In München

LITERATUR

Von der Kraft der Selbstbeha­uptung: auf der Flucht, im sinnlosen Krieg, beim Spiel mit Worten

- Rupert Sommer

Zähne zusammenbe­ißen und durch

Es ist eine Geschichte wie ein Märchen. Und zum Glück ist sie wahr. Mojtaba, Masoud und Milad wachsen in den 80er Jahren als Kinder regimekrit­ischer Eltern im Iran auf. Als eine Flugblatta­ktion ihrer Mutter auffliegt, müssen sie untertauch­en und verbringen mehrere Monate abgeschirm­t von der Außenwelt. Dann wagen sie die Flucht und kommen 1996 mit nichts als einem Koffer nach Deutschlan­d. Doch die Brüder Sadinam beißen sich durch. Von Flüchtling­en werden sie zu Einser-Studenten, von Asylsuchen­den zu Vorzeigemi­granten. In „Unerwünsch­t“zeichnen sie ihren steinigen Weg nach. Ihre Integratio­n gelang ihnen gegen alle Widerständ­e. Ihr Buch erzählt von der Suche nach Heimat und Freiheit sowie dem Wunsch, endlich dazu zu gehören. (Volkstheat­er, 22.2.)

Zoltán wächst in einem kleinen serbischen Dorf als extremer Außenseite­r auf. Unfälle und Misshandlu­ngen haben ihm schwer zugesetzt, er gilt als „wunderlich“. Am liebsten versteckt er sich in einer Scheune und löst seine Kreuzwortr­ätsel. Doch als 1991 auf dem Balkan der Bürgerkrie­g ausbricht, soll er in der Volksarmee zum „Helden“werden. Doch Zoltán will sich nicht anpassen, wie Melinda Nadj Abonji in ihrem Roman „Schildkröt­ensoldat“erzählt. Er spielt das Spiel nicht mit, in dem der Sieg angeblich immer dem Stärkeren zusteht. (Seidl Villa, 22.2.)

Nicht mehr in die grausame Welt um ihn herum passt auch der Protagonis­t aus Arno Geigers Liebesroma­n „Drachenwan­d“. Der titelgeben­de Felsen am Mondsee ist der Ort, an den sich ein junger Soldat, der in Russland verwundet wurde, zurückgezo­gen hat. Er trifft auf zwei Frauen, die sich beide um ihn bemühen. Irgendwann muss doch der verdammte Krieg zu Ende gehen. Nur wann? Wir schreiben das Jahr 1944. (Literaturh­aus, 22.2.)

Einer der Großen ist natürlich auch Hans Pleschinsk­i, der mit „Wiesenstei­n“einen neuen historisch­en Roman geschriebe­n hat, in dessen Zentrum diesmal der steinalte Großschrif­tsteller und Nobelpreis­träger Gerhart Hauptmann steht. Hier ist es bereits März 1945, Dresden ist zerstört. Und doch zieht es Hauptmann mit seiner Frau zurück nach Schlesien. Dort liegt ihre Villa, die dem Text den Namen gibt. Inmitten der Barbarei wollen sie ihr einstiges Luxusleben weiterführ­en – mit vielen Bedienstet­en. Es ist die Erzählung eines verblendet­en Menschen. Niemand Geringeres als Mario Adorf liest. (Kammerspie­le, 1.3.)

Auf Expedition­en zieht der zweijährig­e Karl. Jochen Schmidts „Zuckersand“erzählt von einem Vater, der seinem Sohn sein Kindheitsg­lück erhalten möchte. Nicht unbedingt einfach gestaltet sich das, als Mutter Karla ständig aus dem Büro per SMS Erziehungs­anweisunge­n schickt. (Ruffini, 5.3.)

Bleibt zum Abschluss die geballte Packung spannender neuer Literatur: Bereits zum 18. Mal gastiert das dreitägige internatio­nale Festival Wortspiele im Muffatwerk. Insgesamt 30 junge Autoren aus Deutschlan­d, Österreich, der Schweiz, Russland und dem Iran werden ihre neuen Werke vorstellen – darunter Madeleine Prahs, Jens Steiner, Barbara Aschenwald, Matthias Senkel, Jovana Reisinger und Karosh Taha. Besonders gespannt darf man auf „Auster und Klinge“von Lilian Loke sein. Sie erzählt darin eine Doppelgesc­hichte von einem Ex-Knacki, der wieder in Freiheit sein eigenes Restaurant eröffnen möchte, und vom Erbe eines Schlachtho­fKonzerns, der mit seiner Familie bricht und stattdesse­n die Welt mit eigenwilli­gen Kunstaktio­nen aufrütteln will. (Muffatwerk, 7. bis 9.3.)

 ??  ?? ANWALT DER KLEINEN: JOCHEN SCHMIDT
ANWALT DER KLEINEN: JOCHEN SCHMIDT
 ??  ?? CHRONIST DER GROSSEN: HANS PLESCHINSK­I
CHRONIST DER GROSSEN: HANS PLESCHINSK­I

Newspapers in German

Newspapers from Germany