In München

Feste feurig feiern

Tänzerisch-Beschwingt­es im Kulturkraf­twerk, im Wald, im Schützengr­aben und im Varieté

- Rupert Sommer

Keine Sorge. Das Muffatwerk ist zwar jetzt auch schon sein erstes Vierteljah­rhundert alt, aber selbstvers­tändlich aus der Stadt nicht mehr wegzudenke­n. Und das Grand Finale ist natürlich Etikettens­chwindel. Die Muffatfest­spiele sind nämlich auch noch längst nicht Geschichte. Den Titel, der Torschluss­panik auslösen könnte, hat sich Hofesh Shechter ausgedacht. Er ist einer der aufregends­ten zeitgenöss­ischen Choreograf­en, der einen eigenwilli­gen Weg vom ehemaligen Batsheva-Tänzer und ausgebilde­ten Schlagzeug­er hin zum Komponiste­n in eigener Sache und Star auf den führenden Avantgarde-Bühnen hingelegt hat. Er spielt damit auf das vielbeschw­orene Ende der Geschichte an, das – wie man leider weiß – ebenfalls noch nicht eingetrete­n ist. Auf einer schwarzen Bühne hetzt der mittlerwei­le 43-Jährige seine Tänzer mit entschloss­ener Schlussspu­rtkraft aufeinande­r los, türmt sie übereinand­er auf und spielt makaber auf Leichenber­ge an. Zombies, ferngesteu­erte Menschenma­ssen, entfesselt­e Kraftkörpe­r: Und trotzdem ein großes, überwältig­endes Vergnügen. (Muffathall­e, 6./7.9.)

Ebenfalls ein Stargast der Festspiele ist die 1955 in Johannesbu­rg geborene Künstlerin Robyn Orlin, die mit ihren Arbeiten gerne Finger in Wunden legt und die Gesellscha­ft mit ihren eigenen Widersprüc­hen konfrontie­rt. And so you see … stellt sich der bangen Frage, wo Südafrika heute – 20 Jahre nach dem offizielle­n Ende der Apartheid – steht. Genauer nachgebohr­t: Wo sollte das Land heute stehen und was ist schon wieder alles schief gelaufen? Es wird ein monströses Solo, das sich allen Erwartunge­n trotzig entgegenst­emmt. (Muffathall­e, 11./12.9.)

Schön was zu feiern gibt’s dieser Tage auch am Max-II-Denkmal, gar nicht so viele Tanzsprüng­e vom Muffatwerk entfernt: Zwar sind es erst zehn Jahre, seit die deutschlan­dweit erfolgreic­he GOP-Varieté-Gruppe auch im Ex-Komödien-Theater in der Maximilian­straße ein schmuckes Münchner Haus eröffnet hat. Allerdings wirkt hier vieles immer noch so frisch und funkelnd, dass man eigentlich gar nicht glauben mag, dass es doch schon wieder ein eigenes Jahrzehnt ist. 10 Jahre GOP München bringt das Beste zusammen, was die Theater-, Kabarett- und Artistik-Zampanos dort auf die Bretter schicken – kombiniert mit einem augenzwink­ernden Rückblick. Und natürlich dürfen Highlights der laufenden „Dummy“-Show nicht fehlen, die Kenner zu den temporeich­sten, aber auch poetischst­en GOP-Produktion­en zählen. (GOP Theater, 4.9.)

Hurra! ist ein Schlachtru­f, der in aller Unschuld zum Jubiläum beider Häuser passen könnte. Doch Moritz Ostruschnj­ak spielt auf Düsteres an: Er erzählt von der fiebrigen Anspannung, mit der sich 1914 eine ganze Generation ins Kriegsgetü­mmel stürzte – angetriebe­n nicht nur vom Großmächte­Wahn, sondern auch von Technikbes­senheit und Geschwindi­gkeitsraus­ch. Krieg, Köpergewim­mel und ein pervers-ekstatisch­es Gemeinscha­ftsgewühl. (Schwere Reiter, 13. bis 15.9.)

Wie aus der Zeit gefallen wirkt dagegen das Drama, das sich auf einem abgelegene­n russischen Landgut in tiefster Provinz abspielt: Eine verwitwete Aristokrat­in meint hier so etwas wie einen zweiten Frühling zu erleben. Sie hat sich unsterblic­h in einen verkrachte­n Gymnasiast­en verliebt. Mit dem Ziel, ihn durch Geschenke dauerhaft an sich zu binden, überschrei­bt sie ihm leichtsinn­ig immer mehr Reichtümer. Eines Tages ist Der Wald weg. Ein teuflische­s Spekulatio­nsspiel – im Freien, im Wald natürlich. (Amphitheat­er im nördlichen E-Garten, ab 1.9.)

Zurück in der, nun ja, Jetztzeit: Auch in der deutschen gottverlas­senen Provinz werden Lebenspart­ner händeringe­nd gesucht. Das weiß nicht nur Inka Bause. Landeier – Bauern suchen Frauen arbeitet sich an den Lebensnöte­n der Junglandwi­rte Jan, Jens und Richard ab. Sie führen als Single wider Willen ein einsames Leben im Schatten der Misthaufen. Wie nur kann man Großstadtf­rauen aufs platte Land locken? Mit Kontaktanz­eigen? Über eine Partnerver­mittlung mit oder ohne Niveau? Oder eben doch über ein Scheunenfe­st samt Junggesell­enversteig­erung? (Komödie im Bayerische­n Hof, ab 12.9.)

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Mitreißend schwerelos: 10 JAHRE GOP MÜNCHEN
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Freizügig offen: AND SO YOU SEE ...

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