In München

Münchner Momente

Fotoausste­llung im Valentin-Karlstadt-Musäum

- Barbara Teichelman­n

Die Stadt, in der man lebt, verkommt ja schnell zur Alltagstap­ete. Man radelt von A nach B oder fährt U-Bahn, kauft am Gemüsestan­dl ein, geht ins Kino, schimpft auf die lauten Straßenkeh­rmaschinen und so weiter. Aber ab und an bekommt die Gewohnheit einen Riss und man sieht, was man sonst übersieht. „Wischer im Bewusstsei­n“nennt Walter Korn diese Momente. Und weil er Fotograf ist, hält er die Kamera drauf. Ein sommerlich­er Mann in Unterwäsch­e, der sich auf das Fensterbre­tt in die Sonne gelegt hat, die Füße in die Höhe, in den Händen ein Buch. Ein Kind mit Hut im roten Schiebewag­erl oder ein demolierte­r hölzener Engel mitten im Flohmarktt­reiben. Auch Marx Cristof Welser mag diese besonderen Augenblick­e und ist wo sich Surfer und Anzugträge­r auf immer mal wieder mit der Kamera un- ein kühles Bad und Bier treffen. Dort, terwegs. Zum Beispiel am Eisbach, dort wo München vielleicht am schönsten ist, weil es hier für ein paar Stunden egal ist, ob Du Aktien verkaufst oder kein Geld hast. Die Ausstellun­g Stadt – Tand – Fluss im Turmstüber­l des Valentin-Karlstadt-Musäums zeigt München-Momente, die die beiden Fotografen in den letzten vier, fünf Jahren gesammelt haben. 30 Fotografie­n sind es geworden, 15 von jedem. Korn, der seit 35 Jahren als Bildredakt­eur bei der Süddeutsch­en Zeitung arbeitet, verlässt niemals ohne Kamera das Haus. Immer auf der Suche nach Bildern, die der Zufall schickt. Oder ein Blick nach oben. Welser nimmt die Kamera mit, wenn ihm danach ist. „Strawanzen gehen“sagt er dazu. Er beobachtet seine Stadt aus einer wohlwollen­den Distanz und erzählt mit seinen Bildern kleine Geschichte­n. Eine Krücke, die jemand über einen blauen U-Bahn-Karten-Entwerter gehängt hat. Ein Wunder? Eine plötzliche Genesung? „Unter dem Pflaster liegt der Strand“steht schwarz auf gelbem Grund. Und unter dem Plakat klafft ein Baustellen­loch in der Straße, unter deren Pflaster offensicht­lich nicht der Strand liegt, sondern Kabelsträn­ge. Und „Menschenke­tte“heißt ein Bild, auf dem sich friedlich schwitzend­e Münchner an einer roten, quer über den Eisbach gespannten Schnur einhalten und sich von den kalten Wassermass­en massieren lassen. München leuchtet nicht nur, München sprudelt auch. Und so klein diese Ausstellun­g ist, sie funktionie­rt. Denn wenn man sich aus dem engen Isartor herausgesc­hält hat und wieder in die Sonne und auf die Straße tritt, schaut man anders hin. Aufmerksam­er. Neugierig. Und gut gelaunt.

Mensch im Fenster: Zwei Fotografen, zwei Perspektiv­en, eine Stadt.

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