Training in Gelassenheit
Irgendjemand muss doch gegen die Hysterie anwitzeln
Es sind aufgeregte Zeiten. Keine Frage. Alle Welt ist sauer. Nur einer versucht standhaft, sich der Miesepetrigkeit und Trumpelhaftigkeit entgegenzustellen: Tilman Birr bemüht sich um etwas sehr Ehrenwertes. Er kämpft um Gelassenheit. Er will einfach nicht glauben, dass das allgemeine Motto dieser Tage „Das finde ich nicht lustig“sein soll. Stattdessen schlägt er diese Alternative vor: „Aus der Mitte entspringt ein Stuss.“Weiterbildungsbedarf ist offenbar vorhanden. Regalwände mit der trügerischen Aufschrift „Humor“füllen die Buchgeschäfte und Stadtbibliotheken. Für „Verbitterung“und wie man ratgeberunterstützt dagegen ankämpft, gibt es keine. Birr wirft damit fundamentale Fragen auf. Warum nur gibt es in diesem sauertöpfischen Land eine eigene Jahreszeit, die für das Lachen reserviert ist und während der man sich gefälligst eine entsprechende Mütze aufsetzt? Müsste es dann nicht ebensolche Schutzreviere für die Zeit der Gartenarbeit, der lästigen Banktermine oder des Geschlechtsverkehrs geben? Birr bohrt nach: „Kann ich mir dem Schlechten in der Welt bewusst sein, ohne dabei eine Laune zu haben wie Klaus Kinski?“. Gute Frage. (Lachund Schießgesellschaft, 28.2.)
Natürlich gibt es viel Wichtigeres im Leben, als immer nur alles richtig zu machen. Davon ist Lars Reichow fest überzeugt. Und im neuen „Lust“Programm erfährt man, wie man die ungeahnten Freiheiten nützt. Immerhin kennt sich der gute Mann bestens aus; seit 25 Jahren steht er bereits auf der Bühne. Und trotz allem hat er weiterhin „Lust“auf Tournee, Lust auf Wahrheit, Lust auf Musik. Und Lust auf Menschen mit offenen und lachenden Augen. Ihm muss geholfen werden. (Lustspielhaus, 1.3.)
Allerorten ist derzeit ja viel davon zu hören, wie viel schwerer es Frauen haben, in #MeToo-Zeiten ihre Würde zu bewahren. Doch selbst die einfachsten Alltagsprobleme haben es in sich. Nicole Jäger beschreibt sie im neuen Solo „Nicht direkt perfekt“noch einmal – all die Katastrophen, mit denen sich vor allem die weibliche Schöpfung konfrontiert sieht. Sieben-Achtel-Hosen etwa. Das Spiegelbild. Die ständige Sorge um Beziehungen und das Bauch-Einziehen beim Sex. (Schlachthof, 28.2.)
Gut passt dazu natürlich auch der Auftritt von Chris & Tina, die derzeit mit ihrem aktuellen Kabarettprogramm „Zum Fressen gern!“um die Häuser ziehen. Christina Baumer hatte derzeit viel um die Ohren, nicht nur um den Bauch. Zuletzt war sie im München-„Tatort“zu sehen. Außerdem hat sie für Sky die Serie „Der Pass“abgedreht. Doch auch ihr Leben hat eben noch viel irrere Seiten. (Schlachthof Ox, 8.3.)
Als „menschliches Partyhütchen“lässt sich Patrick Salmen bezeichnen. Und damit verspricht er nicht zu viel. Lebensbejahung pur – das ist sein Motto. Sein neues Programm „Treffen sich zwei Träume. Beide platzen“bringt skurrile Geschichten, absurde Kurzdramen zur Beobachtung des modernen Stadtmenschen auf der Suche nach dem Gleichgewicht zwischen Selbstverwirklichung und Familiengründung sowie erlesene Ratgeberparodien zusammen. Humor ist, wenn man trotzdem stirbt, weiß Salmen zwar. Allzu düster möchte er den Abend allerdings doch nicht halten. Und so wählt er auch Naheliegendes: den Irrsinn orientierungsloser Jungväter, die Sucht von Avocado-Junkies im Superfood-Wahn sowie ganz allgemein den Kontrast von schäbiger Tristesse und Instagram-Ästhetik. Ein Abend – irgendwo zwischen Romantik und Menschenhass. (Lustspielhaus, 7.3.)
Alles wird gut. So viel – und noch viel mehr – kann man natürlich auch aus dem Programm von Bele Turba und Nadia Tamborrini mitnehmen. Die Vollbluttheaterfrauen auf vier Tanzfüßen haben sich für einen Kabarettausflug ohne Schubladenfach zusammengefunden. „Prima“versteht sich als Collage und als Überraschungsprogramm, in dem gesprochen, gesungen und getanzt wird. Und zwar sowohl sinnig als auch unsinnig. (Fraunhofer, 2.3.)
Zwei Frauen, die das Zeug dazu haben, einen ganzen Saal mitzureißen, sind die Queenz of Piano, die bereits mit dem Thüringer Kleinkunstpreis für ihr „musikalakrobatisch-kabarettistisches Gesamtkunstwerk“ausgezeichnet wurden. Große Worte für großen Spaß, der beweisen soll, dass ein Klavierkonzert eben doch Spaß machen kann und dafür, dass zwischen Barock, Pop, Rock und Filmmusik ein sehr weites Feld
liegt. Auch technisch bieten die Queenz sehenswerte Virtuosität: Wenn sie wild werden, schlagen sie Gitarrenriffs mit dem Plektron direkt auf den Klaviersaiten. „Verspielt“eben, genauso wie ihr Programm heißt. (Freiheiz, 25.2.)
Fein hintergründiges Musikkabarett bietet auch Peter Fischer an, der kurzerhand die „Zweitastengesellschaft“(so der Name seines aktuellen Solos) ausgerufen hat. Er will der Frage auf den Grund gehen, was Annegret, Jesus und E-Autos mit dem Jazz zu tun haben. Und ob GDur in nervösen Zeiten eigentlich schon als rassistische Tonart gelten muss. Der Klavier-Könner weiß eben: Zwischen den weißen und den schwarzen Tasten verbergen sich die Zwischentöne. Und auf die kommt es mehr denn je an. (Heppel & Ettlich, 22.2.)
„God Save the Spleen“lautet der Schlachtruf der Textpistols, die für sich reklamieren, dass es neben den Heiligen Drei Königen und den drei Tenören eben doch noch Platz für ein weiteres weltberühmtes Trio geben muss. Sie posaunen ihr Programm in Liedform, zum Vorlesen oder Laut-Schreien heraus. Oder zum Verfeuern. Im Angebot haben sie sowohl die zwerchfellzerfetzende Schnurre als auch die cholerische Tirade. (Lach- und Schießgesellschaft, 22./23.2.)
Mit musikalischer Verve stellen sich auch Lehrer haben Freizeit den Klischees, die ihr Berufsstand mit sich bringt. „Vormittags haben sie Recht und nachmittags frei“, lautet der wohl bekannteste fiese Gemeinplatz über den harten Lebensalltag der Pädagogen. Doch dann wäre ja noch zu klären, was Lehrer abends so machen? „Kreidezeit“, das neue Programm, liefert Antworten. (Gasteig Black Box, 25.2.)
Sulaiman Masoni tritt zunächst etwas defensiv auf. „Keine Angst, ich kann Deutsch“schleudert er seinem Publikum als Abend-Motto entgegen. Er ist Schriftsteller, Poetry Slammer, Rapper, Comedian, Kabarettist, Wortakrobat – und Afghane. Dabei gleicht er, so Masoni, Schrödingers Katze: „Alles und Nichts zugleich“. Seine Geschichten erzählen vom Leben als Migrant in Deutschland. Lustig ist das nicht immer. (Vereinsheim, 2.3.)
Bleibt zum Schluss vielleicht ein dringend angeratener Besuch im Gentleman’s Club, bei dem natürlich auch „Ladies welcome“sind. Markus Laymann, Richard Herfeld und Sascha Kommer verbinden charmanten Crooner-Spaß mit Boogie-Woogie-Eskapaden und stilvoller Zauberkunst. Einfach magisch! (Hofspielhaus, 3.3.)