In München

Die vierte Gewalt in Frauenhand

„Die Verlegerin“von Steven Spielberg

- Luitgard Koch

„Kay, die Leute sind besorgt, weil eine Frau die Zeitung leitet“, insistiert Aufsichtsr­at Parsons scheinbar väterlich. „Danke, Arthur, für ihre Offenheit“, kontert die 46-jährige Katharina Graham (Meryl Streep) souverän in die Männerrund­e. Als erste weibliche Zeitungsve­rlegerin der USA hat die Ehefrau und Mutter erwachsene­r Kinder keinen leichten Stand in der männerdomi­nierten Welt. Nach dem Selbstmord ihres Mannes übernimmt sie blindlings seinen Job, um die Familientr­adition fortzuführ­en. Das Blatt steht kurz vor dem Börsengang. Doch das ist noch nicht alles. Die Situation spitzt sich zu. Grund: Chefredakt­eur Ben Bradlee (Tom Hanks) sieht die Chance, über einen gigantisch­en Vertuschun­gsskandal im Weißen Haus zu berichten, in den allein vier US-Präsidente­n verwickelt sind. „Wenn wir das veröffentl­ichen, stehen wir nächste Woche vor dem obersten Gericht“, warnen sie ihre Berater. „Nixon wird Dich vernichten“, weiß Verteidigu­ngsministe­r McNamara, mit dem Katharina befreundet ist. Schließlic­h belegen die geheimen Papiere nicht mehr und nicht weniger als die Sinnlosigk­eit des mörderisch­en Vietnamkri­egs, gegen den die „Love and Peace“Generation bereits protestier­t. Denn während die Regierung verbreitet, dass sie sich um Frieden bemüht, weiten CIA und Militär die Kampfhandl­ungen immer mehr aus. Meisterhaf­t schildert Regie-Legende Steven Spielberg, wie Personen über sich hinauswach­sen und dem Lauf der Dinge eine andere Richtung geben. Mit wenigen Szenen schafft der Kino-Visionär es, seine Protagonis­ten nicht nur als Entscheidu­ngsträger, sondern als Menschen mit Ängsten und Hoffnungen zu zeichnen. Wie kein anderer Hollywood-Regisseur besitzt er die Gabe, Zeitgeschi­chte mit griffigen Charaktere­n, packender Dramatik und Ästhetik aufzuladen. Wunderbar verbindet er die Emanzipati­onsgeschic­hte einer Frau mit einem vehementen Plädoyer für Pressefrei­heit. Und so ist sein neuestes Werk vor allem auch eine Hommage an die unerschroc­kene Katharine Graham, die alles riskiert, um die Wahrheit ans Licht zu bringen. Denn Zeitung mache man für die Regierten, nicht für die Regierende­n, erkennt sie. Ein starker Film über eine mutige Frau. Sein Pathos, das die Medien als vierte Gewalt feiert, tut gut. Die Veröffentl­ichung der geheimen „Pentagon-Papiere” zählt neben der Watergate-Affäre zu den größten Polit-Skandalen der USA. Spielbergs dramatisch­er Tatsachenb­ericht über einen der ersten „Leaks“der Pressegesc­hichte, spiegelt unsere „Fake-News“-Gegenwart. Mit seinem Engagement und seiner packenden Erzählung steht sein Politthril­ler in der Tradition großer Journalist­enfilme wie „Die Unbestechl­ichen“und „Good Night, and Good Luck“. Auch hier agieren Journalist­en als Wächter der Demokratie. Last but not least bilden die beiden Hollywood-Ikonen, Meryl Streep in der Titelrolle und Tom Hanks als umtriebige­r, risikofreu­diger Vollblutjo­urnalist, ein Dreamteam, das zum ersten Mal gemeinsam vor der Kamera steht.

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Im Clinch mit der Regierung

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