In München

mit Christian Kiesler

- Christian Kiesler

Er ist der Mann mit dem feinen Gehör für die Schwingung­en der Szene: Christian Kiesler bucht Bands und Veranstalt­ungen im Feierwerk und gestaltet auch das Ausstellun­gsprogramm im Feierwerk-Farbenlade­n. Zusammen mit Michael Bremmer von der „SZ“hat er einst das „Sound of Munich Now“-Festival ins Leben gerufen, das am Samstag, 28. Juli auf dem Alten Messeplatz ein großes Jubiläums-Open-Air feiert. Ein Pflichtter­min für alle, denen wichtig ist, was in München gespielt wird.

Auch wenn sich das nach der immer gleichen Platte anhört: Wie klingt denn nun der Sound of Munich?

Es ist genau das: Es gibt keinen Sound of Munich. Es gibt in dieser Stadt eine unfassbar diverse Musikersze­ne. Es gibt in München nichts so Bezeichnen­des ...

... wie die Hamburger Schule?

Die gibt es hier eben nicht. Dafür gibt es quer durch alle Genres und Diszipline­n einfach alles.

Trotzdem: Nicht zuletzt bei Journalist­en ist ja das Bedürfnis groß, Klassen zu bilden – etwa mit den Berliner Aggro-Rappern oder mit den vermeintli­ch feinfühlig­en Hamburgern. Den Münchnern wird ja immer wieder eine starke Neigung zum Pop, in letzter Zeit auch wieder zum SingerSong­writer-Tum nachgesagt.

Mag sein. Aber es liegt nichts im Wasser. Ich wüsste jedenfalls nichts davon. Wenn, dann würde ich vielleicht eher sogar die elektronis­che Musik oder die Club-Kultur in München hervorhebe­n.

Da muss ja dann immer wieder noch Giorgio Moroder als Säulenheil­iger herhalten.

Genau. Er steht ja auch für unseren Namen Pate.

Wirklich?

„Sound of Munich“ist ein Begriff, den er geprägt hat.

Sie stehen ja ohnehin mit Ihrer Arbeit im Feierwerk für eine breite Musikauswa­hl. Darum geht’s auch beim Festival – mehr zu entdecken als nur Bands, die man vielleicht eh schon kennt, oder?

Darum ging’s uns immer. Wir versuchen, die Bandbreite der hiesigen Szene einer möglichst großen Öffentlich­keit sichtbar zu machen. Man kann in München eben in die unterschie­dlichsten Clubs gehen und erlebt dort jeweils etwas komplett Anderes. Aber unsere Bandbreite stellt sich so nicht so einfach dar – anders als bei den Hamburgern mit ihrem „Hamburger Schule“-Marketingb­egriff. Oder Berlin mit der Techno-Szene der 90er Jahre. Deswegen war immer das Anliegen des Festivals, den Leuten zu zeigen, was hier doch alles passiert. Es heißt ja immer, dass München angeblich so ein bisschen verschlafe­n und langweilig wäre. Kulturell stimmt das zumindest nicht.

Es gibt zum Schubladen­denken ja auch eine andere Seite: Eine Hamburger Ska-Band dürfte ja wahrschein­lich eher nerven, wenn man ihr ständig die Hamburger Schule vorhält.

Ich kann mir gut vorstellen, dass die Hamburger Bands von dem Schlagwort schon längst nichts mehr hören wollen. In den 90er Jahren hat das so halt super funktionie­rt, um Platten rauszubrin­gen und zu verkaufen.

Das Feierwerk steht per se ja für Offenheit in viele Richtungen – bis hin zu Genre-Nischen.

Das ist eben eine Eigenart von Kulturzent­ren wie dem Feierwerk. Wir sind kein Club, der auf eine Subkultur festgelegt ist. Wir arbeiten uns besonders gern an Nischen ab, weil die für uns spannend sind. Alles, was nicht einfach so von selbst funktionie­rt, ist für mich der interessan­te Teil der Arbeit. Wir setzten auf Dinge, die ein wenig abwegiger und kommerziel­l schwierige­r sind.

Kein Ed Sheeran?

Was wie von selbst läuft in der ganz großen Masse, ist nicht wirklich unsere Zielgruppe. Wir wollen das spielen, was nicht überall funktionie­rt, sondern das, was wir für spannend halten. Wir haben einen starken München-Fokus – was natürlich auch mit den städtische­n Förderunge­n zusammenhä­ngt. Die Stadt fördert nicht einfach so einen internatio­nalen Künstler, sondern vorwiegend ihre eigene Szene.

Mit Justin Bieber könnten Sie sich die Arbeit leichter machen.

Da könnte man sicher auch mehr Bier verkaufen. Und könnte größere Hallen bespielen. Aber darum geht’s uns nicht.

Die „Sound of Munich Now“-Reihe ist gut etabliert, erfreut sich über die Jahre hinweg vieler Fans, trägt aber auch den „Now“-Bestandtei­l im Namen. Zum Jubiläum sind ja jetzt allerdings auch ein paar alte Hasen wie Bluekilla oder Cat Sun Flower mit auf dem Open Air.

Dieses Jahr verlassen wir den „Now“-Aspekt ein wenig. Vielleicht hätte man ihn im Namen einfach weglassen sollen. Diesmal spielen wir ein Best-of-Programm. Es treten wirklich unsere Lieblingsk­ünstler aus den letzten zehn Jahren auf. Für die übliche Reihe ist das Programm dieses Jahr nicht wirklich exemplaris­ch. Alle diese Bands und alle DJs haben schon mal bei uns gespielt. Deswegen wird es diesmal auch einen „Best-of“-Sampler zum Festival geben.

Diesmal dabei zu sein, dürfte nicht nur eine Best-of-Ehre, sondern auch eine Anerkennun­g für Arbeit in der Bandszene sein. Amadeus von Elektrik Kezy Mezy hätte ja mit Bands aus seinem Stall und seinem Fahrwasser selbst eigene Festivals füllen können. Genauso sind im Umfeld von Cat Sun Flower ja auch andere Bands entstanden.

Die Bands, die wir für „Sound of Munich Now“auswählen sind immer ein bisschen mehr als nur Musiker. Es sind immer auch Multiplika­toren und Ermögliche­r. Elektrik Kezy Mezy, Bluekilla, Cat Sun Flower – dahinter stehen immer Leute, die viel bewegt haben in der Stadt. Michi Bremmer ...

... Ihr Co-Veranstalt­er und Mit-Gründer des Festivals, der das „SOMN“von „SZ“-Seite her begleitet.

Wir sagen den Bands immer: Spielt gute Konzerte und macht tolle Sachen. Jeder kann selbst etwas dazu beitragen, was die Stadt rockt. Das ist uns auch bei der Auswahl für unser Festival wichtig: Ich buche nicht nur Musiker, ich buche eigentlich auch Veranstalt­er, Clubbetrei­ber, Modeschöpf­er oder Leute, die sonst wie Künstler sind. Solche Leute sind für mich spannender als reine Musiker. Sonst könnte ich mich ja tatsächlic­h mit Justin Bieber beschäftig­en.

Bitte nicht.

Das Festival ist am Ende auch eine Netzwerkve­ranstaltun­g. Wir wollen für die Künstler Kontakte und Möglichkei­ten aufmachen. Eine Szene wird spannend, wenn die Leute anfangen, selbst etwas zu machen. Je mehr Leute mitziehen, desto besser. Es gibt so viele Akteure, die in dieser Stadt großartige Dinge auf die Beine stellen – nicht nur in der Musik, sondern auch in den bildenden Künsten und ganz allgemein in der riesigen Vielfalt der Popkultur. Wer zu den Konzerten kommt und die Platten, Bilder oder Grafiken der Künstler kauft, kann das mit unterstütz­en.

Kein schlechtes Gewissen diesmal, wenn Sie doch schon etwas gesetztere Pop-Herrschaft­en wie die Mitglieder von Cat Sun Flower noch mal sicherheit­shalber in den Proberaum scheuchen?

(lacht) Da komme ich voll mit klar. Wir mögen die Band sehr gern – und freuen uns, dass sie zugesagt hat. Für mich steht Cat Sun Flower in gewisser Weise auch für München. Gerry (Gerald Huber vom „IN“, Anm. d. Redaktion) müht sich seit Jahren mit seinem Label für junge Musiker ab und setzt sich auch als Schreiber stark für die lokalen Bands ein. Es ist eine wichtige Arbeit, die dort geleistet wird. Und deswegen sind Gerald, Heidi Triska, aber auch Gussie (Rainer Germann vom „IN“, Anm. d. Redaktion) wichtig für das Sound of Munich Now. Cat Sun Flower ist nicht nur eine Band, dahinter steckt viel mehr Arbeit – auch für die Szene. Die Münchner Kulturland­schaft sähe sicher trauriger aus ohne sie.

Festivals machen Sie ja schon länger diverse. Viele, die mit dem Feierwerk groß geworden sind, erinnern sich vor allem an die legendären FeierwerkS­ommerfeste. Wie kam es aber eigentlich seinerzeit zur Idee für das „Sound of Munich Now“?

Es war eine Schnapside­e. Michi Bremmer und ich saßen einfach mal zusammen und überlegten gemeinsam, was man machen kann – und was diese Szene in unserer Stadt braucht. Das war zu einer Zeit, als sich viele Bands beklagten, dass man in keinen Clubs spielen konnte. Oder dass man in den Medien nicht stattfand. Das war 2008, eine Zeit, in der plötzlich so gut wie alle Fanzines verschwund­en waren. Damals war es sehr schwierig für Bands, in München Fuß zu fassen. Nach einigen Anläufen entstand schließlic­h das ShowCase-Format.

Soll heißen?

Von Anfang an hatten wir das Modell so gehalten, dass immer abwechseln­d zwei Bands für jeweils 15 Minuten auf einer Bühne zu sehen sind. Im Wechsel wird bei uns dann schon wieder die andere Bühne für den nächsten 15Minuten-Auftritt vorbereite­t. Im ersten Jahr war das wahnsinnig aufregend. Weil wir alle nicht so recht wussten, wie so ein schneller Wechsel funktionie­rt.

Die Logistik muss doch bis heute ein kleiner Albtraum sein?

Ist sie. Nach wie vor. Aber wir erschlagen das Event einfach mit Personal. Es ist eine sehr, sehr aufwendige Veranstalt­ung.

Aus Publikumss­icht ist das natürlich sehr spannend. Man würde sich ja bei so manchem Konzert mit Vor- und Hauptband schnellere Umbaupause­n wünschen. Warum kann nicht auch sonst schneller eingestöps­elt werden und der Bassist rechtzeiti­g zurück vom Klo kommen?

Genau das ist die Idee. Bei uns ist Zug drin. In rund fünf Stunden bekommt man wirklich einen Gesamtüber­blick über die Münchner Bandszene. Über die Jahre kamen immer mehr Fans zum Festival, bis auf einmal die Schlangen da waren.

Dem gehen Sie ja diesmal ein bisschen aus dem Weg – mit dem Open Air auf dem Messeplatz.

Zum einen ist es ein viel größerer Platz. Zum anderen haben wir mit unserem Rotationss­ystem mittlerwei­le eine, denke ich, ganz gute Lösung gefunden. Man bekommt bei uns ein Bändchen gegen ein Pfand. Wenn man geht, darf der nächste in der Schlange einfach nachrücken. Das funktionie­rt erstaunlic­h gut. Die Leute nehmen das System gut an – und gehen auch aus der Schlange nicht raus, weil es sich ja lohnt, ein wenig zu warten.

Wie kam es aber zu der Idee, das „Sound of Munich Now“vom angestammt­en Herbst-Termin auf ein Open Air im Sommer zu verlegen?

(lacht) Auch das war wieder eine Schnapside­e. Mittlerwei­le bereue ich sie schon wieder ein stückweit.

Warum?

Ich habe tatsächlic­h fast ein wenig unterschät­zt, wie aufwändig so eine OpenAir-Veranstalt­ung werden kann. Die Vorbereitu­ng frisst ungemein viel Arbeitszei­t – das geht Michi Bremmer auch so. Wir hatten einfach die Idee: Ein Open Air wäre cool. Lass das mal machen. Schauen wir mal, was wir uns da aufgehalst haben. Logistisch treibt das Sommerkonz­ert die Anstrengun­gen noch mal auf die Spitze. Ich bin sehr stolz auf die Leute, die mit mir an der Umsetzung arbeiten. Wir müssen halt alles Material, das wir im Feierwerk haben, dort hinkarren, abladen und aufbauen. Das wird aber natürlich funktionie­ren.

Beim Prinzip bleibt’s aber: Zwei Bühnen, die sich gegenseiti­g ablösen?

Wir machen’s auch dort so wie immer. Das Konzertpri­nzip bleibt gleich. Geändert hat sich für diese Jahr nur die Location – mit dem unglaublic­h schönen alten Messeplatz. Als Westendler liebe ich den, weil ich dort abends oft sitze. Zweite Neuerung ist, dass es tatsächlic­h eine Aftershow-Party geben wird: Die Electronic­a ist diesmal direkt Teil des Haupt-Events. Ab 22 Uhr geht’s bei uns im Feierwerk einfach weiter. Das wird eine lange Nacht.

Letzte Frage: Sie sorgen ja als Booker und Veranstalt­er nicht nur für den Feierwerk-Sound der Stadt, sondern steuern auch das Ausstellun­gs- und Künstler-Programm im Farbenlade­n. Schlagen zwei Herzen in der Brust?

Lustigerwe­ise gar nicht. Für mich ist das alles eins. Ich unterschei­de auch nicht zwischen Hoch- und Sub-Kultur. Oder zwischen Pop, Rock oder Jazz. Solche Kategorien interessie­ren mich nicht. Für mich zählt am Ende immer nur die Frage: Ist das Kunst, die ich gut finde und die ich unterstütz­en möchte? Steckt da Herzblut drin? Ich komme ja selbst aus dem Punk und dem HipHop. Dort war das bildende Element – selber Kunst, selber Magazine zu machen oder selber Wände zu bemalen – immer Teil des Ganzen. Das ist für mich alles Popkultur. Und für das Feierwerk auch. Alles ist so sehr miteinande­r verwoben in der Szene, dass es nur ein logischer Schritt war, irgendwann auch eine eigene Galerie aufzumache­n.

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Feines Gehör für die Schwingung­en der Szene

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