Das Floss der Medusa
(Zsolnay)
„Wo es kein Brot gibt, gibt es kein Gesetz mehr“steht unheilvoll auf der Rückseite von Franzobels Roman nach historischen Tatsachen. Bisher hatte die Geschichte von der 1816 vor der afrikanischen Westküste gestrandeten französischen Fregatte Medusa und dem Überlebenskampf jener auf einem aus Schiffsteilen gebauten Floß ausgesetzten 147 Menschen die Zeit hauptsächlich in Form eines berühmten Gemäldes von Théodore Géricault überdauert. Den österreichischen Schriftsteller faszinierte diese Geschichte vom blanken Versagen der Autoritäten in einer postrevolutionären Phase des Rückfalls in monarchische Strukturen. Vor allem aber interessierte ihn, was passiert, wenn Hunger, Durst und Wahnsinn Menschen zu wilden Tieren werden lassen –als das Floß nach zwei Wochen aufgegriffen wurde, haben nur 15 zu Skeletten abgemagerte Menschen überlebt. Franzobels detaillierte Schilderungen von Kannibalismus, Mord und Totschlag sind zum Teil fast unerträglich, trotzdem schafft er es, das fast schon Unbegreifliche mit einer wahnwitzigen Fabulierwut aus der Sicht eines heutigen Erzählers zu würzen. Das gelingt aber nur, weil anderseits die historischen Fakten und maritimen Begebenheiten bestens recherchiert wurden. Die Lektüre lässt den Leser mit einer Erkenntnis fast erschöpft zurück: Die Hölle, das sind wir.