Mit Jazz und Witz
Spielzeitstart an den Kammerspielen: „On the road“und „Trüffel, Trüffel, Trüffel“
1957 erschien der Roman, der schnell Kult wurde und inzwischen, nur noch selten gelesen, wohl eher Legende ist. Jack Kerouacs On the road, die atemlose Bibel der Beat Generation, die von einem neuen Lebensgefühl erzählt, einer Befreiung mit Sex und Alkohol und Bebop. Aus diesem Textwust ein Stück mit klarer Dramaturgie zu machen, dieses Ziel hat Regisseur David Marton nicht. Seine Schauspieler und Musiker – Hassan Akkouch, Paul Brody, Daniel Dorsch, Jelena Kuljić, Julia Riedler, Thomas Schmauser und Michael Wilhelmi – sind auch nicht unterwegs, sie sind eingesperrt in eine Baulücke zwischen Hausmauern (Bühne: Amber Vandenhoeck), wo sie mit Trommeln lärmen und viel im Kreis um eine Baracke laufen. Die Hauptfiguren Sal Paradise (alias Kerouac) und Dean Moriarty splitten sich auf, jeder Darsteller holt sich mal ihren Text, mitunter von einer langen Rolle: Anspielung darauf, wie der Roman einst zu Papier gebracht wurde. Unterstützt von viel bestens performter, meist jazziger Live-Musik, improvisiert, blödelt, wanzt sich das Ensemble assoziativ irgendwie an Kerouac heran. Aber man bleibt dann doch, meilenweit weg von der Kraft der Vorlage, stecken: im Ausprobieren, im Beliebigen, im Überflüssigen. Wer den Roman kennt, findet ein paar Fetzen. Wer nicht, muss ihn lesen, um die Geschichte zu entdecken, der sich dieser Abend verweigert. Eugène Labiche war Geschäftsdramatiker. Er schrieb, was gut ging und es ging vieles gut: in über 175 Lustspielen hat er sich mit satirischem Biss auf die Macken der Klein- und Großbürger gestürzt, auf ihre Attitüden und Plattitüden und Dünkel. In Trüffel, Trüffel, Trüffel von 1861 sind die Kleinbürger zwar unter sich, aber sie wollen, sie müssen was Besseres sein: wegen des eigenen Drucks, und wegen der Klassenkonkurrenz. Also plustert sich diese Truppe, die in der Kammer 2 agiert, klamottenmäßig gleich mal bis ins Lächerliche auf: dicker Bauch im hellblauen Anzug, gelbe Hose, großes Blumenkleid, Ohrringe zur Trainingshose, die Haare einen grässlichen Tick zu schön – herrlicher Horror (Kostüme: Elke von Sivers). Die Geschichte geht schnell: die Tochter der einen Familie (Zeynep Bozbay) verliebt sich in den Sohn einer anderen (Samuel Stoyanov), und schon rotiert das Karussell der Hochzeitsplanung, das sich in einer absurden Übertrumpfungsorgie heißläuft: ein eigener Raumausstatter wird gebraucht, Trüffel satt bestellt und eine Loge in der Oper muss her – auch wenn immer „Rigoletto“läuft. Die große Sozialkritik will Regisseur Felix Rothenhäusler weniger, er macht lieber höchst charmantes Schauspielertheater. Dazu stellt er seine Profilneurotiker in eine chorus line, aus der heraus sie sich gegenseitig im Hochtempo mit dem pointierten Größenwahn aus Tobias Haberkorns gelungener Neuübersetzung beharken und übersprudeln. Die Geschlechter durchpurzeln sich dabei: Annette Paulmann, die erste unter all den Komödienkönnern dieses Abends und als Monsieur Malingear erst mal nicht zu erkennen, erinnert an E.O. Plauens Vater-Karikatur. Nils Kahnwald herrscht als sehr bestimmte Gattin an ihrer Seite, die wild gelockte Wiebke Puls ist die Mutter der anderen Seite und überragt ihren Mann (Marie Rosa Tietjen) nicht nur körperlich. Risto Kübar gibt köstlich nonchalant den peinlichen Onkel, Joscha Balta fungiert souverän als Allzweckwaffe: Diener, Restaurantchef, Raumausstatter. Nach viel zu kurzen sechzig Minuten: langer Beifall.