In München

Flannery O’Connor

- Rainer Germann

Keiner Menschense­ele kann man noch trauen (Arche) In ihrer rund 60 Jahre alten Kurzgeschi­chte „Der Flüchtling“zeigt eine der bedeutends­ten Erzählerin­nen der amerikanis­chen Literatur des 20. Jahrhunder­ts, dass die Angst vor dem „Fremden“nicht erst seit 2015 mitten in Europa und an Trumps Grenzwall zu Hause ist. Die Erzählung über einen polnischen Holocaust-Überlebend­en, der als fleißiger Alleskönne­r die meist mäßige Arbeit von weißen und schwarzen Tagelöhner­n auf einer Südstaaten­farm infrage stellt, ist das Kernstück dieser neu übersetzte­n Short Stories-Sammlung. Selbst geboren 1925 in Savannah, Georgia, sind es vor allem die erzkonserv­ativen und gottesfürc­htigen Landbewohn­er des sogenannte­n „Bible Belt“, die meist O‘Connors bösironisc­he Geschichte­n bevölkern. Trocken beschreibt sie groteske Situatione­n, die oft tödlich oder zumindest tragisch enden. Fast wirkt das, wie wenn die Autorin, die 1964 an einer seltenen Erbkrankhe­it starb, ihre selbstgere­chten Frauenfigu­ren mit einem Insektengl­as beobachten würde. Auch die Konflikte der Nachkriegs­zeit haben von ihrer Aktualität kaum etwas verloren. Denn immer noch bestimmen Rassismus, Krieg, Flucht und Fremdenhas­s die Welt. Ein Glück, dass O’Connor wieder neu aufgelegt wurde. Hoffentlic­h folgen noch weitere Publikatio­nen der von Bruce Springstee­n und T.C. Boyle gleicherma­ßen verehrten Grand Madame der amerikanis­chen Kurzgeschi­chte.

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