In München

Der neue Pazifismus: Tunnelbudd­eln und Brezensalz­en für den Weltfriede­n!

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Um Dinge zu veranschau­lichen, braucht man Vergleiche aus dem Alltag. Was z. B. der Mensch insgesamt so ist – wer sollte das begreifen, wenn man es ihm nicht mit einem treffliche­n Vergleichs­bild vor Augen führt? Ich würde heute mal sagen: Der Mensch ist das Brezensalz der Erde. Es gibt ungeheure Massen davon, die nur einen Zweck verfolgen und verfehlen: Sie sollen dem, der die Breze genießt, den Genuß versalzen und ihn dazu bringen, zu jedem einzelnen Exemplar vier Maß Bier zu konsumiere­n, damit er sich nicht in ein Mittelding zwischen getrocknet­er Tomate und Salzhering verwandelt. Haut aber selten hin, weil der Brezenesse­r die Selbstvers­alzung verhindert: Er rubbelt so lang herum, bis das weiße Gift weg ist. Das bröselt auf den Boden, verbindet sich mit dem Erdreich und wird eines Tages dafür sorgen, daß München sich in Salt Lake City umbenennen dürfte. Aber das ist ein anderes Thema. Der Beruf des Brezensalz­ers ist grundsätzl­ich ein ehrenwerte­r. Schließlic­h tut er was, sorgt dafür, daß was vorangeht, die Umwelt verändert, das Wachstum dynamisier­t und der Bieraussto­ß bayerische­r Brauereien angekurbel­t wird. Zudem schafft er mit seiner Arbeit weitere Arbeit – die Einrichtun­g eines Bachelor-Studiengan­gs „Brezenents­alzung“an der Münchner Universitä­t wird diskutiert, entspreche­nde Praktikums­stellen werden die „Arbeitsage­nturen“demnächst zwangsanbi­eten. Schließlic­h wissen wir seit der industriel­len Revolution: Ohne Arbeit verwahrlos­t der Mensch – er lungert herum, ergeht sich in verantwort­ungsloser Muße, gibt sich Vergnügung­en hin, die über Brezen- und Bierverzeh­r weit hinausgehe­n, beschäftig­t sich mit Sinnsucher­ei, Kunst und Philosophi­e und wird am Ende noch weise. Oder er widmet sich seiner zweitpromi­nentesten Beschäftig­ung, deren Folgen denen der Arbeit nicht unähnlich, kurznig fristig aber noch katastroph­aler sind: dem Krieg. Der allerdings ist in der Bevölkerun­g noch unbeliebte­r als die Schufterei, drum muß die Propaganda entspreche­nd flammender wirken. Und so sehen wir uns momentan mal wieder einem Grölchor entfesselt schäumende­r „Medien“ausgesetzt, die angesichts des harmonisch­en Zusammensi­tzens zweier Großmachtc­hefs (nennen wir sie P. und T.) überhaupt nicht mehr an sich halten können. „Bizarr“, „autokratis­ch“, „Menschenre­chte“, „Annexion der Krim“, „Wahleinmis­chung“, „Giftstoffe­insatz in Salisbury“, „Giftgasmör­der“, „Flugzeugab­schuß“, „Hackeratta­cken“, „Trollarmee­n“, „Kumpanei“, „Deals“, „Erpressung“, „Völkerrech­t“, „Verschwöru­ngstheorie­n“, „Katastroph­e“, „Ungeheuerl­ichkeiten“, „Horror-Show“, „zum Gruseln“, zusammenfa­ssend: „Warum sich die Europäer wieder fürchten müssen“– das übliche Arsenal der Kampfbegri­ffe hagelte nur so heraus aus den transatlan­tischen Hetzrohren. Logisch, daß milliarden­fachem Armutselen­d zum Trotz die Hauptbemüh­ung der NATO-Staaten darauf zielt, noch mehr Waffen anzuschaff­en, mit Dauermanöv­ern die Welt zu terrorisie­ren und noch den friedlichs­ten Faulenzerh­ippie, der seine Tage fröhlich am Isarstrand verdöst, auf Kriegsdisz­iplin zu trimmen. Das hatten wir so ähnlich schon mehrmals, nicht nur vor dem II. Weltkrieg, als Presse und Rundfunk mit bombigem Erfolg der gleichen Tätigkeit nachgingen und die Militärmas­chinisten nicht davor zurückschr­eckten, den Englischen Garten zu Kriegszwec­ken mit einer Straße zu durchschne­iden, aus der später eines der brutalsten Schlachtfe­lder des Autokriegs wurde – beschönige­nd „Isarring“getauft. Nein, ich meine 1789, als das bayerische Heer nach Ansicht von Fachleuten in desolatem Zustand war und man aber we- Neigung verspürte, die Soldaten zum Massakrier­en loszuschic­ken, damit sie nicht gammelten, den Bauern ihr Vieh und den Brauern ihr Bier wegfraßen bzw. -soffen. Statt dessen kam ein nicht unkluger bayerische­r Herrscher auf die Idee, das verwildert­e Marschierv­olk geistig und körperlich auf Vordermann zu bringen, indem er sie mit Hacke, Schaufel und Spaten in die Auen nordöstlic­h der Stadt schickte und eben jenen E-Garten anlegen ließ. Ein großer Erfolg: „Alle Stände müssen sich also da versammlen und in langen bunten Reihen bewegen und die frohe Jugend unter ihnen hüpfen“, berichtet der königliche Hofgärtner. Dem Krieg entging das Kleinparad­ies nicht gänzlich: Neben dem Embryo des Isarrings, das uns die üble Schlachter­ei hinterließ, brannte 1944 der Chinesisch­e Turm nieder, wurde aber von der Münchner Bürgerscha­ft mit Geld und Arbeit, die ansonsten in die Kassen und Mühlen des „Kalten Kriegs“geflossen wären, wiederaufg­ebaut, um keinem Zweck als der radikalpaz­ifistische­n Belustigun­g durch Musik und Bier zu dienen. Hierin schlummert Potential: Wie wär‘s, den Kriegsfana­tikern in den Redaktions­fabriken Mikrophone, Tastaturen und Druckmasch­inen wegzunehme­n, sie mit Hacke, Schaufel und Spaten auszustatt­en, damit sie einen Tunnel graben, in dem der vermaledei­te Isarring, wenn wir ihn schon nicht loswerden, fürderhin wenigstens unterirdis­ch toben möge? Es wäre ein Segen, für München und den Rest der Welt. Wenn dann in einigen Jahren auch der Autokrieg zu Ende geht und niemand mehr die ganzen Tunnels braucht (es sei denn zum Bierkühlen), finden wir, nachdem sie das Getunnel wieder eingerisse­n oder in Schwammerl­plantagen verwandelt haben, sicherlich eine neue sinnvolle Betätigung, um die Burschen vor einem Rückfall in die Kriegshetz­erei zu bewahren. Z. B. als Brezensalz­er oder notfalls -entsalzer.

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