Timo Blunck
Auf du und du mit dem Unterleib: Schwanzsteuerung ist ein Vorwurf, der Männer hart treffen sollte – vor allem in der #MeToo-Debatte. Bei Timo Blunck hat sie einen Namen: Knirpsi. Ehernsache, die Unschuldsvermutung sollte auch für den Mann gelten, den sie T-Bone Schröder nennen. Hinter dem verbirgt sich in der Autobiografie des langjährigen Bassisten von Palais Schaumburg mehr oder weniger perfide getarnt Timo Blunck. Knirpsi, das geile, derbe, vorwärtstreibende, offenbar auch durchaus vorzeigbare Geschlechtsteil des Musikers, meldet sich immer wieder zur Wort, bringt seinen Träger in Schwierigkeiten, zieht ihn von einem Lotterbett ins nächste. Seinen „bösen Zwilling“nennt Schröder den furchtlosen Knirpsi in seiner Lebensbeichte. Bewunderung schwingt da mit. Beide haben sich auf dem Sofa einer Hamburger Therapeutin eingefunden. Nach einer Party-Nacht, die in der Notaufnahme endete, blieb Schröder fast keine andere Wahl. Also findet er sich bei der kettenrauchenden Psychologin wieder. Und was dort erzählt wird, folgt der bei Musiker-Biografien oft so erschreckenden Devise „Wenn auch nur die Hälfte stimmt, war’s wirklich extrem heftig“. Doch man lässt sich gern mitreißen vom rauschhaften Orgien-Sog. Das liegt daran, dass Schröder/Blunck ein genialer Geschichtenerzähler ist. Und auch daran, dass er nicht nur von ekstatischen Konzerten, von Kneipenschlägereien, wüsten Sex-Partys, dem nicht jugendfreien Faschingstreiben in New Orleans, Trennungsgefechten und einer BandReunion erzählt, sondern auch stets von der geheimnisvoll schönen Sophia – der einen Frau, der Schröder verfallen ist. Dickes Extraplus: Blunck hat seinem Roman eine Spotify-Playlist beigefügt – mit Songs von Bryan Ferry über immer wieder Steely Dan bis zu den Buzzcocks und den Happy Mondays. Die sollte man beim Lesen natürlich auf Anschlag drehen.