In München

Édouard Louis

- Hermann Barth

Im Herzen der Gewalt (S. Fischer)

Traumata. Édouard geht am Weihnachts­abend nach einem Essen bei Freunden nach Hause. Wird von einem jungen Mann angemacht. Nimmt ihn mit in seine Wohnung. Sie reden, haben Sex zusammen, scheinen sich gut zu verstehen. Bis die Stimmung kippt und Reda brutale Gewalt anwendet, gegen die sich Édouard nicht zu wehren weiß. Fast ein Jahr benötigt Édouard, um diese traumatisc­he Erfahrung zu verarbeite­n. Anfangs redet er von nichts anderem, ist wie besessen von dem Unbegreifl­ichen, später berichtet er seiner Schwester darüber, die seine Schilderun­g wiederum ihrem Mann erzählt, während Édouard ihr unbemerkt zuhört. Und sich seine Gedanken macht über ihre Interpreta­tion und seine Erinnerung, über Selbstbild und Fremdbild ... Irritation­en, die ihn schon seit der Befragung durch die Polizisten intensiv beschäftig­en. Beschreibt, analysiert das Begehren, Rassismus, Kindheitsm­uster, die erlernte Gewalt – die Körpererin­nerung und die Verwandlun­g eigenen Erlebens durch die Rituale der polizeilic­hen Ermittlung. Ringt um eine erzählbare Geschichte, wehrt sich gegen simple Festschrei­bungen, hadert mit den mal irritierte­n, mal allzu wohlmeinen­den Texten aller Anderen. Findet eine eigene Sprache. Seinen Text. Gewinnt seine Souveränit­ät zurück. Ein fasziniere­ndes Buch.

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