KABARETT Verzicht aufs Wesentliche
Diese Ausnahmekünstler können fast alles. Außer Hochdeutsch
Wenn man Engelsflügel trägt und auf der Bühne „Nicht von dieser Welt“-Eindrücke hinterlässt, braucht man sich nicht zu wundern, wenn die Fans jubeln: Als „Geschenk des Himmels“wurde der junge Linzer, der sich völlig zu Recht Blonder Engel nennt, bereits angehimmelt. Vielleicht ging’s ein wenig schnell mit dem steilen Senkrechtstarter, der nicht nur den Kabarett Kaktus, sondern gleich auch noch das Passauer Scharfrichterbeil gewann. Fast zwangsläufig musste er ins Grübeln kommen. Ständig bläst er den Staub von den Trophäen. Das „Opus Magnum“, so auch der neue Programmtitel, ist längst geschrieben, der YouTube-Hit gelandet: Was, bitte, soll da jetzt noch kommen? Des Rätsel Lösung: sehr viel. Aber Hallo. Das schnellste Mundwerk im Garten Eden haut wieder in die Saiten und präsentiert Spitzbuben-Songs mit ganz viel Schmäh. (Lach- und Schießgesellschaft, 1.2.)
Wie man mit dem jähen Ruhm umgehen sollte, muss vermutlich auch Thomas Steirer, der Mann, der sich für die Bühne aus etwas mysteriösen Gründen in Metromadrid umtaufte, erst noch lernen. „Der urbane Dorfdepp“nennt der aktuelle Scharfrichterbeil-Gewinner sein Solo. Vom „Kafka in der Großstadt“schwärmen die Kritiker. Dafür sah’s für den gebürtigen Münchner lange deutlich düsterer aus: Zwei Jahre lang schuftete er witzelnd im Gag-Schreiber-Pool der „Harald Schmidt Show“, ohne dass jedoch einer seiner Einfälle angenommen wurde. Nun gehört ihm das Rampenlicht alleine. (Heppel & Ettlich, 8.2.)
Moses Wolff, das haarige Gute-LauneMonster aus Pasing, das rein optisch dem legendär wahnsinnigen Schlagzeuger aus der Muppet-Show immer ähnlicher wird, hat noch nie Probleme mit dem selbstlosgetretenen Rummel um seine facettenreiche Persönlichkeit als Rampensau, Schauspieler, Franz-Xaver-Bogner-Darsteller („München 7“), WiesnSoziologe, Wildbachtoni-Netzidol, Schwabinger Schaumschläger, Lothar-Matthäus-Schützling in der RTL II-Truppe „Borussia Banana“und zuletzt Krimiautor. Auf den Mund war er auch noch nie gefallen, vor allem nicht auf seine Mundartschnauze. Nur naheliegend, dass er seine Talente nun in der neuen „Wer ko der ko“-Reihe bündelt. Dahinter verbirgt sich Münchens erster Mundart-Poetry-Slam, den Wolff zusammen mit Ko Bylanzky ins Leben gerufen hat. (Hofspielhaus, 7.2.)
Schon ganz oben auf dem ComedyOlymp und an der Seite von Bully Herbig und Christian Tramitz zuletzt wieder im „Bullyparade“-Blitzlichtgewitter war natürlich Rick Kavanian, der sympathische TVund Kinowortverdreher Dimitri aus dem „Schuh des Manitu“. Mit „Offroad“hat sich Kavanian selbst eine Rückkehr zu den Wurzeln verordnet: Klassische Stand-up wird das. One Man, one microphone, absolutely no action! Feiner Zug. (Lustspielhaus, 6./7.2.)
Ähnlich puristisch hat Martin Zingsheim sein „Aber bitte mit ohne“-Solo angelegt. Auch er kommt allein, braucht nicht mal ein Mikro – und Requisiten oder Pyrotechnik schon gar nicht. „Denn alles was du hast, hat irgendwann dich“, warnt er. Für ihn ist wie viele andere sensible Zeitgenossen der Verzicht der wahre Luxus. Als Teilzeit-Asket spart sich Zingsheim einfach fast alles – Fleisch, Laktose, Religion. Andere gehen noch weiter: Sie verzichten sogar auf die eigene Meinung. So nicht, Freundchen! Zuletzt wurde er mit Auszeichnungen überhäuft. Und von ihm heißt es: Zingsheim ist wie Philosophie – nur mit Witzen statt Fußnoten. (Schlachthof, 3.2.)
An Mundstuhl scheiden sich dagegen auch nach 20 Jahren in meist ausverkauften Mehrzweckhallen die Geister. Und an der Zerrissenheit, ob man sie nun gut, peinlich oder schlimmstenfalls belanglos finden soll, haben die Erfinder der sogenannten „Kanack Comedy“kräftig mitgemischt. Nun kehren die enthemmten Hessen mit der „Mütze-Glatze! Simply the Pest“-Jubiläumsshow zurück. Und da dürfen natürlich ihre Glanzlichter nicht fehlen – etwa die jammernden Jungmütter Peggy und Sandy aus dem ostdeutschen Plattenbau, die ihren Alltag zwischen Komasaufen, Kindergroßziehen, Arbeitslosigkeit und ständig wechselnden Lebensabschnittsgefährten
immer noch nicht in den Griff kriegen. (Schlachthof, 2.2.)
Bei Arndt Ulrichsen, dem aktuellen ersten Gewinner des Nachwuchssprungbretts Kabarett Kaktus, kann man sich dagegen sicher sein, dass von dem gerade mal 23-Jährigen aus dem oberfränkischen Kronach noch viel zu erwarten sein wird. Neben seinem Bio-, BWL- und Ingenieurstudium blieb ihm an der Uni Jena noch Zeit genug, Thüringens PetrySlam-Bühnen aufzumischen. Mit seinem aktuellen „Ist die Realität an allem schuld?“-Programm kratzt er an beruhigenden Gewissheiten und verhakt sich querdenkend und widerhakig an den derzeit so gefürchteten „Fake News“. (Drehleier, 6.2.)
An den alternativen Wahrheiten, aber an den wunderschönen arbeitet sich auch Karl-Heinz Hummel ab. Ihm haben es nämlich die „Bayerischen Seeungeheuer“angetan, die er in alten Sagen wie jener von der Seehexe „Rockadirl vom Tegernsee“aufspürt. Außerdem entsteigen in seinem neuen Programm, für das er sich angemessen ätherisch, aber auch feucht-fröhlich von der Harfenistin Barbara Eckmüller begleiten lässt, allerlei Waller und andere Wassermonster dem Starnberger-, Ammer-, Staffel-, Walchen-, Chiem-, Königund natürlich dem geheimnisvollen Allgäuer Alat-See. Eine „aquadämonische Sammlung“, die Hummel da zusammengestellt hat. (Fraunhofer, 3.2.)
Wer sich auf urzeitliche Ungeheuer einlassen möchte, der hat dann natürlich auch keine Angst vor der Steinzeit-Frau Cavewoman. Ramona Krönke gibt in dem Comedy-Klassiker die pelztragende verhuschte Heike, die immer noch aktuelle Tipps zur Aufzucht, Pflege und Ausbildung eines beziehungstauglichen Partners verbreitet. Im archaisch-feministischen Gegenstück zum „Caveman“schwingt die moderne Höhlenfrau die Keule und arbeitete mit den Hochzeitsgästen kurz vor der anstehenden Trauung noch einmal im Schnellkurs die Mann-Frau-Historie durch. Merke: Wenn Männer tatsächlich so großartige Liebhaber wären, wie sie immer behaupten und von sich selber denken, dann hätten die Frauen ja gar keine Zeit mehr, sich die Haare zu machen. (Das Schloss, 2.2.)
Bleibt zum Abschluss mal wieder der Tipp, sich mit der bayerischen Senkrechtstarterin und Kabarettpreisträgerin 2016 zu befassen, die die Farbe mit ins BR-Programm geholt hat. Constanze Lindner gilt als ein Talent – wandlungsfähiger als ein Zauberwürfel. Die schrillen Figuren und nicht weniger tolldreisten Einfälle platzen aus ihr einfach nur so heraus. Im neuen Programm „Jetzt erst mal für immer!“möchte sie Harmonie verbreiten. Notfalls mit Gewalt. (Lach- und Schießgesellschaft, 5.2.)