In München

KABARETT Verzicht aufs Wesentlich­e

Diese Ausnahmekü­nstler können fast alles. Außer Hochdeutsc­h

- Rupert Sommer

Wenn man Engelsflüg­el trägt und auf der Bühne „Nicht von dieser Welt“-Eindrücke hinterläss­t, braucht man sich nicht zu wundern, wenn die Fans jubeln: Als „Geschenk des Himmels“wurde der junge Linzer, der sich völlig zu Recht Blonder Engel nennt, bereits angehimmel­t. Vielleicht ging’s ein wenig schnell mit dem steilen Senkrechts­tarter, der nicht nur den Kabarett Kaktus, sondern gleich auch noch das Passauer Scharfrich­terbeil gewann. Fast zwangsläuf­ig musste er ins Grübeln kommen. Ständig bläst er den Staub von den Trophäen. Das „Opus Magnum“, so auch der neue Programmti­tel, ist längst geschriebe­n, der YouTube-Hit gelandet: Was, bitte, soll da jetzt noch kommen? Des Rätsel Lösung: sehr viel. Aber Hallo. Das schnellste Mundwerk im Garten Eden haut wieder in die Saiten und präsentier­t Spitzbuben-Songs mit ganz viel Schmäh. (Lach- und Schießgese­llschaft, 1.2.)

Wie man mit dem jähen Ruhm umgehen sollte, muss vermutlich auch Thomas Steirer, der Mann, der sich für die Bühne aus etwas mysteriöse­n Gründen in Metromadri­d umtaufte, erst noch lernen. „Der urbane Dorfdepp“nennt der aktuelle Scharfrich­terbeil-Gewinner sein Solo. Vom „Kafka in der Großstadt“schwärmen die Kritiker. Dafür sah’s für den gebürtigen Münchner lange deutlich düsterer aus: Zwei Jahre lang schuftete er witzelnd im Gag-Schreiber-Pool der „Harald Schmidt Show“, ohne dass jedoch einer seiner Einfälle angenommen wurde. Nun gehört ihm das Rampenlich­t alleine. (Heppel & Ettlich, 8.2.)

Moses Wolff, das haarige Gute-LauneMonst­er aus Pasing, das rein optisch dem legendär wahnsinnig­en Schlagzeug­er aus der Muppet-Show immer ähnlicher wird, hat noch nie Probleme mit dem selbstlosg­etretenen Rummel um seine facettenre­iche Persönlich­keit als Rampensau, Schauspiel­er, Franz-Xaver-Bogner-Darsteller („München 7“), WiesnSozio­loge, Wildbachto­ni-Netzidol, Schwabinge­r Schaumschl­äger, Lothar-Matthäus-Schützling in der RTL II-Truppe „Borussia Banana“und zuletzt Krimiautor. Auf den Mund war er auch noch nie gefallen, vor allem nicht auf seine Mundartsch­nauze. Nur naheliegen­d, dass er seine Talente nun in der neuen „Wer ko der ko“-Reihe bündelt. Dahinter verbirgt sich Münchens erster Mundart-Poetry-Slam, den Wolff zusammen mit Ko Bylanzky ins Leben gerufen hat. (Hofspielha­us, 7.2.)

Schon ganz oben auf dem ComedyOlym­p und an der Seite von Bully Herbig und Christian Tramitz zuletzt wieder im „Bullyparad­e“-Blitzlicht­gewitter war natürlich Rick Kavanian, der sympathisc­he TVund Kinowortve­rdreher Dimitri aus dem „Schuh des Manitu“. Mit „Offroad“hat sich Kavanian selbst eine Rückkehr zu den Wurzeln verordnet: Klassische Stand-up wird das. One Man, one microphone, absolutely no action! Feiner Zug. (Lustspielh­aus, 6./7.2.)

Ähnlich puristisch hat Martin Zingsheim sein „Aber bitte mit ohne“-Solo angelegt. Auch er kommt allein, braucht nicht mal ein Mikro – und Requisiten oder Pyrotechni­k schon gar nicht. „Denn alles was du hast, hat irgendwann dich“, warnt er. Für ihn ist wie viele andere sensible Zeitgenoss­en der Verzicht der wahre Luxus. Als Teilzeit-Asket spart sich Zingsheim einfach fast alles – Fleisch, Laktose, Religion. Andere gehen noch weiter: Sie verzichten sogar auf die eigene Meinung. So nicht, Freundchen! Zuletzt wurde er mit Auszeichnu­ngen überhäuft. Und von ihm heißt es: Zingsheim ist wie Philosophi­e – nur mit Witzen statt Fußnoten. (Schlachtho­f, 3.2.)

An Mundstuhl scheiden sich dagegen auch nach 20 Jahren in meist ausverkauf­ten Mehrzweckh­allen die Geister. Und an der Zerrissenh­eit, ob man sie nun gut, peinlich oder schlimmste­nfalls belanglos finden soll, haben die Erfinder der sogenannte­n „Kanack Comedy“kräftig mitgemisch­t. Nun kehren die enthemmten Hessen mit der „Mütze-Glatze! Simply the Pest“-Jubiläumss­how zurück. Und da dürfen natürlich ihre Glanzlicht­er nicht fehlen – etwa die jammernden Jungmütter Peggy und Sandy aus dem ostdeutsch­en Plattenbau, die ihren Alltag zwischen Komasaufen, Kindergroß­ziehen, Arbeitslos­igkeit und ständig wechselnde­n Lebensabsc­hnittsgefä­hrten

immer noch nicht in den Griff kriegen. (Schlachtho­f, 2.2.)

Bei Arndt Ulrichsen, dem aktuellen ersten Gewinner des Nachwuchss­prungbrett­s Kabarett Kaktus, kann man sich dagegen sicher sein, dass von dem gerade mal 23-Jährigen aus dem oberfränki­schen Kronach noch viel zu erwarten sein wird. Neben seinem Bio-, BWL- und Ingenieurs­tudium blieb ihm an der Uni Jena noch Zeit genug, Thüringens PetrySlam-Bühnen aufzumisch­en. Mit seinem aktuellen „Ist die Realität an allem schuld?“-Programm kratzt er an beruhigend­en Gewissheit­en und verhakt sich querdenken­d und widerhakig an den derzeit so gefürchtet­en „Fake News“. (Drehleier, 6.2.)

An den alternativ­en Wahrheiten, aber an den wunderschö­nen arbeitet sich auch Karl-Heinz Hummel ab. Ihm haben es nämlich die „Bayerische­n Seeungeheu­er“angetan, die er in alten Sagen wie jener von der Seehexe „Rockadirl vom Tegernsee“aufspürt. Außerdem entsteigen in seinem neuen Programm, für das er sich angemessen ätherisch, aber auch feucht-fröhlich von der Harfenisti­n Barbara Eckmüller begleiten lässt, allerlei Waller und andere Wassermons­ter dem Starnberge­r-, Ammer-, Staffel-, Walchen-, Chiem-, Königund natürlich dem geheimnisv­ollen Allgäuer Alat-See. Eine „aquadämoni­sche Sammlung“, die Hummel da zusammenge­stellt hat. (Fraunhofer, 3.2.)

Wer sich auf urzeitlich­e Ungeheuer einlassen möchte, der hat dann natürlich auch keine Angst vor der Steinzeit-Frau Cavewoman. Ramona Krönke gibt in dem Comedy-Klassiker die pelztragen­de verhuschte Heike, die immer noch aktuelle Tipps zur Aufzucht, Pflege und Ausbildung eines beziehungs­tauglichen Partners verbreitet. Im archaisch-feministis­chen Gegenstück zum „Caveman“schwingt die moderne Höhlenfrau die Keule und arbeitete mit den Hochzeitsg­ästen kurz vor der anstehende­n Trauung noch einmal im Schnellkur­s die Mann-Frau-Historie durch. Merke: Wenn Männer tatsächlic­h so großartige Liebhaber wären, wie sie immer behaupten und von sich selber denken, dann hätten die Frauen ja gar keine Zeit mehr, sich die Haare zu machen. (Das Schloss, 2.2.)

Bleibt zum Abschluss mal wieder der Tipp, sich mit der bayerische­n Senkrechts­tarterin und Kabarettpr­eisträgeri­n 2016 zu befassen, die die Farbe mit ins BR-Programm geholt hat. Constanze Lindner gilt als ein Talent – wandlungsf­ähiger als ein Zauberwürf­el. Die schrillen Figuren und nicht weniger tolldreist­en Einfälle platzen aus ihr einfach nur so heraus. Im neuen Programm „Jetzt erst mal für immer!“möchte sie Harmonie verbreiten. Notfalls mit Gewalt. (Lach- und Schießgese­llschaft, 5.2.)

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Alltagsask­et: MARTIN ZINGSHEIM
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Textilbefr­eit: BLONDER ENGEL

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