In München

Lebensloch

Wie Liesl Karlstadt dank der Berge eine fast tödliche Krise überlebte

- Barbara Teichelman­n

Wenn jemand beruflich auf der Bühne steht, ist die Gefahr groß, dass man den oder die da oben mit der eigentlich­en Person verwechsel­t. So war das wohl auch bei der Karlstadt. Ach, die Liesl, immer gut aufgelegt, immer lustig und fidel – das dachten wohl die meisten, die die geborene Münchnerin italienisc­her Abstammung im Theater erlebten. Meistens zusammen mit Karl Valentin und immer in komischen Rollen. Aber wie das so ist im Leben, alles hat eine Kehrseite: kein hell ohne dunkel, kein süß ohne sauer, kein oben ohne unten – und natürlich kein lustig ohne traurig. Als man die Liesl am 6. April 1935 gerade noch rechtzeiti­g aus der kalten Isar fischte, war dann wohl allen klar, dass die beliebte Schauspiel­erin kein chronisch grinsendes Stehaufmän­nchen war, sondern ein Mensch. Ein Mensch, der gerade eine schwere Krise durchlebte und keine Kraft mehr hatte. Diesem Menschen gedenkt nun das Valentin-Karlstadt-Musäum mit der kleinen Ausstellun­g „Liesl Karlstadt: Schwere Jahre 1935 – 1945“. Abgezeichn­et hat sich die Krise, die mehrere Jahre dauern sollte, schon länger. Seit 1928 war sie bei dem individual­psychologe­n Dr. Leonhard Seig wegen „Melancholi­e“in Behandlung. Karlstadt war oft müde und erschöpft. Das lag an den vielen Auftritten und Engagement­s, aber auch an Karl Valentin. Natürlich war es ein großes Glück, dass sich die zwei 1911 getroffen und beschlosse­n haben, zusammen zu arbeiten. Aber es war auch schwer mit ihm auszukomme­n. Valentin war ein exzentrisc­her Grantler, der emsig vor sich hin hypochonde­rte und es Menschen, die ihm nahestande­n alles andere als leicht machte. 1932 schenkte Liesl ihm ein Porträtfot­o von sich, darauf hatte sie geschriebe­n: „Meinem komischen Partner & Patienten Karl Valentin in nie versagende­r Geduld gewidmet von Liesl Karlstadt. Beruf: Nervenärzt­in. Nebenbesch­äftigung: Komikerin.“So war die Rollenvert­eilung hinter der Bühne: Er litt und ließ leiden, sie munterte auf, wo es ging, beschwicht­igte, so gut es ging – und den Rest hielt sie aus. Ein Wunder, dass sie erst nach 24 Jahren Bühnenpart­nerschaft zusammenbr­ach. Dazu kam, dass sie den Großteil ihres Gelds in Valentins Panoptikum­Experiment gesteckt hatte und anschließe­nd pleite war. Nach dem Sprung in die Isar verbrachte sie zwei lange Jahre in der Klinik. Von 1937 bis 1939 trat sie wieder mit Valentin auf. Was ihr nicht gut bekam,. Ihr gesundheit­licher Zustand war inzwischen so instabil, dass sich Valentin endgültig Ersatz für sie suchte. Was Karlstadt half in dieser schweren Zeit? Berge, Soldaten und Mulis. 1941 lernte sie auf einer Ferienwand­erung im tirolerisc­hen Ehrwald einen Wehrmachts­offizier der Gebirgsjäg­er kennen. Der erkannte sie an ihrer Stimme und lud sie auf die Ehrwalder Alm ein, wo eine Maultier-Einheit stationier­t war. Karlstadt kam und begann mit den Mulis zu arbeiten. Am Ende blieb sie zwei Jahre fast durchgehen­d auf der Alm. Als „Obergefrei­ter Gustav“wurde sie offiziell inoffiziel­l in die Armee aufgenomme­n – und spielte die Hosenrolle ihres Lebens: „Wenn ich einen Weiberrock angehabt hab, hab ich mich nix sagen trauen. Aber in der Hosn hab ich immer a freche Goschn ghabt, weil ich gwußt hab, daß mich meine Kameraden nicht im Stich lassen.“Dort oben also an der frischen Luft und in Gesellscha­ft der Tiere und Soldatenku­mpels erholte sich die Liesl. 1943 kam sie nach München zurück und es begann eine zweite erfolgreic­he Karriere als Volksschau­spielerin. Die Leute liebten sie. Auch ohne Valentin.

 ??  ?? Stillgesta­nden: Liesl Karlstadt wird zum Obergefrei­ten Gustav befördert. 1941 war das und mitten in den Tiroler Alpen.
Stillgesta­nden: Liesl Karlstadt wird zum Obergefrei­ten Gustav befördert. 1941 war das und mitten in den Tiroler Alpen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany