Helmut Eckl
Flanieren, chaoskochen, Enten meiden: Der literarische Sommer bietet viele Entspannungsmomente
Schon erstaunlich, welche eben noch Unbekannten und dann eben doch schon von einem oft ziemlich jungen Millionenpublikum Bestaunten den Tiefen des weltweiten Netzes entsteigen: Lukas Diestel und Jonathan Löffelbein sind zwei besonders originelle, lustige Gestalten – und echte YouTube-Helden. Ihr gemeinsames Foodblog wurde zum besten des Jahres 2017 gekürt. Und dann war es natürlich nur noch eine Frage der Zeit, bis die beiden Virtuellen die realen Bühnen erkletterten. Und siehe da: Es funktioniert. Unter dem Blog-Motto „Worst of Chefkoch“lesen Diestel und Löffelbein ihre skurrilsten Rezepte vor und tischen gleich auch noch neue Texte auf, die fein gewürzt und höllisch scharf nachbrennen. Zentrales Requisit auf der Lesebühne ist dabei ein ungewöhnlicher Mini-Backofen, dem die beiden im Laufe des Abends Kreationen wie einen Salzstangenauflauf entnehmen. Lecker! (Backstage, 31.7.)
Wirklich noch ungehört, dafür in der Regel ziemlich unerhört sind die Werke der sieben Münchner Jungautoren, die die LostWeekend-Macher für das neue Spektakel Ver*Wort*Bar zusammengetrommelt haben. Eingebettet in eine – laut Ankündigungsversprechen – „bewusstseinserweiternde Moderation irgendwo zwischen Marcel Reich-Ranicki und Charlotte Roche“präsentieren sich die Nachwuchsschreiber auf einem Event zwischen kompetitiven Poetry Slam und Literarischem Quartett. Und sie bringen Texte mit, die es im Dunkel der Schublade einfach nicht mehr aushalten wollen. Es geht um Stücke, die eigentlich noch reifen sollten. Aber niemand möchte wirklich so lange warten. Ausgedacht hat sich das kunterbunte Treiben übrigens Markus Kubesch – selbstverständlich nach Berliner Lesebühnevorbild. (Lost Weekend, 28.7.)
An Blasius, den legendären „Abendzeitung“-Spaziergänger aus den besten Zeiten des Blatts, die Kultfigur von Sigi Sommer, erinnert Rüdiger Hacker in seiner „Sommersprossen“-Lesung. Besungen wird dabei „der Schatten junger Mädchenblüte auf den Gesichtern namenloser Vorstadt-Marillis und die maßkrugstemmende Güte der Kellnerin Anna“, wie die einstige „AZ“-Verlegerin Anneliese Friedmann über ihren berühmtberüchtigten Hausschlawiner schrieb. Es geht, so Friedmann einst, um die „Einsamkeit der alten Männern auf den Anlagebänken und die Heranwachsenden in der Betonwelt. Ein Zeitaufschreiber, ein Chronist. Ein Poet dazu.“Sigi Sommer selig wäre dieser Tage 104 Jahre alt geworden. (Metropoltheater, 4.8.)
War früher die Zukunft nicht etwas Feineres und vor allem viel länger? Mittlerweile sind die Stammtischbrüder noch depperter und die Schmerzen im linken Knie heftiger geworden. Das stellt jedenfalls der Münchner Satiriker und Turmschreiber Helmut Eckl fest. Weil er ja weiterhin auf das würdevolle Altern warten muss, vertreibt er sich in der neuen „Alte Männer füttern keine Enten“-Lesung die Zeit mit vergnüglichen Beschreibungen des Alltagswahnsinns. (Ebenböckhaus, 26.7.)
Gerade in bewegten Zeiten wie diesen ist das Solidarische mehr als nur eine Geste, sondern dringende Notwendigkeit. Gutes tun und den Abend dabei befreit genießen kann man auf dem Musik & Poetry-Abend, der als Bellevue-Slam der Obdachlosenzeitschrift „Biss“zugute kommen soll. Geladene Poeten, Musiker, DJs und Teilnehmer des Poetry- & Rap-Workshops geben sich gegenseitig die Bühen frei. (Wittelsbacher Platz, 4.8.)