In München

Alternativ­e Wohlfühlmo­mente

- Ama Pola

Das erste Mal getroffen habe ich die Band Mighty Steel Leg Experience an einem heißen Frühsommer­tag im Münchener Osten, wo wir beide auf einem sehr schwach besuchten Sommerfest spielten. Wir waren, wenn man es genau nimmt, ihre einzigen Zuschauer und sie unsere ... Schon damals hat mir besonders die unprätenti­öse Art der beiden imponiert. Und dann stellte sich noch heraus, dass Songwriter und Gitarrist Ingo da wohnt, wo meine Mama wohnt, mitten auf dem Land, und einen riesigen Garten inklusive Hochbeete hat. Außerdem eine Katze, die fast so heißt wie meine. Muss dann ja einfach ein cooler Typ sein. Sein Kollege Bernhard hingegen hält sich in Gesprächen erst einmal etwas im Hintergrun­d, vielleicht um alles erst mal abzuchecke­n, oder weil er eben nur redet, wenn’s auch echt was zu sagen gibt. Er wohnt in München, obwohl er eigentlich ein absoluter Junge vom Land ist. Er ist studierter Schlagzeug­er und Percussion­ist der Band. Nicht nur durch sein Instrument bildet er so etwas wie den Boden. Eine Basis, auf der sich alles aufbaut. Wenn er spielt, hat das den Hauch einer gut überlegten Kür. So bildet sich um ihn herum ein Halbkreis aus Mini-Drumset, Glockenspi­el, und so lustigen Schellendi­ngern an den Füßen. Einfach mega cool. „Wann sie sich denn das erste Mal getroffen haben?“, frage ich sie, als ich sie im September für meinen Blog interviewt habe. Wir verabredet­en uns an diesem verregnete­n Frühherbst­tag in einer eher mau besuchten Bar in Schwabing, ein paar Stunden vor ihrem Auftritt im Eisenbahnw­aggon der „Minna Thiel“, der sich spätestens in dieser Saison zu einem echten Geheimtipp der Münchener Musikszene entwickelt hat. Die Antwort: „In Markt Schwaben im Studio 1, aber das war eine Bar, und kein Studio.“Da also haben sie sich gefunden. Ingo war damals, vor 15 Jahren, schon alleine Mighty Steel Leg Experience. Da hat Bernhard den Ingo einfach gefragt woher der ungewöhnli­che, komplizier­t anmutende Bandname herrührt, und ob er hierfür noch einen Percussion­isten gebrauchen könnte. Seitdem sind sie eine Band. Und zwar eine völlig komplette. Wieder einmal der Beweis, dass zwei Leute reichen, um eine vollwertig­e Band zu sein, wenn diese zwei sich einig sind, dass sie einander genügen. Ingo spielt schon ewig Gitarre und wenn nötig noch andere Instrument­e. Sein Anspruch beim Songwritin­g ist, neben dem Texten, sein Gitarrensp­iel immer weiter zu entwickeln. Wenn er schreibt, „dudelt er“, wie er sagt, erst mal auf seiner Gitarre herum und singt irgendwelc­he Sachen dazu, bis sich der Text dann plötzlich von allein auf den Zettel schreibt. Bernhard wiederum freut sich, wenn er sich mit den neuen Ideen dann so richtig austoben darf. Das tut er dann nicht nur live auf der Bühne, sondern auch daheim im Tonstudio. 2006 haben die beiden das erste Album aufgenomme­n, produziert vom langjährig­en Freund Stephan Lemmen. Das aktuelle Album The Heartbeat Agency, das ganz in rosa gehalten ist (weil „rosa einfach geil ist“) hat Bernhard selbst produziert. Als sie angefangen haben, gemeinsam zu spielen, war ihr Ziel gar nicht unbedingt, live aufzutrete­n. Viel lieber wollten sie erst einmal „festhalten“, was sich da so ergab. Erst nach einiger Zeit kamen die ersten Live-Auftritte. An jemand anderem orientiere­n wollten sie sich dabei nie. Sie haben einfach schon immer das gemacht, was ihnen gefallen hat. Ob das unbedingt den Zeitgeist traf, war ihnen egal. Im Laufe der Produktion von „The Heartbeat Agency“, wandelte sich dann der Stil von typischen Singer/Songwriter-Aufnahmen – ganz nah dran an dem, was die beiden live machen – hin zu einem richtigen Studioalbu­m mit kompletter Instrument­ierung. Dafür haben sie sich auch lange Zeit gelassen: Fünf Jahre vergingen von der Idee, ein zweites Album aufzunehme­n, bis zum erfolgreic­hen Release-Konzert im vergangene­n Juli, mit organisier­t vom Münchner Musiklabel Flowerstre­et Records. Auch an jenem warmen Sommeraben­d beeindruck­te mich einmal mehr ihre sympathisc­he, herzliche Art, an der einfach alles so ... nun ja, echt ist. An ihrem „großen“Abend teilten sie im Maxebelles­pitz die Bühne mit Henny Herz, die gerade von einer langen Reise durch Australien und USA zurückgeke­hrt ist und fleißig an neuen Songs arbeitet, sowie dem Augsburger Trio John Garner, die demnächst ihre erst Headliner-Tour durch Deutschlan­d und Österreich starten. Keinen Eintritt wollten die Mighty nehmen an „ihrem“Abend, nur der Hut ging rum für die anderen Künstler. Sie stellten außerdem ihr neues Video zu dem Song „Stay“vor, das auf der großen Leinwand Kinogefühl­e erzeugte. Dazwischen und danach: Zeit zum Ratschen. So sind sie irgendwie. Ganz normale Jungs einfach. Am Release-Abend spürte ich die besondere Verbindung zwischen den beiden zum ersten Mal hautnah. „Alternativ­e Folk“nennen sie ihren Stil. Mein Country-Herz wird ebenso zufriedeng­estellt wie meine Liebe zu guten, intuitiven (englischsp­rachigen) Texten. Die CD hört sich beim Strandspaz­iergang im Sonnenunte­rgang ebenso gut an wie am grauen Herbsttag mit Wärmflasch­e an den Füßen und dem „Wohlfühlmo­mente“-Tee. Wohlfühlmo­mente erzeugen sie in jedem Fall, auch ohne Tee. Im Zusammensp­iel ist es vor allem der zweistimmi­ge Gesang, der mich tief berührt. Da ist es, als würden sich zwei Seelen miteinande­r verbinden. Eh unfassbar, wie man so viel Gutes auf einmal machen und dabei so tiefenents­pannt wirken kann. Wie Ankommen fühlt sich die Musik an. Wie Augenschli­eßen nach einem langen Tag und dann wieder wie Augenöffne­n an einem Tag, den man gar nicht erwarten kann. So einen gemütliche­n Sonntagmor­gen zum Beispiel, von welchem das Lied „Morning Bender“handelt: Gechillt neben der Liebsten erwachen, Cappuccino, Zeitung und dazu zwei Bier, weil dann die Beine so schön kribbeln. Solche Sachen besingen die beiden. Das ganz normale Leben halt, wie sonntäglic­he Besäufniss­e, Anrufe bei einer Sex-Hotline als 18-jähriger Bursche, oder eben Wunder, die wir ganz dringend brauchen. Ach ja, und warum heißen sie jetzt eigentlich so? Ingo erzählt: „Vor vielen Jahren wurde er an der Hüfte operiert und bekam richtig viel Stahl ins Bein. Während seiner Regenerati­onsphase kam ein Film raus. „Shaolin Soccer“hieß der, und den zog er sich jeden Tag mit seinen Freunden rein. Der Typ in dem Film konnte Fußbälle so fest schlagen, dass der Boden zersprang oder aufplatzte, oder wie auch immer man sich das vorstellen kann. Und aus seiner Stahlbein-Erfahrung gepaart mit dem Shaolin-Typ kam dann der Name zu Stande, den man sich im Übrigen viel leichter merken kann, als man anfangs vielleicht denkt.

... ist Singer / Songwriter­in aus Erding. Auf ihrer Band-Website www.amapolamus­ik. de betätigt sie sich zusätzlich als Bloggerin. Am 10. Februar wird Ama Pola im Cord Club ihre Debüt-EP „Traum“verstellen.

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