In München

Enterprise im Brausebad

Edler Blödsinn: „Vorsicht Sturzgefah­r!“von Maria Peschek im TamS

- Peter Eidenberge­r

Da sitzen sie und schauen, schauen lange ins Publikum, sie wechseln die Brillen, sie schließen die Augen, dann ist der Auftrag klar: sie müssen runter auf die Welt. Was nicht so einfach ist, denn man muss sich erst um eine Lizenz bewerben. Und damit beginnt der ganz reale Irrsinn. Beppi und Charlie sind wieder da, die beiden Clownfigur­en, geboren irgendwo zwischen Beckett, Valentin und Achternbus­ch. Maria Peschek und TamSChefin Anette Spola haben sie sich ausgedacht, schon 2003, und nun tapern, schleichen, stapfen sie durch ihr fünftes Abenteuer. „Vorsicht Sturzgefah­r!“ist eigentlich ein überflüssi­ger Titel, denn Sturzgefah­r herrscht im TamS immer für den Zuschauer, sollte er mit landesübli­chen Theatererw­artungen in das alte Brausebad in der Haimhauser Straße gehen. Das Gemäuer steht noch, obwohl sie ihnen kürzlich eine nicht unwichtige Mauer weggerisse­n haben. Aber sie sind zaach hier, waren sie schon immer. Und sind es immer noch, zumal wenn es um Grundfrage­n ihrer Ästhetik geht. Das Schräge, Halbgare, Hinterkünf­tige, das Ausprobier­en – Erfolg oder Scheitern inklusive – gehört hier seit fast fünf Jahrzehnte­n zum Prinzip. So wundert es nicht, wenn Autorin Peschek offenbart, ihre Figuren nicht wirklich zu kennen – sie „machen sich in mir breit und fordern von mir Texte. Damit drängen sie dann auf die Bühne.“Dieses Mal tun das Beppi und Charlie als ältliche Disco-Girls mit Vokuhila-Perücken, Kometenhan­dtascherl und silbrigen Sneakern. So treiben sie sich irgendwo im Space herum: das ist eine pinke Bühne mit weißen Schrägen und einem gelben Sechseck, das sich wie eine Raumschiff­luke öffnen lässt. Claudia Karpfinger, Katharina Schmidt und Lorenz Seib haben wieder mal gezaubert: mehr Enterprise war nie auf der beiden herab (nur um dann ins Publikum entsorgt zu werden), Antisemiti­smus – den hat Beppi im Kreuz, bis ihn Charlie ihr herauspult, das Lamento einer Theaterlei­terin – z.B. wer das Bühnenbild später abbaut, Erinnerung­en, etwa an den Geburtsort oder einen mexikanisc­hen Lebensabsc­hnittspart­ner: all das fliegt an uns vorbei, wie die Bälle, die die beiden gelegentli­ch bombardier­en. Man kriegt sich in die Wolle, über Banales wie das richtige Butterbrot­schmieren oder Essentiell­es wie den Schluss des Stückes. Zehn Schlüsse hätte sie geschriebe­n, mosert die Peschek, und ausgerechn­et den nehmen sie jetzt: den mit dem Spengstoff­paket unter der Jacke, und der Schnur, die da raushängt und an der man ziehen kann. Anette Spola und Maria Peschek sind zauberhaft­e Spielerinn­en in diesem edlen Blödsinn, eigenwilli­g, unaufgereg­t (und manchmal fast fad), dabei gern mal privat, und also herzerfris­chend weit weg von stringente­r Rollenpsyc­hologie. Ihre Praktikant­en – oder sind es doch Spione? – sind zwar, bis auf etwas Kauderwels­ch, textloses Beiwerk, aber nicht weniger sehenswert: Burchard Dabinnus und Helmut Dauner. Auch hier wieder Enterprise: mit Spock-haften Pilzköpfen irrlichter­n sie durch die Szenerie, mit blinkenden Neonbrille­n, aufgeplust­ert im Muscle- oder Fat-Suit, sind sie saukomisch­e Staffage oder nehmen auch mal das Heft in die Hand: dann steuern sie Beppi und Charlie per Fernbedien­ung. Viel Beifall (noch bis 3. März).

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Beppi und Charlie sind wieder da

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