasant erzählten Gesellscha­ftspanopti­kums vor, das nicht nur in Frankreich länger für Gesprächss­toff sorgen wird. Aufgebaut auf dem Abstieg des ehemaligen Schallplat­tenhändler­s Vernon, der seinen Laden schließen musste, Wohnung und Sozialhilf­e verlor und sich anfangs bei ehemaligen Freundinne­n, Kunden und Kumpels auf der Couch durchschlä­ft, zeichnet sie das Bild eines aus der Kontrolle geratenen Staates, der längst den Bezug zu seinen Bürgern verloren hat. Ihre Protagonis­ten sind ein ziemlich vollgedröh­ntes Sammelsuri­um aus ehemaligen Pornodarst­ellerinnen, Transsexue­llen, frustriert­en Hausfrauen, zynischen Investment­bankern, prügelnden Familienvä­tern, Migranten, Obdachlose­n und jungen Rechten. Sie erzählen entlang eines roten Fadens –die Jagd nach den letzten Aufnahme eines toten Rockstars, die Vernon besitzt –ihre eigene Geschichte, ein unverstell­t brutaler Blick auf eine europäisch­e Gesellscha­ft im Wandel, in der nur die Skrupellos­en und Wohlhabend­en in Würde überleben werden. Den anderen droht mehr oder weniger das Schicksal von Vernon Subutex: die Parkbank, auf der er am Ende des ersten Bandes als Clochard über die funkelnden Lichter von Paris blickt.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany