THEATER Weltweisheiten mit Blaustich
Wie ticken Terroristen? Warum sollte man Homevideos und Handys meiden? Und wann fallen die Hosen?
In die Seele des Terrors blicken: Das ist der Anspruch des 1978 im Iran geborenen Schriftstellers und Regisseurs Amir Reza Koohestani, der zum zweiten Mal an die Kammerspiele kommt. Nach „Der Fall Mersault“, basierend auf dem Aufregertext „Der Fremde“von Albert Camus und seiner Spiegelung im Roman von Kamel Daoud, hat er sich nun mit Die Attentäterin wieder starken Tobak in die Pfeife gestopft. Der Autorin Yamina Khadra gelang zuletzt eine literarische Sensation: Sie versuchte das Innenleben von Selbstmordattentäterinnen zu ergründen. Dabei wagte sie sich auch an eine Antwort auf die Frage, warum überdurchschnittlich viele Frauen die mörderische Selbsttötung wählen. (Kammerspiele, ab 9.3.)
Um die gewaltsame Unterdrückung geht es auch in der selten gespielten „venezianischen Vesper“von Giuseppe Verdi, eines der experimentierfreudigsten Stücke aus der Feder des Meisters – aktuell als Les Vêpres sicilliennes in der französischen Fassung dargeboten. Die Unterdrückung manifestiert sich darin auf mehrfacher Ebene. Historisch gesehen sind es die französischen Besatzer, die die sizilianische Bevölkerung unter der Knute halten. Und dann sind es aber auch die Frauen, die in dieser Macho-Welt lediglich dazu dienen, Machtwillen zu erdulden. (Nationaltheater, ab 11.3.)
Einen antiken Mythos in die Jetztzeit holt die „transkulturelle Oper“Orfeo, in der Eurydike einem religiösen Wahn verfällt und sich in die Bürgerkriegshölle von Syrien flüchtet. Ihr Geliebter findet sie nach langer Suche endlich in den zerstörten Städten wieder. Doch die Unterweltsherren haben an die sichere Rückführung eine gemeine Bedingung geknüpft: Auf den Weg zurück durch den Bombenhagel darf es keinerlei Blickkontakt zwischen den Liebenden geben. (Hofspielhaus, ab 14.3.)
Ganz im Privaten implodiert es zunächst für den jungen Jakob. Der 15jährige leidet unter der Trennung von seinen Eltern und verbringt viel zu viel Zeit vor dem Computer – auch auf Schmuddelseiten. Und er hält mit seiner eigenen Digitalkamera Momente für die Ewigkeit fest, die nun wirklich nicht für die Augen der Welt bestimmt sind. Als ein Homevideo in die falschen Hände gerät, schlägt die Außenwelt erbarmungslos zurück. Jakob wird mit seinem Intimfilm erpresst, ein Mitschüler stellt ihn ins Netz. Nach dem vielbeachteten ARD-Film ist der Stoff nun auch auf der Theaterbühne gelandet – zur Warnung an junge Leute und ihre oft leider doch zu Recht besorgten Eltern. (Marstall, 17./19. und 20.3.)
Dem Irrsinn der digitalisierten Welt zumindest noch ein Lächeln abgewinnen möchte die Newer Hipper Company aus dem neuen Stück des jungen Volkstheater-Backstageklubs. Darin lernt man eine fiktive IT-Firma kennen, deren oberste Prinzipien demokratische, freie Arbeitsprozesse und gegenseitige Fürsorge bei gleichzeitig höchster Leistung und Effizienz sind. Kann das alles zusammengehen? Wohl kaum. (Volkstheater, ab 21.3.)
Junge Idealisten, die noch etwas wagten und für ihre rechtschaffenden Überzeugungen ihr Leben riskierten, waren bekanntlich Hans und Sophie Scholl, die es zusammen mit ihren mutigen Mitstreitern in Ehren zu halten gilt. Nun gibt es mit die Weiße Rose sogar eine Jugendoper über ihr Schicksal. Erzählt wird von den letzten Stunden der Scholls vor der Hinrichtung (Gärtnerplatztheater, ab 15.3.)
Vom Ausgrenzen und vom Anpassungsdruck in der Masse der Mitläufer erzählt natürlich auch weiterhin sehr eindrucksvoll das Friedrich-Dürrenmatt-Stück Der Besuch der alten Dame. Sollte man sich mal wieder zu Gemüte führen! (Pepper Theater, ab 22.3.)
Inklusion ist bekanntlich die Gegenbewegung, die niemanden zurücklassen und alle Mitbürger, auch solche mit Beeinträchtigungen, mitnehmen möchte. Bereits zum 9. Mal gastiert das Grenzgänger-Festival an diversen Spielstätten dieser Stadt. Eröffnet wird es mit einer eigenen Produktion. Die Münchnerinnen Valérie Marsac und Kassandra Wedel haben mit Fil – frz. Faden eine Premiere entwickelt, in der es um Kommunikation und Missverständnisse geht. Es spielen eine hörende und eine gehörlose Darstellerin. (TamS, 14./15.3.)
Beeindruckend dürfte auch das Gastspiel des Teatro di Ribalta aus Bozen werden. Personaggi lehnt sich frei an Luigi Pirandellos Klassiker „Sechs Personen suchen einen Autor“an. Es geht um Eindringlinge, die nur eines fordern: Sie wollen endlich als Menschen aus Fleisch und Blut wahrgenommen werden. (HochX, 19.3.)
In der Solo-Performance Heteronomous Male erkundet Michael Turinsky die Frage, was es bedeutet, ein Mann zu sein. Und zwar einer, der von den Eigengesetzlichkeiten eines behinderten Körpers, von Eros und Hilflosigkeit, von der Schutzbedürftigkeit eines Kindes und den Verlangen eines Erwachsenen geprägt ist. (HochX, 20.3.)
Mit der Chakrenlehre spielt die Gruppe Teatro Fringe aus dem italienischen Terni. 7 Tipi d’Amore arbeitet sich an vorgefertigten kulturellen Denkmustern und der Frage, was man gemeinhin für gut und böse hält ab. (HochX, 21.3.)
Starker Auftritt für den Filmbösewicht Nummer eins: Thomas Darchinger spielt in Seite eins, einer galligen, genial unterhaltsamen Mediensatrie, einen Mann, der zu viel Zeit mit seinem Handy verbringt. (Drehleier, ab 8.3.)
In einer entrückte Welt führt das „Musical Chinois“von Jacques Offenbach. In ein Miniaturkaiserreich in China nämlich, dessen Herrscher die Sprache des Volkes nicht versteht. Ba-Ta-Clan – Palast des Lächelns war ein Kassenschlager im Paris des Jahres 1855. Am Boulevard Voltaire wurde ein Theater nach dem Stück benannt – das Batacalan, Schauplatz des grausamen Islamisten-Anschlags im Jahr 2016 und seitdem auch ein Ort, an dem trotz allem das Leben triumphiert. (Deutsches Theater, ab 10.3.)
Lebensfreude pur – auch in ökonomisch erdrückenden Zeiten: Darum geht’s in der Ladies Night, der Bühnenfassung zum Brit-Pop-Kinoklassiker „The Full Monty – Ganz oder gar nicht“. Fünf nordenglische Arbeitslose kommen dabei auf die nicht gerade naheliegende Idee, sich ihr Überleben durch Auftritte als mehr oder weniger knackige Stripper zu verdienen. (Gasteig Carl-Orff-Saal, 15.3.)
Wenn schon verrückte Gaudi, warum dann nicht auch gleich noch ein Besuch beim neuen Gastspiel der Blue Man Group? Die Blaumänner haben wieder irre Klangkörper gebastelt, werfen mit Süßigkeiten und spucken Farbe. Nicht nur blaue Farbe. (Deutsches Theater, ab 21.3.)