ORTSGESPRÄCH mit Sabine Schmalschläger
Sabine Schmalschläger
Keine Angst vor der Schwerkraft: Direkt an der S-Bahn-Station Mittersendling, in der Flößergasse 4a, hat Sabine Schmalschläger eine Trainingshalle für Unerschrockene aufgebaut – mit Ramps, Kickern, Parkour-Podesten, Trampolins und riesigen Drop-in-Luftmatten. Die Idee zum GravityLab kam der Münchnerin, weil ihre Zwillingssöhne Luca und Matteo um die großen Meisterschaften im Freestyle-Ski mitfahren und eben auch in den schneefreien Monaten üben wollen. Wer sich auf Ski oder Snowboards mit Rollen traut, kann das auch in der Halle trainieren – auch mutige Neulinge. Doch, liebe Eltern, keine Sorge: Unter dem Tresen hält Sabine Schmalschläger Ihr persönliches, ständig erweitertes „Freestyle Dictionary“bereit, damit man endlich mal versteht, wovon die Kids sprechen, wenn sie ihre Frontoder Back-Flips (früher: Salto, heute: total verpönt) ausprobieren.
Frau Schmalschläger, Sie haben als Unternehmerin, als Sportlerin, als Mutter hier in Mittersendling viel auf die Beine gestellt. Mit welchem Sprung auf einer Ihrer Anlangen bringen Sie den Alltagsstress am Schnellsten hinter sich?
(lacht) Mit einem Back-Flip vielleicht? Es gibt ja unter Freestylern den Spruch: „A Back-Flip a day keeps the doctor away“.
Ehrlich?
Ich bräuchte wahrscheinlich einen dreifachen Back-Flip. Den kann ich aber nicht.
Um auf eine Einrichtung wie Ihr GravityLab zu kommen, braucht es viel Leidenschaft für den Sport. Sie waren doch mal Trickski-Fahrerin, oder?
Ich habe früher geturnt und bin dann Skiballett gefahren. Was total peinlich klingt – für meine Söhne. Dann haben meine Kinder mit all diesen Sportarten angefangen – vom Skateboard-Fahren über Surfen hin zum Ski-Freestyle. Ich habe dann immer Trainingsmöglichkeiten für sie gesucht. Und nichts gefunden. Später habe ich dann mal vergleichbare Projekte in den USA gesehen und mir gedacht, dass so eine Halle doch eine coole, zeitge-mäße Art sein kann, um Sport zu treiben.
Keinen ganz alltäglichen, aber immerhin.
Meine primäre Intention hier ist es, Menschen, vor allem die Kinder, zu einem Leben mit mehr Sport zu bewegen. Ich fürchte, dass der Sport in unserer Gesellschaft fast keinen Stellenwert mehr hat.
Sie ermöglichen Ihren Besuchern aber eine Art von Sport, auf die nicht jeder gleich als erstes kommen würde.
Meine Söhne und ihre Freunde sehen das anders.
Wie viel Adrenalin hat sich denn in Ihrer Familienlinie so vererbt?
Offenbar ziemlich viel. Wobei meine Jungs ja viel wissender und viel begabter sind als ich selber. Wenn man aber Skaten, Freestylen, Parkour nimmt – zum Teil sind das ja Sportarten, die es auch schon zu unserer Zeit gab. Parcour ist doch eigentlich cooles Turnen. Ich glaube, dass eigentlich jedes Kind gerne turnen würde. Nur üblicherweise wollen sie eben nicht Pferd, Barren oder Schwebebalken machen – sondern nur BodenTurnen. Und den Boden gibt es selten im Vereinsangebot. In einer Zeit von Social-Mediaund Computer-Begeisterung kommt diese Art von Sport, wie wir ihn hier möglich machen, den Kindern viel näher als die klassischen Sportarten.
Natürlich gibt es kaum Traurigeres, wenn man Kinder hat – und die hängen immer nur vor ihren Konsolen und Smartphones. Bei Ihnen kann man die Jumps und elektronischen Luftwirbel aus den Spielen auch mal selbst ausprobieren?
Exakt. Dass sich die Kids wirklich bewegen, ist mir so wichtig. Ich bekomme immer wieder Angebote, dass ich doch mal Virtual-Reality-Anlagen für eine Art „Digitalsport“einbauen sollte. Aber ich sage diesen Firmen immer: Das wäre doch kontraproduktiv zu meinem Konzept. Ich will ja nicht, dass sie virtuell, sondern dass sie tatsächlich Sport treiben.
Verständlich.
Trotzdem muss man auch als Eltern erkennen – und mich nervt das Smartphone selbst oft genug –, dass Snapchat, Instagram & Co aus dem Leben von Teenagern und Jugendlichen nicht mehr wegzudenken sind. Und so gehört eben auch bei uns dazu, dass sich die Kids bei ihren Aktionen in der Halle gegenseitig filmen und das mit ihren Freunden teilen. So etwas ist fester Bestandteil dieser Sportarten. Aber beides wird hier eben kombiniert: Sie machen Sport – und filmen sich mit ihren Freunden dabei. Da ist für mich nichts Verwerfliches daran.
Wenn ein spektakulärer Sprung gelungen ist, muss der auch festgehalten werden?
Warum nicht? Das Schöne im Vergleich zu anderen Sportarten: Natürlich treten auch meine Leute hier im Wettkampf als Konkurrenten gegeneinander an. Trotzdem spüre ich schon die Freude in der Halle, wenn einem Freund plötzlich ein wahnsinniger Trick gelingt, den er vorher lange nicht geschafft hat. Dann feiern sich die jungen Sportler gegenseitig – und zwar unabhängig davon, ob man den Trick selbst kann oder nicht. Mir kommt es oft vor, als ob diese Sportler weniger verbissen auf Konkurrenz aus sind. Man freut sich miteinander.
Und man inspiriert sich ja wahrscheinlich auch gegenseitig.
Sehr wichtig bei diesen Sportarten. Auch meine Trainer sind Vorbilder. Es gibt ja keine Ausbildung allein zum Freestyle-Trainer für Ski, Fahrrad oder Board. Learning by Doing lautet die Devise. Es geht darum, von anderen, die besser sind als ich selbst, zu lernen.
Ihre beiden Söhne sind ja nicht nur sportbegeistert. Sie sind ja auch schon auf dem besten Weg, auf Ihren Gebieten Geschichte zu schreiben und sich in Rekordebücher einzuschreiben. Zeichnet sich da eine dauerhafte Karriere ab?
Für sie ist ihr Sport ein Lebensinhalt. Sie wollen beide Profis werden – sobald sie Abitur gemacht haben.
Das müssen sie?
Da bin ich dahinterher. Als Mutter habe ich ihnen immer gesagt: Ich unterstütze sie so gut es geht, aber nur, wenn sie die Schule fertigbringen. Danach kann man – wenn man das wirklich möchte –, nur noch Sport machen und versuchen, Profi zu werden. Wir wissen aber alle, dass im Leben öfter Dinge anders kommen, als man denkt. Sie betreiben eine Risikosportart, die auch mit Verletzungsgefahren verbunden ist. Deswegen müssen sie sich schon wappnen.
Wie schnell stockt denn eigentlich Ihr Herzschlag, wenn Sie im Winter Ihre Söhne, große Schanzen runterspringen und hinabwirbeln sehen?
Natürlich habe ich auch immer Angst. Aber man muss seine Angst seinen Kindern gegenüber unterdrücken. Sonst könnte ich sie morgens nicht aus dem Haus ziehen lassen. Ich denke, man muss seinen Kindern das Gefühl geben, dass man ihnen vertraut. Ich habe immer versucht, sie bestmöglich auf diesen Sport vorzubereiten. Sie mussten ein Verständnis für die Risiken und die Bedingungen, unter denen sie losfahren, für die eigenen Fähigkeiten und für ein Bauchgefühl entwickeln. Und natürlich müssen sie sich entsprechend vorbereiten. Vieles kommt mit dem Alter. Als sie 13 waren, drückten sie mir eine Liste mit all den Tricks in die Hand, die sie damals in diesem Winter lernen wollten. Da gab’s dann schon Diskussionen. Mit der Zeit haben sie selbst ein gutes Gefühl dafür entwickelt, was sie sich zutrauen können – und was lieber nicht.
Sind Ihre Jungs auch im Alltag kaltblütiger und gelassener geworden?
Ich glaube, dass sie sich Vernunft angeeignet haben. Sie würden nie Harakiri-mäßig etwas veranstalten, was sie nicht kontrollieren können. Sie gehen kein unnötiges Risiko ein, weil sie mittlerweile eben wissen, was alles passieren kann. Sie gehen Dinge erst dann an, wenn sie sie sich wirklich zutrauen können.
Vieles im Sport fängt ja oft mit einer vorsichtigen Grenzüberschreitung an. Wird man zum Freestyle-Skifahrer, wenn einem die herkömmlichen präparierten Pisten irgendwann zu fad werden?
Auch in den Verbänden herrscht ja häufig die meiner Meinung nach falsche Ansicht vor, dass Freestyler ja eigentlich am liebsten alpine Skirennen fahren würden und nur ausweichen, weil sie es dort angeblich nicht geschafft haben. Ich sehe das ganz anders: Freestyle ist ein Lebensgefühl. Und es ist ein Ausdruck von Individualität. Auch viel Kreativität gehört dazu. Man muss sich ja