Enterprise im Brausebad
Edler Blödsinn: „Vorsicht Sturzgefahr!“von Maria Peschek im TamS
Da sitzen sie und schauen, schauen lange ins Publikum, sie wechseln die Brillen, sie schließen die Augen, dann ist der Auftrag klar: sie müssen runter auf die Welt. Was nicht so einfach ist, denn man muss sich erst um eine Lizenz bewerben. Und damit beginnt der ganz reale Irrsinn. Beppi und Charlie sind wieder da, die beiden Clownfiguren, geboren irgendwo zwischen Beckett, Valentin und Achternbusch. Maria Peschek und TamSChefin Anette Spola haben sie sich ausgedacht, schon 2003, und nun tapern, schleichen, stapfen sie durch ihr fünftes Abenteuer. „Vorsicht Sturzgefahr!“ist eigentlich ein überflüssiger Titel, denn Sturzgefahr herrscht im TamS immer für den Zuschauer, sollte er mit landesüblichen Theatererwartungen in das alte Brausebad in der Haimhauser Straße gehen. Das Gemäuer steht noch, obwohl sie ihnen kürzlich eine nicht unwichtige Mauer weggerissen haben. Aber sie sind zaach hier, waren sie schon immer. Und sind es immer noch, zumal wenn es um Grundfragen ihrer Ästhetik geht. Das Schräge, Halbgare, Hinterkünftige, das Ausprobieren – Erfolg oder Scheitern inklusive – gehört hier seit fast fünf Jahrzehnten zum Prinzip. So wundert es nicht, wenn Autorin Peschek offenbart, ihre Figuren nicht wirklich zu kennen – sie „machen sich in mir breit und fordern von mir Texte. Damit drängen sie dann auf die Bühne.“Dieses Mal tun das Beppi und Charlie als ältliche Disco-Girls mit Vokuhila-Perücken, Kometenhandtascherl und silbrigen Sneakern. So treiben sie sich irgendwo im Space herum: das ist eine pinke Bühne mit weißen Schrägen und einem gelben Sechseck, das sich wie eine Raumschiffluke öffnen lässt. Claudia Karpfinger, Katharina Schmidt und Lorenz Seib haben wieder mal gezaubert: mehr Enterprise war nie auf der beiden herab (nur um dann ins Publikum entsorgt zu werden), Antisemitismus – den hat Beppi im Kreuz, bis ihn Charlie ihr herauspult, das Lamento einer Theaterleiterin – z.B. wer das Bühnenbild später abbaut, Erinnerungen, etwa an den Geburtsort oder einen mexikanischen Lebensabschnittspartner: all das fliegt an uns vorbei, wie die Bälle, die die beiden gelegentlich bombardieren. Man kriegt sich in die Wolle, über Banales wie das richtige Butterbrotschmieren oder Essentielles wie den Schluss des Stückes. Zehn Schlüsse hätte sie geschrieben, mosert die Peschek, und ausgerechnet den nehmen sie jetzt: den mit dem Spengstoffpaket unter der Jacke, und der Schnur, die da raushängt und an der man ziehen kann. Anette Spola und Maria Peschek sind zauberhafte Spielerinnen in diesem edlen Blödsinn, eigenwillig, unaufgeregt (und manchmal fast fad), dabei gern mal privat, und also herzerfrischend weit weg von stringenter Rollenpsychologie. Ihre Praktikanten – oder sind es doch Spione? – sind zwar, bis auf etwas Kauderwelsch, textloses Beiwerk, aber nicht weniger sehenswert: Burchard Dabinnus und Helmut Dauner. Auch hier wieder Enterprise: mit Spock-haften Pilzköpfen irrlichtern sie durch die Szenerie, mit blinkenden Neonbrillen, aufgeplustert im Muscle- oder Fat-Suit, sind sie saukomische Staffage oder nehmen auch mal das Heft in die Hand: dann steuern sie Beppi und Charlie per Fernbedienung. Viel Beifall (noch bis 3. März).