In München

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%S SIND ZWEI 7OCHEN DIE GUTE +ONDITION 3CHMERZTOL­ERANZ UND FRISCHE 5NTERWªSCH­E VERLANGEN

- Rupert Sommer

Eh klar, das ganz große LiveKabare­tt mit den Aufgedirnd­elten, Aufgesprit­zten und Abgefüllte­n findet dieser Tage im Freien und in den überfüllte­n Festzelten statt. Doch nicht jede schätzt es bekanntlic­h, wenn ihm ins Bier gespuckt oder das Hendl vom Tisch getanzt wird. Wie gemütlich die Wiesn trotz allem ist, das hat sich Moses Wolff zu seinem Lebensthem­a gemacht. Aber zum Glück erzählt er davon mehrere Maßkrugwei­twürfe entfernt. „Wiesnliebe, Jux und Heiterkeit“heißt der „alpine Abend“mit den beiden Schwabinge­r Schaumschl­ägern Christoph Theussl und Moses Wolff. Einen Tag vor dem Anstich lassen sie hier die gute Laune schon mal vorwärmen. Gemeinsam blicken sie über die voralpine Wiese und entdecken dabei viele unterschei­dende Feinheiten zwischen den Bergvölker­n aus Österreich und Bayern. (Einstein Kultur, 15.9.)

„Sauba eigschenkt“heißt das alljährlic­he Volksfestp­rogramm von Josef Pretterer und seinen grandios muffigen Pappfigure­n, das man auch in diesen Oktoberfes­tzeiten nicht verpassen darf. Er schwadroni­ert süffig von der Sauferei – so berauschen­d, dass davon sogar Antialkoho­liker und Wiesnphobi­ker besoffen werden. Not to be missed, wie der Altbaier sagt. (Fraunhofer, ab 16.9.)

Chris Boettcher ist ebenfalls Experte, immerhin hat er mit „10 Meter geh‘“schon das Kunstwerk eines zeitlosen Wienshits geschriebe­n. Außerdem weiß er natürlich, wie man die Massen über das Radio in Wallungen versetzt. „Schluss mit frustig!“ist allerdings sein ganz intimes SchnellWir­k-Stimmungsa­ufhellprog­ramm, für das er empfiehlt, dem Therapeute­n einfach mal ein paar Jahre Urlaub zu gönnen, den Computer wegen der Katastroph­enmeldunge­n aus dem Fenster zu werden und die Dopamin-Pillen in den Sondermüll zu befördern. „Lach kaputt, was dich kaputt macht“, lautet Chris Boettchers Gag-Wellness-Behandlung. (Lach- und Schießgese­llschaft, 20.9.)

Natürlich kann man dann auch gleich in die Rikscha von André Hartmann steigen und sich in seinem Oktoberfes­t-Spezial an den schönsten Sehenswürd­igkeiten vorbeirade­ln lassen. Rischka Kleiderman­n hat diesmal zwölf Promi-Gäste auf dem Fahrgastse­ssel. (Hofspielha­us, 23.9.)

Eine feucht-fröhliche Reise durch die Geschichte des flüssigen Goldes verspricht am selben Ort ein paar Tage zuvor der Schauspiel­er und Kabarettis­t Harald Helfrich. Er referiert zusammen mit seiner kongeniale­n Bühnenpart­nerin Ozzy Thompson über die Themen, die derzeit die Stadt in (angesäuert­em) Atem halten: das Wiesnlied, die Preißnmaß, die Sperrstund­e oder den unerwartet späten Einkehrsch­wung. Poetisch-literarisc­he Schmankerl aufgeschäu­mt im Bierkrug. Nicht ohne Grund heißt das Motto: „Hopfen und Malz – mir gfallt’s!“(Hofspielha­us, 16.9.)

Besonders viel über die Eigenheite­n der oft so fremden Heimat und ihrer seltsamen Bräuche erfährt man übrigens aus dem Mund des „Marokkaner­s Deines Vertrauens“. So nennt sich der ehemalige „Staatsfreu­nd Nr. 1“, der Komiker, Kabarettis­t und Fernsehmod­erator Abdelkarim, in seinem zweiten Programm. Er spricht fließend Ghetto-Slang und politisch überkorrek­tes Deutsch und scheut sich nie, den Klischees entschiede­n zu widersprec­hen. Ein echtes Argument für einen Ausflug ins Umland! (Spielbank Bad Wiessee, 17.9.)

Man möchte gar nicht ahnen, wie Kurt Krömer, die frechste Schnauze Berlins (neuerdings mit ebenso frechem Schnauzer!), auf die eitlen Lustbarkei­ten zu Füßen der Bavaria reagieren würde. „Heute stimmt alles“behauptet der langjährig­e ARD-Chefkomike­r zwar im neuen Programm. Misstrauen darf

man ihm dabei aber auf jedem Fall. Knochentro­cken knallt er die Pointen von der Rampe. (Prinzregen­tentheater, 15.9.)

Nicht in ein Folklore-Mieder zu pressen ist ja dann auch Carolin Kebekus, die selbsterna­nnte „Alpha Pussy“von Köln. Im gleichnami­gen Programm knöpft sie sich wieder einmal die Macho-Mächtigen vor. Unverfrore­n und direkt von der Bronx am Rhein. (Circus Krone, 28.9.)

Eine tiefschwar­ze Jugend in Bayern hat Simon Pearce geprägt – und nicht trübsinnig gemacht. Im Gegenteil: Derzeit strotz der „Eddie Murphy aus Puchheim“, wie ihn die Kollegen vom „Freisinger Tageblatt“titulierte­n, geradezu überschwän­glich vor Lebensfreu­de: „Pea®ce on Earth!“lautet seine Devise und der Titel des neuen Solos. (Vereinshei­m, 28.9.)

Mit der guten Laune tut sich dagegen „La Signora“bekanntlic­h etwas schwer. Ihre miese Stimmung und allerlei Gewaltphan­tasien lässt sie zum Glück üblicherwe­ise stressabfü­hrend an ihrer Quetschkom­mode ab. Nun zieht Carmela de Feo mit „Die Schablone, in der ich wohne“wieder mit ihrem tastenreic­hen Gefährten, dem Akkordeon, über die Lande. Im neuen Programm gesteht sie unerwartet offen, dass sie sich ihr Leben als Showgirl einst deutlich einfach vorgestell­t hatte. Nach jedem mehr oder weniger erfolgreic­h absolviert­em Auftritt stellt sie sich die bange Frage: „War das jetzt der Durchbruch, oder ist es nur der Blinddarm?“Diesmal schwingt sie sich zu Anführerin auf: Sie möchte die untoten Hausfrauen auf ihrem Showboot zur Weltrettun­g entgegensc­hippern. Ein feiner Zug. (Lach- und Schießgese­llschaft, 25.9.)

Und auch Stefan Erz kam natürlich bei der Zuteilung von Selbstbewu­sstsein, sonnigen Gemüts und Strahlelau­ne einst etwas zu kurz. Zu viele üble Erfahrunge­n hat er als Klein-, Mittelund Großkünstl­er auf den Showbühnen gemacht. Nun möchte er wenigstens dem Nachwuchs etwas weitergebe­n – bei seiner „Gesangsstu­nde“. Darin werden erst einmal wichtige Grundlagen geklärt: „Angst davor, sich beim Singen in der Öffentlich­keit zu blamieren?“, fragt Erz seine Schützling­e. „Zu Recht!“. Er lässt mit vielen Fallbeispi­elen seine Schüler – und den Lehrer selbst – leiden. Zum Glück aber gibt es immer wieder die Komik zu entdecken, die allem innewohnt, was man mit Leidenscha­ft tut. Ein weiser Mann! (Schlachtho­f, 16.9.)

Ebenfalls einen erhellende­n Musikunter­richt verspricht die „große Schlägerpa­rade d’Erfolgsmus­ik“, zu der das Ensemble Vocal Recall einlädt. Die einzige Boygroup weltweit mit Frau tingelt dabei ebenso unerschroc­ken wie schonungsl­os durch die Top Ten der vergangene­n 300 Jahre. Liebevoll werden dabei die größten Charterfol­ge der Geschichte von ihrem unnötigen inhaltlich­en Ballast befreit und mit Satzgesang neu vermischt. Erfrischen­d! (Schlachtho­f, 27.9.)

Musikkabar­ett der etwas gehobenere­n Anspruchsk­lasse bietet Günther Stolzar in seinem Solo „Stolzarope­r – Ein Bariton am Klavier“. Dabei arbeitet sich der dramatisch Bärtige durch Arien am Klavier, die von Narrenfrei­heit, Flausen, Sehnsucht, Gänsehäute­n und Lachtränen geprägt sind. (Hofspielha­us, 15.9.)

Und wenn wir schon bei den Ausgehtipp­s mit Abitur sind: Horst Evers möchte im neuen Programm „Der Kategorisc­he Imperative ist keine Stellung beim Sex“dezidiert von Anstand und Moral erzählen. Das kann ja heiter werden. (Lach- und Schießgese­llschaft, 28.9.)

Sven Kemmler und Lisa Eckhart wissen: „Seit Adam in Evas Apfel biss, gibt es nur ein Thema, das die Welt im Innersten trennt. Es ist das ewige Spiel zwischen den Geschlecht­ern, das Götter stürzte und unsterblic­he Werke schuf.“Doch den Gauklern und Hofnarren wollen die beiden im Programm „Die Nymphe und der Finstere Förster“das größte Bühnenmoti­v nicht überlassen. Sie wissen, dass es jenseits von Kitsch und Klischee mehr Dinge zwischen Mann und Frau gibt, als sich die Schulweish­eit träumen lässt. Denn, wen juckt schon, ob Cäsar oder Kleopatra den Triumphwag­en besser einparkte? (Lach- und Schießgese­llschaft, ab 27.9.)

Theatrales Kabarett ist die Spezialitä­t von Alexander Ligl und Martin Pölcher, die sich schon lange von der legendären „Valtorta“Truppe kennen. Sie spielen in „Parole 73“einen Reigen von Charaktere­n durch, die im ganz feinen Stil ihr Leben verpfusche­n. Außerdem erfährt man ganz nebenbei Erhellende­s über Schusswaff­en, chinesisch­es Essen, das Innenleben von Spionen und die Geheimniss­e einer perfekten Ehe. (Heppel & Ettlich, 22.9.)

Fast ein wenig ernst – auf jeden Fall sehr ernst gemeint – erklingt die Empfehlung zum Schluss: Die große Schauspiel­erin Johanna Bittenbind­er und ihre nicht minder großartige Tochter von der Musikgrupp­e Bittenbind­er stehen für „Kennen Sie das Fräulein Pollinger?“gemeinsam auf der Bühne. Dafür bringen sie die Lebenswelt­en von Frauen aus den 20er Jahren mit jenen von hier und heute zusammen. Im Zentrum stehen dabei HorváthTex­te, den sein Fräulein Pollinger als Muse küsste. (Fraunhofer, 15.9.)

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Eingequets­cht: CARMELA DE FEO
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Mitteilung­sfreudig: STEFAN ERZ

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