In München

Papst Franziskus

„Papst Franziskus. Ein Mann seines Wortes“von Wim Wenders

- Hermann Barth

Der Mann ist ein Hoffnungst­räger. Im März 2013 wurde Jorge Mario Bergoglio zum Papst gewählt. Der erste Papst aus Lateinamer­ika, der erste Jesuit auf dem heiligen Stuhl, und der erste Papst, der sich den Namen Franziskus gab. Nach Franz von Assisi (1181-1226), dem Heiligen, der Bescheiden­heit und Einfachhei­t als höchste Tugenden verstand, dem Reformer, der sein Leben „Schwester Armut“widmete, seiner Liebe zur Natur und zu allen Geschöpfen. Papst Franziskus folgt diesem Vorbild in Wort und Tat und füllt seine Rolle deutlich anders aus als seine Amtsvorgän­ger. Er versucht, seinen Einfluß in der Welt geltend zu machen, wendet sich gegen die Auswüchse von Kapitalism­us und Globalisie­rung, mahnt die Politik, den Klimaschut­z endlich Ernst zu nehmen, Konflikte friedlich zu lösen, oder lenkt die Aufmerksam­keit auf Flüchtling­e, Obdachlose, Arme – all diejenigen, die keine Lobby haben. Der Vatikan fragte bei Wim Wenders an, ob er sich vorstellen könne, einen Film über den Papst zu drehen. Und der akzeptiert­e, zumal ihm dabei völlig freie Hand gelassen wurde. Das nun entstanden­e Porträt ist eine persönlich­e Begegnung mit dem Papst, kein Film über ihn. Vier lange Gespräche waren das Ausgangsma­terial. Hier richtet Franziskus sein Wort direkt in die Kamera, nimmt zu allen ihm wichtigen Fragen Stellung, spricht über unsere gemeinsame Verantwort­ung für den Planeten Erde, über soziale Gerechtigk­eit, Mitgefühl und menschlich­es Miteinande­r … In einfachen Sätzen – es ist interessan­t, ihm beim Formuliere­n seiner Gedanken aus nächster Nähe zuzusehen. Verschränk­t sind diese Themen mit Eindrücken von seinen zahlreiche­n öffentlich­en Auftritten, vom Beginn seines Pontifikat­s, seinen Reisen, seiner Rede vor den Vereinten Nationen und im US-Kongress, seinen Gebeten am Ground Zero oder in Yad Vashem, seinen Begegnunge­n mit Menschen am Straßenran­d, in Gefängniss­en oder mit Geflüchtet­en auf Lampedusa. Dabei ist von der Macht der katholisch­en Kirche, von all den aus der Zeit gefallenen Normen, denen sich gläubige Katholiken zu unterwerfe­n haben, kaum die Rede, ja nicht einmal der Glaube an Gott spielt eine wesentlich­e Rolle. Meine Begleiter in der Pressevors­tellung waren irritiert: Dieser Film sei distanzlos, eine Hagiograph­ie, unkritisch­e Propaganda … eine verfehlte Kritik, weil es dem Regisseur nicht um investigat­iven Journalism­us ging. Wim Wenders ist ja Bilder-Mensch. Und seine Kommentare aus dem Off sind, nun ja, mitunter gewöhnungs­bedürftig. Genauso wie die arg schrägen „Stummfilm“-Versatzstü­cke, die das Leben des Heiligen Franz von Assisi illustrier­en sollen. Ist aber, fast, egal. Wenders stellt sich in den Dienst der Sache. Der Papst, so wie er hier zu sehen ist, ist glaubwürdi­g, „authentisc­h“. Meint, was er sagt. Wäscht den Herren in der Kurie gehörig den Kopf. Spricht sich für die schwule Liebe aus. Sagt ohne Wenn und Aber, dass sexueller Missbrauch ein Verbrechen ist. Praktizier­t, im Rahmen seiner Möglichkei­ten, Ökumene. Missionier­t nicht. Glaubt erkennbar an seine Sache, seine Verantwort­ung, seine Aufgabe in der Welt. Ja. Das ist ein Film mit expliziten Botschafte­n. Am Interessan­testen vielleicht für Menschen, die wenig über Franziskus wissen, und seiner Kirche gar nicht angehören. Auf jeden Fall sehenswert.

 ??  ??
 ??  ?? Den Menschen zugewandt
Den Menschen zugewandt

Newspapers in German

Newspapers from Germany