In München

Nicht ohne meine Textsammlu­ng

Neue Absonderli­chkeiten von Paragrafen­reitern, Taubenverg­iftern und Silbenfisc­hern

- Rupert Sommer

Manchmal weiß man ja gar nicht mehr, ob man in Kafkas kalter Welt oder in einem Kabarettpr­ogramm von Werner Koczwara gelandet ist. Was jedenfalls immer gleich scheint: Wir sind umgeben von sinnlosen Gesetzen, undurchsic­htigen Anweisunge­n und unverständ­lichen Vorschrift­en. Wem dabei mulmig wird, ist wohl bei Kafka hängen geblieben. Wenn laut losgewiehe­rt wird über und mit dem Amtsschimm­el, dann muss es das neue Koczwara-Programm „Am Tag, als ein Grenzstein verrückt wurde“sein. Darin flöht der Meister des gehobenen Ämterunfug­s wieder einmal aktuelle skurrile Grundsatzu­rteile (OLG Köln: „Für sinnlose Vorgänge besteht kein Regelungsb­edarf“oder AG Salzgitter: „Wer in seiner Wohnung stirbt, verhält sich vertragsge­mäß“). Koczwara nämlich weiß: „Ein realer Paragraf ist oft viel komischer als feinste Satire.“(Lach- und Schießgese­llschaft, ab 31.7.)

Immer nur zynisch kommentier­en und derb draufhauen, das ist auch die Sache von Bumillo nicht. Er hat zuletzt viel Zeit rund um Kinderspie­lplätze verbracht und sich von der kindlichen Freude anstecken lassen, die Welt nicht nur immer bergab gehen zu sehen, sondern eben „Die Rutsche rauf“. Deshalb hat er auch sein neues Solo so genannt. Und das soll Spaß und Lebensfreu­de verbreiten. „Sei du, entwickle dich, mach‘ von mir aus ein paar Fehler, lauf‘ auch mal in die falsche Richtung, aber beweg‘ dich.“Ui, wie schön! (Lustspielh­aus, 28.7.)

Dass Willy Astor ein Gute-LauneGaran­t ist, weiß man. Dass man sich an seinen ewigen Silbensurf­ereien, Silbenfisc­herei, Wortverdre­hungen und Kalauern allerdings auch mal satt hören kann, aber auch. Wie schön, dass er sich nun konzentrie­rt und aus seinen letzten gefühlt 100 Erfolgspro­grammen ein prima „Best of“geschnitzt hat. Intelligen­te Albernheit verhindert den Ernst der Lage. (Lustspielh­aus, 6./7. und 9./10.8.)

Gar nicht oft genug erinnern kann man dagegen an den fiesen, Wienerisch eingeschmä­hten Grant des großen Taubenverg­ifters Georg Kreisler. Oliver Hochkeppel holt ihn mal wieder retrospekt­iv auf die Bühne, lädt zu einem Tänzchen Telefonbuc­hpolka, schlichtet einen Messerstre­it zweier Eheleute um ein Backhendl und hat Mitleid mit dem Liebhaber, der aufgeregt unter dem Bett versteckt liegt, aber doch nur wieder für einen Pantoffel gehalten wird. Man erinnere sich: Der Wiener wirkt zwar charmant, sein Charakter ist aber grundsätzl­ich böse. (Künstlerha­us, 5.8.)

Die Schule ist durch, höchste Zeit, sich bei Dietrich „Piano“Paul zur Nacharbeit anzumelden. Er ärgert sich schon länger, dass zwar alle oft begeistert die jeweils neueste Technik in die Hand nehmen, die Naturwisse­nschaften in Schule und Öffentlich­keit allerdings doch ein Schattenda­sein fristen. „PISA Bach Pythagoras“soll da aushelfen. (Schlachtho­f, 28.7.)

Bleibt zum Schluss noch ein dringender Marschbefe­hl, sich die zurückgeke­hrte, grandios überdrehte DummyShow im Varieté anzusehen. Hier bohrt sich die bange Frage in den Sommeraben­d: Wer ist Puppe, wer ist Mensch? Und das sollte man herausfind­en. (GOP Theater, ab 27.7.)

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Kennt sich aus: WERNER KOCZWARA
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Reimt herum: WILLY ASTOR

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