KABARETT Weltuntergangsoptimisten
Wer wird gleich hysterisch werden, wenn die Zeiten ernst sind?
Ein echtes kleines Schmankerl im sonst gerne mal diabolisch ernsten Treiben des grassierenden Faust Festivals dürfte das Fastfood für Faust-Sondergastspiel der beliebten Improtheater-Truppe in der großen Buchhandlung werden. Dabei zitiert ein Vorleser aus dem Goethe-Original und fordert das Publikum auf, Lieblingspassagen frech nach vorne zu rufen. Oder ein Zwischenschreier fordert eine bestimmt Seitenzahl im Reclam-Heft, die dann sofort spontan-dadaistisch in die Mangel genommen wird. Schauspieler und Musiker springen dann leichtfüßig wie ein entkernter Pudel zwischen den Szenen und dem „Faust“herum. Goethe hätte das geliebt, davon ist man bei Fastfood überzeugt. (Hugendubel Fünf Höfe, 8./22.3.)
In eine ähnliche Kerbe schmettern Michael Quast und Philipp Mosetter ihr darstellerisches Können – beflügelt durch die Tatsache, dass natürlich auch sie ihren Goethe gelesen habe. „Faust I“wird bei ihnen als „kommentierte Darbietung“über die Bühnenbretter gejagt. Große Belustigung! (Lach- und Schießgesellschaft, 19.3.)
Auch Christof Spörk beschäftigt sich gern mal stellvertretend für alle Denkfaulen mit der großen Frage, was die Welt im Innersten zusammenhält und warum sie so leicht aus den Fugen gerät. „Leute, vergesst doch die paar Probleme, die wir gerade haben“, ruft er seiner Anhängerschaft entgegen. „Sonst kriegen die noch Kinder.“Im neuen Programm „Am Ende des Tages“zeigt der preisgekrönte österreichische Musikkabarettist ja immerhin Alternativen zum Schwarzsehen auf: „Mein Gott, man kann immer noch Fußball schauen, Rasenmähen oder Kinder machen.“Wenn nur alle so gelassen blieben. (Lach- und Schießgesellschaft, 11.3.)
Martin Großmann weiß jedenfalls, worauf er vertrauen muss: auf das „Krafttier Grottenolm“. Deswegen hat er auch sein neues, köstlich g’spinnertes Programm so benannt. Angesiedelt hat er die Spielhandlung auf dem Gemeinschaftshof „Elements Farm“, wo sich 32 Erwachsene und ihre sieben Kinder dem Konsumverzicht verpflichtet haben. Doch der ideologische Zusammenhalt ist bekanntlich noch lange nicht Grundlage genug für ein friedvolles Miteinander. Im Alltag treffen Fleischesser – wenn auch solche mit indianischer Achtung vor dem Tier -, Vegetarier, Veganer und Frutarier unbarmherzig aufeinander. (Fraunhofer, 17.3.)
Vom zermürbenden Kleinkrieg und vom allgemeinen Wettstrampeln weiß auch der BRRadiokomiker und Wiesnhit-Sänger („10 Meter geh“) Chris Boettcher zu berichten. Er ist fest davon überzeugt, dass es mit dem Übel schon im Mutterleib begann. Schon unter Spermien dreht sich doch alles nur darum, als Erster ins Ziel zu schwänzeln. Im vermeintlichen „echten“Leben geht’s dann gnadenlos wettbewerbsorientiert so weiter. Nur wer sich über Wasser hält, gewinnt. Das ist die vermeintliche Lehre des „Freischwimmer“-Abends. Doch dafür muss man sich immer schön an die Regeln des Bademeisters halten. Und darf ja nicht ins Becken pinkeln. (Das Schloss, 9.3.)
Immer wieder an seine Grenzen stößt auch Tom Gubik, der schüchterne Mann, der sich hinter einen auffällig unmodischen Brille und hinter seiner allgegenwärtigen Gitarre versteckt. Bei der unleserlichen Unterschrift auf dem Elektrogerät eines abgehetzten Paketzustellers, bei der Bezahlung einer Brezn mit einem Fünfziger und beim Servieren von Kaffee ohne Milch und Zucker gegenüber den eigentlich geschätzten eigenen Gästen: Immer wieder steht eine Frage im Raum – „Geht’s so oder basst’s?“Das Schöne am neuen Programm: Eigentlich sollten alle derartigen Fragen ausnahmslos mit „Ja“beantwortet werden können – bis auf die ganz wenigen „Neins“. (Iberl Bühne im Augustiner, 11.3.)
Mit der allgegenwärtigen Überforderung beschäftigt sich sehr liebevoll auch die Berliner Komikerin namens Cloozy. „Lieber nackt als gar keine Tatsachen“nimmt den modernen Menschen und seine sicher nicht keimfreien Deo-Roller unter die Lupe. Dabei werden auch ganz praktische Alltagsfragen abgehandelt. Etwa jene, warum Menschen sich aus Sicherheitsgründen immer öfter Pfeffersprays zulegen, wenn man doch mit einer Pfeffermühle viel besser zuschlagen könnten. Außerdem wundert sich Cloozy, warum der Pflegeroboter immer in der Küche das Licht brennen lässt
und warum ein YouTubeHit über Hunde auf dem Trampolin mehr Zuschauer erreicht als ein Kino-Spielfilm. (Schlachthof, 9.3.)
Manche Dinge muss man nüchtern betrachten. Etwa die staubtrockene Definition für den Flachwitz, den die beiden Vollblutmusiker von Schwarze Grütze gefunden haben: „Man lacht, obwohl es gar nicht lustig ist.“Ihr neues Programm ist sowohl großartig als auch anarchisch unterhaltsam. Und Losjapsen muss man selbstverständlich auch. (Lach- und Schießgesellschaft, 22.3.)
Eher auf der albernen Welle kommt dagegen Michael Eller angeschwommen. Will man es ihm verdenken? Immerhin ist der Stand-up-Komiker unter den Kreuzfahrtexperten schon auf über 40 Reisen der Aida-Flotte mitgeschippert und hat dort rund 150 Shows vor über 100.000 Passagieren bestritte. „Ahoi, die Kreuzfahrer kommen“ist sein Klabautermann-Erfahrungsbericht. Captain Comedy packt aus. (Schlachthof, 8.3.)
Helmut A. Binser hat mit fast 40 Jahren auch schon eine Menge erlebt. Obwohl er dabei stets realistisch geblieben ist. Eine Karriere als Profifußballer will er so langsam ausschließen aus seinem Lebensplan. Im neuen, mittlerweile vierten Bühnenprogramm „Ohne Freibier wär das nie passiert“gibt der urwüchsige Oberpfälzer mal wieder dem Gerstensaft die Schuld für vielerlei Verirrungen. (Vereinsheim, 20.3.)
Robert Alan war eben noch pubertärer Kleinstadt-Rapper und tragischer Singer-Songwriter, stiller Schlagzeuger in der Country-Band seiner Eltern und großmauliger Frontmann erfolgloser Indie-Bans. Plötzlich ist er doch schon etwas in die Jahre gekommen. Und das Bafög-Amt will das Geld zurück. Bleibt als Ausweg natürlich nur die Musikcomedy. Und als Grundnahrungsmittel „Studentenfutter“. (Vereinsheim, 15.3.)
Von der anderen Seite der Erfolgsleiter schaut schließlich Otto Schenk nach unten. Bevor es ihn auf die ganz großen Bühnen zog – unter anderem als Opern-Regisseur – hatte er als kleiner Junge angeblich immer schon mal den Traum, Dirigent zu werden. Den erfüllt er sich nun in seinem „Humor nach Noten“-Abend. Schenk rezitiert, parodiert und dirigiert darin. Und zwar auf ziemlich unachahmliche Art und Weise. (Prinzregententheater, 11.3.)