LITERATUR
Von der Kraft der Selbstbehauptung: auf der Flucht, im sinnlosen Krieg, beim Spiel mit Worten
Zähne zusammenbeißen und durch
Es ist eine Geschichte wie ein Märchen. Und zum Glück ist sie wahr. Mojtaba, Masoud und Milad wachsen in den 80er Jahren als Kinder regimekritischer Eltern im Iran auf. Als eine Flugblattaktion ihrer Mutter auffliegt, müssen sie untertauchen und verbringen mehrere Monate abgeschirmt von der Außenwelt. Dann wagen sie die Flucht und kommen 1996 mit nichts als einem Koffer nach Deutschland. Doch die Brüder Sadinam beißen sich durch. Von Flüchtlingen werden sie zu Einser-Studenten, von Asylsuchenden zu Vorzeigemigranten. In „Unerwünscht“zeichnen sie ihren steinigen Weg nach. Ihre Integration gelang ihnen gegen alle Widerstände. Ihr Buch erzählt von der Suche nach Heimat und Freiheit sowie dem Wunsch, endlich dazu zu gehören. (Volkstheater, 22.2.)
Zoltán wächst in einem kleinen serbischen Dorf als extremer Außenseiter auf. Unfälle und Misshandlungen haben ihm schwer zugesetzt, er gilt als „wunderlich“. Am liebsten versteckt er sich in einer Scheune und löst seine Kreuzworträtsel. Doch als 1991 auf dem Balkan der Bürgerkrieg ausbricht, soll er in der Volksarmee zum „Helden“werden. Doch Zoltán will sich nicht anpassen, wie Melinda Nadj Abonji in ihrem Roman „Schildkrötensoldat“erzählt. Er spielt das Spiel nicht mit, in dem der Sieg angeblich immer dem Stärkeren zusteht. (Seidl Villa, 22.2.)
Nicht mehr in die grausame Welt um ihn herum passt auch der Protagonist aus Arno Geigers Liebesroman „Drachenwand“. Der titelgebende Felsen am Mondsee ist der Ort, an den sich ein junger Soldat, der in Russland verwundet wurde, zurückgezogen hat. Er trifft auf zwei Frauen, die sich beide um ihn bemühen. Irgendwann muss doch der verdammte Krieg zu Ende gehen. Nur wann? Wir schreiben das Jahr 1944. (Literaturhaus, 22.2.)
Einer der Großen ist natürlich auch Hans Pleschinski, der mit „Wiesenstein“einen neuen historischen Roman geschrieben hat, in dessen Zentrum diesmal der steinalte Großschriftsteller und Nobelpreisträger Gerhart Hauptmann steht. Hier ist es bereits März 1945, Dresden ist zerstört. Und doch zieht es Hauptmann mit seiner Frau zurück nach Schlesien. Dort liegt ihre Villa, die dem Text den Namen gibt. Inmitten der Barbarei wollen sie ihr einstiges Luxusleben weiterführen – mit vielen Bediensteten. Es ist die Erzählung eines verblendeten Menschen. Niemand Geringeres als Mario Adorf liest. (Kammerspiele, 1.3.)
Auf Expeditionen zieht der zweijährige Karl. Jochen Schmidts „Zuckersand“erzählt von einem Vater, der seinem Sohn sein Kindheitsglück erhalten möchte. Nicht unbedingt einfach gestaltet sich das, als Mutter Karla ständig aus dem Büro per SMS Erziehungsanweisungen schickt. (Ruffini, 5.3.)
Bleibt zum Abschluss die geballte Packung spannender neuer Literatur: Bereits zum 18. Mal gastiert das dreitägige internationale Festival Wortspiele im Muffatwerk. Insgesamt 30 junge Autoren aus Deutschland, Österreich, der Schweiz, Russland und dem Iran werden ihre neuen Werke vorstellen – darunter Madeleine Prahs, Jens Steiner, Barbara Aschenwald, Matthias Senkel, Jovana Reisinger und Karosh Taha. Besonders gespannt darf man auf „Auster und Klinge“von Lilian Loke sein. Sie erzählt darin eine Doppelgeschichte von einem Ex-Knacki, der wieder in Freiheit sein eigenes Restaurant eröffnen möchte, und vom Erbe eines SchlachthofKonzerns, der mit seiner Familie bricht und stattdessen die Welt mit eigenwilligen Kunstaktionen aufrütteln will. (Muffatwerk, 7. bis 9.3.)