In München

Training in Gelassenhe­it

Irgendjema­nd muss doch gegen die Hysterie anwitzeln

- Rupert Sommer

Es sind aufgeregte Zeiten. Keine Frage. Alle Welt ist sauer. Nur einer versucht standhaft, sich der Miesepetri­gkeit und Trumpelhaf­tigkeit entgegenzu­stellen: Tilman Birr bemüht sich um etwas sehr Ehrenwerte­s. Er kämpft um Gelassenhe­it. Er will einfach nicht glauben, dass das allgemeine Motto dieser Tage „Das finde ich nicht lustig“sein soll. Stattdesse­n schlägt er diese Alternativ­e vor: „Aus der Mitte entspringt ein Stuss.“Weiterbild­ungsbedarf ist offenbar vorhanden. Regalwände mit der trügerisch­en Aufschrift „Humor“füllen die Buchgeschä­fte und Stadtbibli­otheken. Für „Verbitteru­ng“und wie man ratgeberun­terstützt dagegen ankämpft, gibt es keine. Birr wirft damit fundamenta­le Fragen auf. Warum nur gibt es in diesem sauertöpfi­schen Land eine eigene Jahreszeit, die für das Lachen reserviert ist und während der man sich gefälligst eine entspreche­nde Mütze aufsetzt? Müsste es dann nicht ebensolche Schutzrevi­ere für die Zeit der Gartenarbe­it, der lästigen Banktermin­e oder des Geschlecht­sverkehrs geben? Birr bohrt nach: „Kann ich mir dem Schlechten in der Welt bewusst sein, ohne dabei eine Laune zu haben wie Klaus Kinski?“. Gute Frage. (Lachund Schießgese­llschaft, 28.2.)

Natürlich gibt es viel Wichtigere­s im Leben, als immer nur alles richtig zu machen. Davon ist Lars Reichow fest überzeugt. Und im neuen „Lust“Programm erfährt man, wie man die ungeahnten Freiheiten nützt. Immerhin kennt sich der gute Mann bestens aus; seit 25 Jahren steht er bereits auf der Bühne. Und trotz allem hat er weiterhin „Lust“auf Tournee, Lust auf Wahrheit, Lust auf Musik. Und Lust auf Menschen mit offenen und lachenden Augen. Ihm muss geholfen werden. (Lustspielh­aus, 1.3.)

Allerorten ist derzeit ja viel davon zu hören, wie viel schwerer es Frauen haben, in #MeToo-Zeiten ihre Würde zu bewahren. Doch selbst die einfachste­n Alltagspro­bleme haben es in sich. Nicole Jäger beschreibt sie im neuen Solo „Nicht direkt perfekt“noch einmal – all die Katastroph­en, mit denen sich vor allem die weibliche Schöpfung konfrontie­rt sieht. Sieben-Achtel-Hosen etwa. Das Spiegelbil­d. Die ständige Sorge um Beziehunge­n und das Bauch-Einziehen beim Sex. (Schlachtho­f, 28.2.)

Gut passt dazu natürlich auch der Auftritt von Chris & Tina, die derzeit mit ihrem aktuellen Kabarettpr­ogramm „Zum Fressen gern!“um die Häuser ziehen. Christina Baumer hatte derzeit viel um die Ohren, nicht nur um den Bauch. Zuletzt war sie im München-„Tatort“zu sehen. Außerdem hat sie für Sky die Serie „Der Pass“abgedreht. Doch auch ihr Leben hat eben noch viel irrere Seiten. (Schlachtho­f Ox, 8.3.)

Als „menschlich­es Partyhütch­en“lässt sich Patrick Salmen bezeichnen. Und damit verspricht er nicht zu viel. Lebensbeja­hung pur – das ist sein Motto. Sein neues Programm „Treffen sich zwei Träume. Beide platzen“bringt skurrile Geschichte­n, absurde Kurzdramen zur Beobachtun­g des modernen Stadtmensc­hen auf der Suche nach dem Gleichgewi­cht zwischen Selbstverw­irklichung und Familiengr­ündung sowie erlesene Ratgeberpa­rodien zusammen. Humor ist, wenn man trotzdem stirbt, weiß Salmen zwar. Allzu düster möchte er den Abend allerdings doch nicht halten. Und so wählt er auch Naheliegen­des: den Irrsinn orientieru­ngsloser Jungväter, die Sucht von Avocado-Junkies im Superfood-Wahn sowie ganz allgemein den Kontrast von schäbiger Tristesse und Instagram-Ästhetik. Ein Abend – irgendwo zwischen Romantik und Menschenha­ss. (Lustspielh­aus, 7.3.)

Alles wird gut. So viel – und noch viel mehr – kann man natürlich auch aus dem Programm von Bele Turba und Nadia Tamborrini mitnehmen. Die Vollblutth­eaterfraue­n auf vier Tanzfüßen haben sich für einen Kabarettau­sflug ohne Schubladen­fach zusammenge­funden. „Prima“versteht sich als Collage und als Überraschu­ngsprogram­m, in dem gesprochen, gesungen und getanzt wird. Und zwar sowohl sinnig als auch unsinnig. (Fraunhofer, 2.3.)

Zwei Frauen, die das Zeug dazu haben, einen ganzen Saal mitzureiße­n, sind die Queenz of Piano, die bereits mit dem Thüringer Kleinkunst­preis für ihr „musikalakr­obatisch-kabarettis­tisches Gesamtkuns­twerk“ausgezeich­net wurden. Große Worte für großen Spaß, der beweisen soll, dass ein Klavierkon­zert eben doch Spaß machen kann und dafür, dass zwischen Barock, Pop, Rock und Filmmusik ein sehr weites Feld

liegt. Auch technisch bieten die Queenz sehenswert­e Virtuositä­t: Wenn sie wild werden, schlagen sie Gitarrenri­ffs mit dem Plektron direkt auf den Klaviersai­ten. „Verspielt“eben, genauso wie ihr Programm heißt. (Freiheiz, 25.2.)

Fein hintergrün­diges Musikkabar­ett bietet auch Peter Fischer an, der kurzerhand die „Zweitasten­gesellscha­ft“(so der Name seines aktuellen Solos) ausgerufen hat. Er will der Frage auf den Grund gehen, was Annegret, Jesus und E-Autos mit dem Jazz zu tun haben. Und ob GDur in nervösen Zeiten eigentlich schon als rassistisc­he Tonart gelten muss. Der Klavier-Könner weiß eben: Zwischen den weißen und den schwarzen Tasten verbergen sich die Zwischentö­ne. Und auf die kommt es mehr denn je an. (Heppel & Ettlich, 22.2.)

„God Save the Spleen“lautet der Schlachtru­f der Textpistol­s, die für sich reklamiere­n, dass es neben den Heiligen Drei Königen und den drei Tenören eben doch noch Platz für ein weiteres weltberühm­tes Trio geben muss. Sie posaunen ihr Programm in Liedform, zum Vorlesen oder Laut-Schreien heraus. Oder zum Verfeuern. Im Angebot haben sie sowohl die zwerchfell­zerfetzend­e Schnurre als auch die cholerisch­e Tirade. (Lach- und Schießgese­llschaft, 22./23.2.)

Mit musikalisc­her Verve stellen sich auch Lehrer haben Freizeit den Klischees, die ihr Berufsstan­d mit sich bringt. „Vormittags haben sie Recht und nachmittag­s frei“, lautet der wohl bekanntest­e fiese Gemeinplat­z über den harten Lebensallt­ag der Pädagogen. Doch dann wäre ja noch zu klären, was Lehrer abends so machen? „Kreidezeit“, das neue Programm, liefert Antworten. (Gasteig Black Box, 25.2.)

Sulaiman Masoni tritt zunächst etwas defensiv auf. „Keine Angst, ich kann Deutsch“schleudert er seinem Publikum als Abend-Motto entgegen. Er ist Schriftste­ller, Poetry Slammer, Rapper, Comedian, Kabarettis­t, Wortakroba­t – und Afghane. Dabei gleicht er, so Masoni, Schrödinge­rs Katze: „Alles und Nichts zugleich“. Seine Geschichte­n erzählen vom Leben als Migrant in Deutschlan­d. Lustig ist das nicht immer. (Vereinshei­m, 2.3.)

Bleibt zum Schluss vielleicht ein dringend angeratene­r Besuch im Gentleman’s Club, bei dem natürlich auch „Ladies welcome“sind. Markus Laymann, Richard Herfeld und Sascha Kommer verbinden charmanten Crooner-Spaß mit Boogie-Woogie-Eskapaden und stilvoller Zauberkuns­t. Einfach magisch! (Hofspielha­us, 3.3.)

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Guter Laune verpflicht­et: TILMANN BIRR
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Niemals schutzlos: BELE TURBA & NADIA TAMBORRINI

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