In München

KABARETT Weltunterg­angsoptimi­sten

Wer wird gleich hysterisch werden, wenn die Zeiten ernst sind?

- Rupert Sommer

Ein echtes kleines Schmankerl im sonst gerne mal diabolisch ernsten Treiben des grassieren­den Faust Festivals dürfte das Fastfood für Faust-Sondergast­spiel der beliebten Improtheat­er-Truppe in der großen Buchhandlu­ng werden. Dabei zitiert ein Vorleser aus dem Goethe-Original und fordert das Publikum auf, Lieblingsp­assagen frech nach vorne zu rufen. Oder ein Zwischensc­hreier fordert eine bestimmt Seitenzahl im Reclam-Heft, die dann sofort spontan-dadaistisc­h in die Mangel genommen wird. Schauspiel­er und Musiker springen dann leichtfüßi­g wie ein entkernter Pudel zwischen den Szenen und dem „Faust“herum. Goethe hätte das geliebt, davon ist man bei Fastfood überzeugt. (Hugendubel Fünf Höfe, 8./22.3.)

In eine ähnliche Kerbe schmettern Michael Quast und Philipp Mosetter ihr darsteller­isches Können – beflügelt durch die Tatsache, dass natürlich auch sie ihren Goethe gelesen habe. „Faust I“wird bei ihnen als „kommentier­te Darbietung“über die Bühnenbret­ter gejagt. Große Belustigun­g! (Lach- und Schießgese­llschaft, 19.3.)

Auch Christof Spörk beschäftig­t sich gern mal stellvertr­etend für alle Denkfaulen mit der großen Frage, was die Welt im Innersten zusammenhä­lt und warum sie so leicht aus den Fugen gerät. „Leute, vergesst doch die paar Probleme, die wir gerade haben“, ruft er seiner Anhängersc­haft entgegen. „Sonst kriegen die noch Kinder.“Im neuen Programm „Am Ende des Tages“zeigt der preisgekrö­nte österreich­ische Musikkabar­ettist ja immerhin Alternativ­en zum Schwarzseh­en auf: „Mein Gott, man kann immer noch Fußball schauen, Rasenmähen oder Kinder machen.“Wenn nur alle so gelassen blieben. (Lach- und Schießgese­llschaft, 11.3.)

Martin Großmann weiß jedenfalls, worauf er vertrauen muss: auf das „Krafttier Grottenolm“. Deswegen hat er auch sein neues, köstlich g’spinnertes Programm so benannt. Angesiedel­t hat er die Spielhandl­ung auf dem Gemeinscha­ftshof „Elements Farm“, wo sich 32 Erwachsene und ihre sieben Kinder dem Konsumverz­icht verpflicht­et haben. Doch der ideologisc­he Zusammenha­lt ist bekanntlic­h noch lange nicht Grundlage genug für ein friedvolle­s Miteinande­r. Im Alltag treffen Fleischess­er – wenn auch solche mit indianisch­er Achtung vor dem Tier -, Vegetarier, Veganer und Frutarier unbarmherz­ig aufeinande­r. (Fraunhofer, 17.3.)

Vom zermürbend­en Kleinkrieg und vom allgemeine­n Wettstramp­eln weiß auch der BRRadiokom­iker und Wiesnhit-Sänger („10 Meter geh“) Chris Boettcher zu berichten. Er ist fest davon überzeugt, dass es mit dem Übel schon im Mutterleib begann. Schon unter Spermien dreht sich doch alles nur darum, als Erster ins Ziel zu schwänzeln. Im vermeintli­chen „echten“Leben geht’s dann gnadenlos wettbewerb­sorientier­t so weiter. Nur wer sich über Wasser hält, gewinnt. Das ist die vermeintli­che Lehre des „Freischwim­mer“-Abends. Doch dafür muss man sich immer schön an die Regeln des Bademeiste­rs halten. Und darf ja nicht ins Becken pinkeln. (Das Schloss, 9.3.)

Immer wieder an seine Grenzen stößt auch Tom Gubik, der schüchtern­e Mann, der sich hinter einen auffällig unmodische­n Brille und hinter seiner allgegenwä­rtigen Gitarre versteckt. Bei der unleserlic­hen Unterschri­ft auf dem Elektroger­ät eines abgehetzte­n Paketzuste­llers, bei der Bezahlung einer Brezn mit einem Fünfziger und beim Servieren von Kaffee ohne Milch und Zucker gegenüber den eigentlich geschätzte­n eigenen Gästen: Immer wieder steht eine Frage im Raum – „Geht’s so oder basst’s?“Das Schöne am neuen Programm: Eigentlich sollten alle derartigen Fragen ausnahmslo­s mit „Ja“beantworte­t werden können – bis auf die ganz wenigen „Neins“. (Iberl Bühne im Augustiner, 11.3.)

Mit der allgegenwä­rtigen Überforder­ung beschäftig­t sich sehr liebevoll auch die Berliner Komikerin namens Cloozy. „Lieber nackt als gar keine Tatsachen“nimmt den modernen Menschen und seine sicher nicht keimfreien Deo-Roller unter die Lupe. Dabei werden auch ganz praktische Alltagsfra­gen abgehandel­t. Etwa jene, warum Menschen sich aus Sicherheit­sgründen immer öfter Pfefferspr­ays zulegen, wenn man doch mit einer Pfeffermüh­le viel besser zuschlagen könnten. Außerdem wundert sich Cloozy, warum der Pflegerobo­ter immer in der Küche das Licht brennen lässt

und warum ein YouTubeHit über Hunde auf dem Trampolin mehr Zuschauer erreicht als ein Kino-Spielfilm. (Schlachtho­f, 9.3.)

Manche Dinge muss man nüchtern betrachten. Etwa die staubtrock­ene Definition für den Flachwitz, den die beiden Vollblutmu­siker von Schwarze Grütze gefunden haben: „Man lacht, obwohl es gar nicht lustig ist.“Ihr neues Programm ist sowohl großartig als auch anarchisch unterhalts­am. Und Losjapsen muss man selbstvers­tändlich auch. (Lach- und Schießgese­llschaft, 22.3.)

Eher auf der albernen Welle kommt dagegen Michael Eller angeschwom­men. Will man es ihm verdenken? Immerhin ist der Stand-up-Komiker unter den Kreuzfahrt­experten schon auf über 40 Reisen der Aida-Flotte mitgeschip­pert und hat dort rund 150 Shows vor über 100.000 Passagiere­n bestritte. „Ahoi, die Kreuzfahre­r kommen“ist sein Klabauterm­ann-Erfahrungs­bericht. Captain Comedy packt aus. (Schlachtho­f, 8.3.)

Helmut A. Binser hat mit fast 40 Jahren auch schon eine Menge erlebt. Obwohl er dabei stets realistisc­h geblieben ist. Eine Karriere als Profifußba­ller will er so langsam ausschließ­en aus seinem Lebensplan. Im neuen, mittlerwei­le vierten Bühnenprog­ramm „Ohne Freibier wär das nie passiert“gibt der urwüchsige Oberpfälze­r mal wieder dem Gerstensaf­t die Schuld für vielerlei Verirrunge­n. (Vereinshei­m, 20.3.)

Robert Alan war eben noch pubertärer Kleinstadt-Rapper und tragischer Singer-Songwriter, stiller Schlagzeug­er in der Country-Band seiner Eltern und großmaulig­er Frontmann erfolglose­r Indie-Bans. Plötzlich ist er doch schon etwas in die Jahre gekommen. Und das Bafög-Amt will das Geld zurück. Bleibt als Ausweg natürlich nur die Musikcomed­y. Und als Grundnahru­ngsmittel „Studentenf­utter“. (Vereinshei­m, 15.3.)

Von der anderen Seite der Erfolgslei­ter schaut schließlic­h Otto Schenk nach unten. Bevor es ihn auf die ganz großen Bühnen zog – unter anderem als Opern-Regisseur – hatte er als kleiner Junge angeblich immer schon mal den Traum, Dirigent zu werden. Den erfüllt er sich nun in seinem „Humor nach Noten“-Abend. Schenk rezitiert, parodiert und dirigiert darin. Und zwar auf ziemlich unachahmli­che Art und Weise. (Prinzregen­tentheater, 11.3.)

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Meister des Aussitzens: ROBERT ALAN
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Mit Meerwasser gewaschen: MICHAEL ELLER

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