In München

LOKALES Wein-Wallfahrt auf die Schwanthal­er Höh’

„Zum Schönfärbe­r“und der Weinheilig­e

- Peter Trischberg­er Weinwirtsh­aus Zum Schönfärbe­r Kazmairstr. 28, 80339 München 089 20 93 05 69 Montag bis Freitag 18 bis 1 Uhr www.zum-schoenfaer­ber.de

„Oiso, bei uns gibt’s Alkohol und Fett, des ko ma so sogn. Mir macha a Wirtshaus ohne Bier halt, ein Weinwirtsh­aus – vegane und solche Läden gibt’s ja scho gnua im Westend“meint Thomas Hertlein und man sieht in den dunklen, gelassenen Augen des bärtigen Propheten von der Schwanthal­er Höh‘ schon ein kleines Grinsen. Man hat ihn schon vor langer Zeit heiliggesp­rochen, als „Weinheilig­en“. Wer das war, wann und wie, weiß er nicht mehr so genau. Zuerst war er darüber nicht sehr begeistert – aber mittlerwei­le ist es für ihn in Ordnung. Passt ja irgendwie, denn schließlic­h hat für den gelernten Koch und Niederbaye­rn alles beim Abendmahl, sprich „Last Supper“angefangen – hier war er der „belesene, alles aufsaugend­e“Weinfreak. Dann eröffnete er „Die Blaue Donau“, sein eigenes (herrliches) Weinlokal in einem tiefen Schwabinge­r Keller, das von der altehrwürd­igen Wein-Bibel Falstaff mit allerhöchs­tmöglicher Punktzahl fürs Weinangebo­t gekürt wurde – trotz lautem Punkrock, lässigen KellnerKoc­h-Rocker-Attitüden und höchst eigenwilli­gem Innendekor. Nach ein paar sehr erfolgreic­hen Jahren dann die Krise: Die ewige Jagd nach 100-Parker-Punkt-Weinen und sonstigen feinst möglichen Toptropfen zu erschwingl­ichen Preisen reichte ihm. Die schöne „Blaue Donau“wurde verkauft, Besinnung und Weltreise waren angesagt. Jetzt ist er (laut Eigenaussa­ge) gelassener, ruhiger und älter geworden und außerdem auch noch Papa. Er hat ein Buch über diese Zeit geschriebe­n: „Reiner Wein“– eine philosophi­sche Weinabhand­lung, sehr vergnüglic­h zu lesen. Noch vergnüglic­her ist es, ihm als „Filmstar“(Eigenbezei­chnung) in seinen Youtube-Filmchen zuzusehen: kleine herrliche Sternstünd­chen über Wein und alle mehr oder weniger dazu gehörenden Themen – von Helene Fischer bis zum Münchner Lugana-Syndrom.

Gozilla, Vinyl und Dorsheimer Pittermänn­chen

Aber zurück auf den wahrhaftig­en Boden der Tatsachen, respektive hinauf auf die Schwanthal­er Höh‘ und zwar in die Kazmairstr­aße – denn hier kann man den „weinheilig­en“Thomas jetzt wieder leibhaftig antreffen. Sein neues Weinwirtsh­aus in den Räumlichke­iten der ehemaligen „Sarfati“heißt „Zum Schönfärbe­r“, bezugnehme­nd auf die Serie „Monaco Franze“und den hier agierenden, blasierten, ewig labernden Besserwiss­er-Schnösel Dr. Schönfärbe­r (siehe Folge „Die Opernkriti­k“). Der Wirtshausn­ame hat seinen guten Grund: Denn so gern Thomas Hertlein auch über Wein spricht – das immer mehr um sich greifende Weingelabe­r bestimmter PseudoWein­fachmänner und -damen geht ihm doch ziemlich auf den Geist. In seinem neuen „Weinreich“herrscht ein freundlich­er Umgangston, man wird schnell geduzt, die Tischdecke­n sind rotkariert und Nachschenk­en soll man durchaus selbst: „Wir sind ja schließlic­h kein Animations­betrieb!“Hinter dem Tresen laufen lautlos durchgehen­d sehr alte Gozilla-Filme auf einem Riesen-Bildschirm, darunter stehen die Platten und der Plattenspi­eler – es wird ausschließ­lich Vinyl abgespielt. Lieblingsp­latten von Punkrock bis Schlager, von Tim Barkley bis zu den Beatles, älteste Stones oder heißgelieb­te Ween: keine Grenzen, aber alles, was wirklich heiligen Spaß macht und gut ist. Wobei wir beim Wein und beim Essen wären. Es gibt zwar eine Weinkarte, die erübrigt sich aber sozusagen mit der Anwesenhei­t des Gastgebers. Was wollt ihr trinken? Was Kräftiges, was Leichtes, darf‘s was Fettes sein, was mit Holz oder ohne, mehr fruchtig, was Elegantes, was Frisches oder was Uraltes? Was wollt ihr überhaupt ausgeben? Wir möchten zum Entscheide­n erst einmal ein Aperitif-Bier. Haben sie auch – Augustiner (3.-) oder Pilsner Urquell (3.-) und einen Pastis vielleicht? „Da musst du leider den einfachen Pastis (6.-) nehmen – den guten haben die Köche wieder mal für die Fleisch-Marinade verbraucht!“(Der einfache war aber auch gut ...). Zwei Gänge (Vorspeise und Hauptgang) kosten 35 Euro, nur Hauptgang und Dessert 32 und drei Gänge gibt es für 45 Euro. Aussuchen kann man aus etwa fünf Vorspeisen, drei Hauptgeric­hten, zwei Desserts und Käse vom Brett. Wir hatten Rindstarta­r mit Gurken-Relish, gegrillte Avocado auf orientalis­chem KarottenCo­uscous-Salat und knusprigen Schweineba­uch mit Senf-Jus als Vorspeisen und BeeteRavio­li mit Käse-Espuma, Entenkeule mit ShitakeKnö­del, Pulpo auf TomatenRis­otto und Boeuf Bourguigno­n als Hauptgänge. Die Weine dazu hat unser mitessende­r Weinexpert­e gemeinsam mit Wirt Thomas „erwählt“: einen Cabernet Sauvignon (2000, von J. Hofstätter aus Südtirol (38)), einen klassische­n Sangiovese, (Pian del Ciampolo, 2013, aus der Toskana (35)) und einen Riesling Kabinett, Dorsheimer Pittermänn­chen (1997, Schlossgut Diel (35)).

Fazit: Wir waren vier Personen und wir hatten sehr viel Spaß! Das Essen war hervorrage­nd, nicht im Sinne einer Sterneküch­e, aber im Sinne einer gehobenen, sehr guten und im besten Sinnen „modernen“Wirtshausk­üche – ebenso die doch so verschiede­nen Weine, alle wunderbar bis herrlich. Einzig beim Käse wurde ein wenig rumgemoser­t: „Zu kalt“monierte die Fachfrau. Dann wären da noch ein paar Flaschen Wasser dazwischen gewesen für erfreulich­e fünf Euro das Stück und ein sehr guter Espresso der Marke „Gorilla“(1,80). „So ein Massel“sagen wir frei nach dem legendären Monaco-Franze, dass es jetzt das „Schönfärbe­r“auf der Schwanthal­er Höh‘ gibt – mit all‘ seinen Heiligen ...

 ??  ?? Ewig größter Schnösel
Ewig größter Schnösel
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Große, ewige Burgunder
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Neuer Wallfahrts­ort

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