Nicht ohne meine Textsammlung
Neue Absonderlichkeiten von Paragrafenreitern, Taubenvergiftern und Silbenfischern
Manchmal weiß man ja gar nicht mehr, ob man in Kafkas kalter Welt oder in einem Kabarettprogramm von Werner Koczwara gelandet ist. Was jedenfalls immer gleich scheint: Wir sind umgeben von sinnlosen Gesetzen, undurchsichtigen Anweisungen und unverständlichen Vorschriften. Wem dabei mulmig wird, ist wohl bei Kafka hängen geblieben. Wenn laut losgewiehert wird über und mit dem Amtsschimmel, dann muss es das neue Koczwara-Programm „Am Tag, als ein Grenzstein verrückt wurde“sein. Darin flöht der Meister des gehobenen Ämterunfugs wieder einmal aktuelle skurrile Grundsatzurteile (OLG Köln: „Für sinnlose Vorgänge besteht kein Regelungsbedarf“oder AG Salzgitter: „Wer in seiner Wohnung stirbt, verhält sich vertragsgemäß“). Koczwara nämlich weiß: „Ein realer Paragraf ist oft viel komischer als feinste Satire.“(Lach- und Schießgesellschaft, ab 31.7.)
Immer nur zynisch kommentieren und derb draufhauen, das ist auch die Sache von Bumillo nicht. Er hat zuletzt viel Zeit rund um Kinderspielplätze verbracht und sich von der kindlichen Freude anstecken lassen, die Welt nicht nur immer bergab gehen zu sehen, sondern eben „Die Rutsche rauf“. Deshalb hat er auch sein neues Solo so genannt. Und das soll Spaß und Lebensfreude verbreiten. „Sei du, entwickle dich, mach‘ von mir aus ein paar Fehler, lauf‘ auch mal in die falsche Richtung, aber beweg‘ dich.“Ui, wie schön! (Lustspielhaus, 28.7.)
Dass Willy Astor ein Gute-LauneGarant ist, weiß man. Dass man sich an seinen ewigen Silbensurfereien, Silbenfischerei, Wortverdrehungen und Kalauern allerdings auch mal satt hören kann, aber auch. Wie schön, dass er sich nun konzentriert und aus seinen letzten gefühlt 100 Erfolgsprogrammen ein prima „Best of“geschnitzt hat. Intelligente Albernheit verhindert den Ernst der Lage. (Lustspielhaus, 6./7. und 9./10.8.)
Gar nicht oft genug erinnern kann man dagegen an den fiesen, Wienerisch eingeschmähten Grant des großen Taubenvergifters Georg Kreisler. Oliver Hochkeppel holt ihn mal wieder retrospektiv auf die Bühne, lädt zu einem Tänzchen Telefonbuchpolka, schlichtet einen Messerstreit zweier Eheleute um ein Backhendl und hat Mitleid mit dem Liebhaber, der aufgeregt unter dem Bett versteckt liegt, aber doch nur wieder für einen Pantoffel gehalten wird. Man erinnere sich: Der Wiener wirkt zwar charmant, sein Charakter ist aber grundsätzlich böse. (Künstlerhaus, 5.8.)
Die Schule ist durch, höchste Zeit, sich bei Dietrich „Piano“Paul zur Nacharbeit anzumelden. Er ärgert sich schon länger, dass zwar alle oft begeistert die jeweils neueste Technik in die Hand nehmen, die Naturwissenschaften in Schule und Öffentlichkeit allerdings doch ein Schattendasein fristen. „PISA Bach Pythagoras“soll da aushelfen. (Schlachthof, 28.7.)
Bleibt zum Schluss noch ein dringender Marschbefehl, sich die zurückgekehrte, grandios überdrehte DummyShow im Varieté anzusehen. Hier bohrt sich die bange Frage in den Sommerabend: Wer ist Puppe, wer ist Mensch? Und das sollte man herausfinden. (GOP Theater, ab 27.7.)