Münchner Momente
Fotoausstellung im Valentin-Karlstadt-Musäum
Die Stadt, in der man lebt, verkommt ja schnell zur Alltagstapete. Man radelt von A nach B oder fährt U-Bahn, kauft am Gemüsestandl ein, geht ins Kino, schimpft auf die lauten Straßenkehrmaschinen und so weiter. Aber ab und an bekommt die Gewohnheit einen Riss und man sieht, was man sonst übersieht. „Wischer im Bewusstsein“nennt Walter Korn diese Momente. Und weil er Fotograf ist, hält er die Kamera drauf. Ein sommerlicher Mann in Unterwäsche, der sich auf das Fensterbrett in die Sonne gelegt hat, die Füße in die Höhe, in den Händen ein Buch. Ein Kind mit Hut im roten Schiebewagerl oder ein demolierter hölzener Engel mitten im Flohmarkttreiben. Auch Marx Cristof Welser mag diese besonderen Augenblicke und ist wo sich Surfer und Anzugträger auf immer mal wieder mit der Kamera un- ein kühles Bad und Bier treffen. Dort, terwegs. Zum Beispiel am Eisbach, dort wo München vielleicht am schönsten ist, weil es hier für ein paar Stunden egal ist, ob Du Aktien verkaufst oder kein Geld hast. Die Ausstellung Stadt – Tand – Fluss im Turmstüberl des Valentin-Karlstadt-Musäums zeigt München-Momente, die die beiden Fotografen in den letzten vier, fünf Jahren gesammelt haben. 30 Fotografien sind es geworden, 15 von jedem. Korn, der seit 35 Jahren als Bildredakteur bei der Süddeutschen Zeitung arbeitet, verlässt niemals ohne Kamera das Haus. Immer auf der Suche nach Bildern, die der Zufall schickt. Oder ein Blick nach oben. Welser nimmt die Kamera mit, wenn ihm danach ist. „Strawanzen gehen“sagt er dazu. Er beobachtet seine Stadt aus einer wohlwollenden Distanz und erzählt mit seinen Bildern kleine Geschichten. Eine Krücke, die jemand über einen blauen U-Bahn-Karten-Entwerter gehängt hat. Ein Wunder? Eine plötzliche Genesung? „Unter dem Pflaster liegt der Strand“steht schwarz auf gelbem Grund. Und unter dem Plakat klafft ein Baustellenloch in der Straße, unter deren Pflaster offensichtlich nicht der Strand liegt, sondern Kabelstränge. Und „Menschenkette“heißt ein Bild, auf dem sich friedlich schwitzende Münchner an einer roten, quer über den Eisbach gespannten Schnur einhalten und sich von den kalten Wassermassen massieren lassen. München leuchtet nicht nur, München sprudelt auch. Und so klein diese Ausstellung ist, sie funktioniert. Denn wenn man sich aus dem engen Isartor herausgeschält hat und wieder in die Sonne und auf die Straße tritt, schaut man anders hin. Aufmerksamer. Neugierig. Und gut gelaunt.
Mensch im Fenster: Zwei Fotografen, zwei Perspektiven, eine Stadt.