Feste feurig feiern
Tänzerisch-Beschwingtes im Kulturkraftwerk, im Wald, im Schützengraben und im Varieté
Keine Sorge. Das Muffatwerk ist zwar jetzt auch schon sein erstes Vierteljahrhundert alt, aber selbstverständlich aus der Stadt nicht mehr wegzudenken. Und das Grand Finale ist natürlich Etikettenschwindel. Die Muffatfestspiele sind nämlich auch noch längst nicht Geschichte. Den Titel, der Torschlusspanik auslösen könnte, hat sich Hofesh Shechter ausgedacht. Er ist einer der aufregendsten zeitgenössischen Choreografen, der einen eigenwilligen Weg vom ehemaligen Batsheva-Tänzer und ausgebildeten Schlagzeuger hin zum Komponisten in eigener Sache und Star auf den führenden Avantgarde-Bühnen hingelegt hat. Er spielt damit auf das vielbeschworene Ende der Geschichte an, das – wie man leider weiß – ebenfalls noch nicht eingetreten ist. Auf einer schwarzen Bühne hetzt der mittlerweile 43-Jährige seine Tänzer mit entschlossener Schlussspurtkraft aufeinander los, türmt sie übereinander auf und spielt makaber auf Leichenberge an. Zombies, ferngesteuerte Menschenmassen, entfesselte Kraftkörper: Und trotzdem ein großes, überwältigendes Vergnügen. (Muffathalle, 6./7.9.)
Ebenfalls ein Stargast der Festspiele ist die 1955 in Johannesburg geborene Künstlerin Robyn Orlin, die mit ihren Arbeiten gerne Finger in Wunden legt und die Gesellschaft mit ihren eigenen Widersprüchen konfrontiert. And so you see … stellt sich der bangen Frage, wo Südafrika heute – 20 Jahre nach dem offiziellen Ende der Apartheid – steht. Genauer nachgebohrt: Wo sollte das Land heute stehen und was ist schon wieder alles schief gelaufen? Es wird ein monströses Solo, das sich allen Erwartungen trotzig entgegenstemmt. (Muffathalle, 11./12.9.)
Schön was zu feiern gibt’s dieser Tage auch am Max-II-Denkmal, gar nicht so viele Tanzsprünge vom Muffatwerk entfernt: Zwar sind es erst zehn Jahre, seit die deutschlandweit erfolgreiche GOP-Varieté-Gruppe auch im Ex-Komödien-Theater in der Maximilianstraße ein schmuckes Münchner Haus eröffnet hat. Allerdings wirkt hier vieles immer noch so frisch und funkelnd, dass man eigentlich gar nicht glauben mag, dass es doch schon wieder ein eigenes Jahrzehnt ist. 10 Jahre GOP München bringt das Beste zusammen, was die Theater-, Kabarett- und Artistik-Zampanos dort auf die Bretter schicken – kombiniert mit einem augenzwinkernden Rückblick. Und natürlich dürfen Highlights der laufenden „Dummy“-Show nicht fehlen, die Kenner zu den temporeichsten, aber auch poetischsten GOP-Produktionen zählen. (GOP Theater, 4.9.)
Hurra! ist ein Schlachtruf, der in aller Unschuld zum Jubiläum beider Häuser passen könnte. Doch Moritz Ostruschnjak spielt auf Düsteres an: Er erzählt von der fiebrigen Anspannung, mit der sich 1914 eine ganze Generation ins Kriegsgetümmel stürzte – angetrieben nicht nur vom GroßmächteWahn, sondern auch von Technikbessenheit und Geschwindigkeitsrausch. Krieg, Köpergewimmel und ein pervers-ekstatisches Gemeinschaftsgewühl. (Schwere Reiter, 13. bis 15.9.)
Wie aus der Zeit gefallen wirkt dagegen das Drama, das sich auf einem abgelegenen russischen Landgut in tiefster Provinz abspielt: Eine verwitwete Aristokratin meint hier so etwas wie einen zweiten Frühling zu erleben. Sie hat sich unsterblich in einen verkrachten Gymnasiasten verliebt. Mit dem Ziel, ihn durch Geschenke dauerhaft an sich zu binden, überschreibt sie ihm leichtsinnig immer mehr Reichtümer. Eines Tages ist Der Wald weg. Ein teuflisches Spekulationsspiel – im Freien, im Wald natürlich. (Amphitheater im nördlichen E-Garten, ab 1.9.)
Zurück in der, nun ja, Jetztzeit: Auch in der deutschen gottverlassenen Provinz werden Lebenspartner händeringend gesucht. Das weiß nicht nur Inka Bause. Landeier – Bauern suchen Frauen arbeitet sich an den Lebensnöten der Junglandwirte Jan, Jens und Richard ab. Sie führen als Single wider Willen ein einsames Leben im Schatten der Misthaufen. Wie nur kann man Großstadtfrauen aufs platte Land locken? Mit Kontaktanzeigen? Über eine Partnervermittlung mit oder ohne Niveau? Oder eben doch über ein Scheunenfest samt Junggesellenversteigerung? (Komödie im Bayerischen Hof, ab 12.9.)