LITERATUR Widerwillig auf der Couch
„You say you want a revolution / Well, you know / We all want to change the world.“Klingt, als witzelten die Beatles über die protestierenden Studenten in Paris, Berlin und Berkeley. Ja und nein. Die Anti-Vietnamkriegs-Bewegung hatte ihre volle Sympathie. Ebenso der Wunsch nach gesellschaftlicher Veränderung. Aber Gewalt war eben nicht ihr Yeah-Yeah-Yeah-Provider. Philosophisch tiefgründiger und ausgereifter päppelte Hannah Arendt (1906-1975) dieses Baby. Ebenfalls in den 60ern entstand dieser Vortrag und bekam gut 50 Jahre später Leseformat. Das Hörbuch ist insofern ein sehr passendes Format. Mit der rauchigmatischen Stimme von Sandra Schwittau wird Arendt zugleich als Person gewürdig. Voraussetzung für Freiheit – das ist elementar bei Arendt – ist die Befreiung. Seit die Menschen in Staaten oder staatsähnlichen Gesellschaften leben, lebt die große Mehrheit der Menschen in Unfreiheit. Solange gibt es Aufstände, während Revolutionen vergleichsweise frische Events sind. Im Unterschied zu Aufständen bewirken Revolutionen – sofern sie nicht floppen – einen fundamentalen gesellschaftlichen Umbruch. „Revolutionen sind keine notwendige, sondern eine mögliche Antwort auf den Niedergang eines Regimes, sie sind nicht Ursache, sondern Folge des Verfalls politischer Autorität.“Damit steckt Arendt die Basics für das Ziel der Revolution: die Freiheit, frei zu
sein. Eben darum scheiterte die Mutter aller Revolutionen. Sie befreite die Franzosen zwar vor ihrem Kronenkasperl, nicht aber von ihrem Hunger. Die erfolgreiche kubanische Revolution holte die Menschen aus ihrem Elend und gab ihnen zugleich ihre Würde zurück: Indem „zum ersten Mal offen über ihre Lage debattiert“wurde und sie eingeladen wurden, „sich an dieser Diskussion zu beteiligen.“Eben auf diesem Gebiet versagt das politische System heutiger Staaten komplett. „Denn der Wille zur Macht als solcher (...) ist das hervorstechende Merkmal des Tyrannen (…), eine Eigenschaft, durch die alles politische Leben zerstört wird.“