In München

Helmut Eckl

Flanieren, chaoskoche­n, Enten meiden: Der literarisc­he Sommer bietet viele Entspannun­gsmomente

- Rupert Sommer

Schon erstaunlic­h, welche eben noch Unbekannte­n und dann eben doch schon von einem oft ziemlich jungen Millionenp­ublikum Bestaunten den Tiefen des weltweiten Netzes entsteigen: Lukas Diestel und Jonathan Löffelbein sind zwei besonders originelle, lustige Gestalten – und echte YouTube-Helden. Ihr gemeinsame­s Foodblog wurde zum besten des Jahres 2017 gekürt. Und dann war es natürlich nur noch eine Frage der Zeit, bis die beiden Virtuellen die realen Bühnen erklettert­en. Und siehe da: Es funktionie­rt. Unter dem Blog-Motto „Worst of Chefkoch“lesen Diestel und Löffelbein ihre skurrilste­n Rezepte vor und tischen gleich auch noch neue Texte auf, die fein gewürzt und höllisch scharf nachbrenne­n. Zentrales Requisit auf der Lesebühne ist dabei ein ungewöhnli­cher Mini-Backofen, dem die beiden im Laufe des Abends Kreationen wie einen Salzstange­nauflauf entnehmen. Lecker! (Backstage, 31.7.)

Wirklich noch ungehört, dafür in der Regel ziemlich unerhört sind die Werke der sieben Münchner Jungautore­n, die die LostWeeken­d-Macher für das neue Spektakel Ver*Wort*Bar zusammenge­trommelt haben. Eingebette­t in eine – laut Ankündigun­gsversprec­hen – „bewusstsei­nserweiter­nde Moderation irgendwo zwischen Marcel Reich-Ranicki und Charlotte Roche“präsentier­en sich die Nachwuchss­chreiber auf einem Event zwischen kompetitiv­en Poetry Slam und Literarisc­hem Quartett. Und sie bringen Texte mit, die es im Dunkel der Schublade einfach nicht mehr aushalten wollen. Es geht um Stücke, die eigentlich noch reifen sollten. Aber niemand möchte wirklich so lange warten. Ausgedacht hat sich das kunterbunt­e Treiben übrigens Markus Kubesch – selbstvers­tändlich nach Berliner Lesebühnev­orbild. (Lost Weekend, 28.7.)

An Blasius, den legendären „Abendzeitu­ng“-Spaziergän­ger aus den besten Zeiten des Blatts, die Kultfigur von Sigi Sommer, erinnert Rüdiger Hacker in seiner „Sommerspro­ssen“-Lesung. Besungen wird dabei „der Schatten junger Mädchenblü­te auf den Gesichtern namenloser Vorstadt-Marillis und die maßkrugste­mmende Güte der Kellnerin Anna“, wie die einstige „AZ“-Verlegerin Anneliese Friedmann über ihren berühmtber­üchtigten Hausschlaw­iner schrieb. Es geht, so Friedmann einst, um die „Einsamkeit der alten Männern auf den Anlagebänk­en und die Heranwachs­enden in der Betonwelt. Ein Zeitaufsch­reiber, ein Chronist. Ein Poet dazu.“Sigi Sommer selig wäre dieser Tage 104 Jahre alt geworden. (Metropolth­eater, 4.8.)

War früher die Zukunft nicht etwas Feineres und vor allem viel länger? Mittlerwei­le sind die Stammtisch­brüder noch depperter und die Schmerzen im linken Knie heftiger geworden. Das stellt jedenfalls der Münchner Satiriker und Turmschrei­ber Helmut Eckl fest. Weil er ja weiterhin auf das würdevolle Altern warten muss, vertreibt er sich in der neuen „Alte Männer füttern keine Enten“-Lesung die Zeit mit vergnüglic­hen Beschreibu­ngen des Alltagswah­nsinns. (Ebenböckha­us, 26.7.)

Gerade in bewegten Zeiten wie diesen ist das Solidarisc­he mehr als nur eine Geste, sondern dringende Notwendigk­eit. Gutes tun und den Abend dabei befreit genießen kann man auf dem Musik & Poetry-Abend, der als Bellevue-Slam der Obdachlose­nzeitschri­ft „Biss“zugute kommen soll. Geladene Poeten, Musiker, DJs und Teilnehmer des Poetry- & Rap-Workshops geben sich gegenseiti­g die Bühen frei. (Wittelsbac­her Platz, 4.8.)

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Auf der Suche nach vergangene­r Zeit: HELMUT ECKL
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Am Kühlschran­k: LUKAS DIESTEL & JONATHAN LÖFFELBEIN

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