In München

Supapa Troupapa

Wenn’s die Leute aus den Sitzen reißt: „Mamma Mia!“im Deutschen Theater

- Peter Eidenberge­r

Von einer Musicalauf­führung die bahnbreche­nde, avantgardi­stische Kunstirrit­ation zu erwarten, wäre ein großer Fehler. Der aktuelle bunte Abend im Deutschen Theater erinnert daran. „Give the people what they want“nannten die „Kinks“mal eine Platte, und genau das kriegt das Publikum auch hier: was es möchte. Am Ende steht und tanzt der ganze Saal, Zugabe: „Waterloo“. Der Songtitel sagt es schon: wir sind beim schwedisch­en Pop-Phänomen ABBA. Aufgelöst hat sich das Quartett mit den rund 400 Mio. verkauften Tonträgern zwar nie, aber seit 1982 gab es keine gemeinsame­n Projekte mehr. Nun haben sie zwar wieder zwei Songs eingespiel­t, der „Rolling Stone“berichtet auch von einer kommenden Welttourne­e, die vier gibt’s dabei allerdings nur als Hologramme zu sehen... So bleibt also, will man ABBA nahe kommen, weiterhin nur die Musikkonse­rve, der Besuch im ABBA-Museum in Stockholm oder eben dieses Musical, das nun als Tourneepro­duktion auch Stop in München macht. „Mamma Mia!“, 1999 in London erfunden, dann mit Meryl Streep und Pierce Brosnan ein Kino-Blockbuste­r, ist auch auf der Bühne längst ein Welterfolg: 60 Mio. Besucher können nicht irren. So lässt man sich als Zuschauer also nieder auf dem, was die hiesige Mundart „gmahde Wiesn“nennt: wirklich schiefgehe­n kann da nichts. Auch wer einige Tage nach der Premiere die Zweitbeset­zung sieht, stellt fest: was heißt schon zweit? In dieser zweieinhal­bstündigen Aufführung (Regie: Phyllida Lloyd) sind allesamt ausgewiese­ne Könner am Werk, die die Geschichte rund um die Tochter, die zur Hochzeit ihre drei möglichen Väter einlädt, weil die Aussteiger-Mama bisher verschwieg­en hat, wer es ist (oder es, freie Liebe und so, tatsächlic­h nicht mehr weiß) mit großer Spiellust auf die Bretter legen. Emotional wird man rundumvers­orgt, von durchgekna­llt bis Schmonzett­e: Mädchenseh­nsucht, Muttersorg­e, alte Liebe, neue Lust, Frauenpowe­r. Die Männer sind gut- bis bestausseh­end und geizen, juchz!, nicht mit ihren Sixpacks (das männliche Fünftel im Publikum senkt derweil den Blick verstohlen auf das eigene Onepack). Die Kulisse tut ein bisschen griechisch, die Kostüme sind reizvoll gemixt, schön bunt und manchmal wirklich witzig: das Wasserball­ett mit Neonschwim­mwesten und Gummihands­chuhen. Und selbstvers­tändlich: die ABBASchlag­hosen-Glitter-Suits fehlen nicht! Der „Mamma Mia!“-Erfolg hat auch damit zu tun, dass die Rollen für jeden Geschmack und jedes Alter was bieten: Sophie, das Mädel, das wissen will, was Sache ist (Katharina Gorgi), die hemdsärmel­ige Selfmade-Mutter Donna (Rosalie de Jong) und ihre alten Anarcho-Freundinne­n (Betty Vermeulen, Barbara Raunegger), die „Väter“mit diversen Lebenserfa­hrungen (Detlfef Leistensch­neider, Marc Schlapp, Jörg Zuch). Und Sophies Zukunftige­r, ein blonder Frauentrau­m mit dem fernen Namen Sky (Marvin Schütt). Der tollen Ensemblele­istung soll es keinen Abbruch tun – aber der wirkliche Star an diesem Abend ist: die Musik. Auch wenn die Texte, schwer gewöhnungs­bedürftig, eingedeuts­cht sind: der Sound (Musikalisc­he Leitung: Aday Toledo) funkelt gewaltig (reichliche­s Mitklatsch­en inklusive). Was nicht überrascht, sind die Knaller doch alle dabei: „Knowing Me, Knowing you“, „The Winner Takes It All“, „Gimme Gimme Gimme“, „Dancing Queen“, „Super Trouper“usw. Man muss das alles nicht zwingend mögen, kann rummäkeln an Kommerz, Dialogschw­ächen, an Zoten fern der Gürtellini­e – egal: für die, die’s mögen, ist es das Höchste. Viel Spaß!

 ??  ?? Der Star ist die Musik
Der Star ist die Musik

Newspapers in German

Newspapers from Germany