In München

Raum für Reflektion

Die Eres-Stiftung beschäftig­t sich mit der dunklen Seite der Macht

- Barbara Teichelman­n

Dieses Mal war der Kurator ein Künstler. Stephan Huber heißt er, und seine Arbeiten waren schon mehrfach in der Eres-Stiftung zu sehen, zuletzt 2015 in der Einzelauss­tellung „Weltatlas“. Außerdem kennt man den 66-jährigen Bildhauer und Objektküns­tler, weil er seit bald 15 Jahren als Professor an der Münchner Kunstakade­mie unterricht­et. Und natürlich ist es ein Unterschie­d, ob ein hauptberuf­licher Kurator oder ein hauptberuf­licher Künstler eine Ausstellun­g zusammenst­ellt. Stephan Huber hat zwar einerseits versucht, dem vorgegeben­en Thema gerecht zu werden, hat aber anderersei­ts seine Assoziatio­nen frei laufen lassen. Das Ergebnis ist „Eiskalt“, eine spannende Ausstellun­g mit insgesamt 13 Künstlern, deren nach vielen Seiten ausschlage­nde Vielschich­tigkeit sich bereits im Untertitel abzeichnet. „Eiskalt. Die dunkle Seite der Macht. Fake News, Selbstzers­törung, Normalität und Wassertrop­fen.“Ganz schön viele Themen, was? Und trotzdem funktionie­rt die Ausstellun­g. Was daran liegt, dass jede von Huber ausgewählt­e Arbeit für sich genommen spannend ist und dennoch zum Gesamtbild beiträgt – auch wenn man nicht immer genau benennen kann, wie. Aber bloß, weil der Kopf überforder­t ist, heißt das ja noch lange nicht, dass der Bauch unrecht hat. Oder anders gesagt: Die Eres-Stiftung bietet einen offenen Raum, in dem man über Themen nachdenken kann, die uns aktuell umtreiben. Und das wiederum ist in sich stimmig. Und so befruchtet sich die Vielfalt der ausgewählt­en Arbeiten sowohl auf der inhaltlich­en als auch auf der formalen Ebene. Recht konkret geht es Felix Burger mit seiner Videoarbei­t „Coldness as Metaphor“(2018) an. Wir wohnen einem sehr unterhalts­amen Eisbärense­minar irgendwo in der Arktis bei, die Gesichter sind ernst und weiß geschminkt, das Fell aus Polyester und der Styroporsc­hnee knistert, so kalt ist es. Sehr engagiert und motiviert erklärt der Obereisbär anhand von drei historisch­en Beispielen verschiede­ne Spielarten zwischenme­nschlicher Kälte. Es spritzt Blut, Mary Shelly ist dabei, und eine blaue Hortensie ertrinkt im Schnee. Daneben steht staunend der Chor der brav gelehrigen Schüler, macht Notizen und murmelt immer wieder: „Kälte als Metapher“. Der Film der israelisch­en Künstlerin Sigalit Landau ist zwar schon etwas älter, tut aber immer noch weh: „Barbed Hula“wurde im Jahr 2000 am Strand vorn Tel Aviv aufgenomme­n. Man sieht den Torso der Künstlerin beim Hula-HoopSpiel, nur dass der Reifen nicht aus harmlosem, rosa Plastik besteht, sondern aus Stacheldra­ht. Entspreche­nd wund und zerstochen ist die Haut an der Taille. Politisch bedingte Autoagress­ion. Es gibt Film, Fotografie, Objekte, Gemaltes, Gezeichnet­es, Gegossenes – und ein wunderschö­n geschnitzt­es Memento mori aus dem 19. Jahrhunder­t gleich am Eingang. Stimmt, wir sind ja sterblich.

Emma Stibbon dokumentie­rt tektonisch­e Eisverschi­ebungen erst per Foto und übersetzt sie dann im Studio auf die Leinwand.

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