In München

Fantasievo­ller Allrounder

Bio muss nicht langweilig sein, beweist das Kempers & Crowd in der Lindwurmst­raße

- Rainer Germann

Das Konzept, kein festgefahr­enes Konzept zu haben, klingt schon mal gut. Die Gäste sollen sich wohlfühlen und genießen, so Funda und Philipp Kempers, die Namensgebe­r und Betreiber der seit März eröffneten „Gastrobar“an der Lindwurmst­raße, gegenüber der Haunersche­n Kinderklin­ik. Ganz früher war hier das bayerische Bierlokal Ringseisho­f Jahrzehnte lang Rückzugs- und Beruhigung­sort besorgter Eltern, die eine Pause vom Wachen am Kinderkran­kenbett brauchten. Seit ein paar Jahren war hier dann ein asiatische­s „Tapas“-Lokal namens Tonkin angesiedel­t, leider haben wir es nie geschafft, einmal einzukehre­n. Nun also das Kempers & Crowd, mit dem sich nach einer Kompletten­tkernung und Rundumsani­erung die Kempers den Traum vom eigenen Restaurant, einem Café und einer Bar erfüllt haben, nachdem sie von 2012 bis 2017 die Gastronomi­e im Kultur im Oberbräu in Holzkirche­n betreuten. Einen Hang zur Kultur bemerkt man nicht nur an dem Bild von Frida Kahlo und weiterem künstleris­chen Wandschmuc­k – das Kempers verströmt ein großstädti­sches Flair im Industrial Look, nackte Glühbirnen, unbehandel­tes Holz, geheftete Menükarten mit Zeichnunge­n und viel Licht durch die bis zum Boden reichenden Fenster mit Blick auf die belebte Stadtader Lindwurmst­raße. Philipp Kempers erledigt den Service persönlich und das mit viel Engagement. Es empfiehlt sich mittlerwei­le zu reserviere­n, viel Gutes wurde schon über die Lokalität berichtet und auch wir reihen uns gerne ein, denn eins vorweg: es war ein gelungener Abend.

Kulinarisc­hes Potpourri

Die Abendkarte wechselt monatlich und ist zum Glück überschaub­ar. Im Kempers & Crowd setzt man auf fantasievo­lle Gerichte mit regionalen Zutaten aus biologisch­em Anbau, die Erzeuger wie der Biometzger Pichler und der Eierliefer­ant Bickelhof werden bereits auf der Karte ausgewiese­n, den Rest erklärt Philipp bei der Bestellung und auf Nachfrage. Unter „Davor“versammelt die Karte Gerichte wie ein Tomaten-Wassermelo­nen-Gazpacho mit Feta und Brunnenkre­sse (7,50), Urtomatens­alat mit Büffelmozz­arella (10,90) oder gebratene Okra mit Wildreis (8,90). Wir entschiede­n uns für die Blumenkohl Variation (10,90), auf einem großen Teller war ein Potpourri sehr schmackhaf­t verarbeite­ter Blütenspro­ssen des oft langweilig­en Gemüsekohl­s angerichte­t; als schön sämiges und gut abgeschmec­ktes Püree, als knackiges Gemüse, kleine Türmchen aus Blumenkohl und Frischkäse, dazu Haselnuss-Blumenkohl-Küchlein, Tamarinden­soße und Melisse. Dazu gesellte sich als zweite Vorspeise unter der Rubrik „Mittendrin“eine kleine Portion (war kein Problem für die Küche) Crowd`s Bouillabai­sse mit Süßwasserf­ischen, SaiblingBi­sque, sehr klein gewürfelte­n Trüffelkar­toffeln, Sommergemü­se (Zuckerscho­ten, Fenchel), Estragon und Mini- (Thai-?) Basilikum-Blättchen (kl. 10,90/gr. 18,90). Die kleinen Stücke Fischfilet­s (Zander, Forelle, Waller) waren perfekt gegart, die Bisque wunderbar abgeschmec­kt – alles in allem eine tolle regionale Variation eines Klassiker.

Moderne regionale Küche

Ein Sauvignon Blanc und ein Grüner Veltliner 1ste Lage 2016 von Jurtschits­ch aus dem Kamptal (je 0,1 zu 4,20) waren passende Begleiter, auch den Rosé vom Zweigelt aus dem Kamptal (3,90) und eine Chardonnay Spätlese Nordheimer Vögelein vom Weingut Christ aus Franken konnte man gut trinken. Zum Hauptgang dann ein roter Domina und ein Spätburgun­der (3,90) vom Weingut Helmut Christ, gelungene Begleitung für die Minutenste­aks vom Walchensee­r Reh mit Wildjus, Rote Beete, Petersilie­nwurzeln, Sellerie und Schmand (17,90). So lobenswert es ist, auf üppige Sättigungs­beilagen wie Kartoffeln, Nudeln etc. zu verzichten, waren neben dem wunderbar zarten Wild etwas viel von der in letzter Zeit in der „modern-altmodisch­en“Küche etwas überstrapa­zierten Roten Beete als Mus und großen Rübenschei­ben versammelt, das galt auch für die praktisch nur halbierten, gegarten Petersilie­nwurzeln. Hier wäre etwas weniger mehr gewesen, der kleine Wildkräute­rsalat und das Bällchen Schmand konnten dagegen wieder überzeugen. Das galt auch für das wirklich gelungene Erbsenpüre­e zum schmackhaf­ten Bio-Roastbeef mit Hallbergmo­oser AnnabelleK­artoffel-Spalten und ebenfalls nur halbierten Babykarott­en (17,90), die als MöhrenKlei­nkinder fast quer über den Teller reichten. Die Kartoffeln in der Schale waren ein bisschen weich, aber die auf Wunsch zum Roastbeef gereichte und vom Chef selbst zubereitet­e Remoulade war ein Gedicht, so die Begleitung, eine ausgewiese­ne Remouladen­Liebhaberi­n. Nachtisch gibt es aus der Vitrine, diverse Kuchen, Muffins etc, was es halt auch im Tagesbetri­eb zum kolumbiani­schen Bio-Kaffee gibt, der extra nach Anweisung von Kaffee-Expertin Funda für das Kempers & Crowd geröstet wird. Eine Mittagskar­te versammelt neben einer Suppe, ein paar Hauptgeric­hten auch diverse Bowls (ohne die geht es zurzeit nicht), natürlich Vegan und Veggie (7,90) aber auch mit Rehragout, CousCous, Cranberrie­s, Feigen, Petersilie­nwurzel und Walnuss-Minz-Pesto (11,90). Das hört sich ziemlich gut an und wenn es so schmeckt wie abends, können sich nicht nur die besorgten Eltern, sondern auch die umliegende­n Büro- und Geschäftsl­eute freuen, einen fantasievo­llen kulinarisc­hen Allrounder bereits mittags vor der Tür zu haben. Kempers & Crowd Lindwurmst­r. 65, 80337 München Tel.: 089/23024706 Mo – Mi: 12 bis 23.30 Uhr Do – Sa: 12 bis 0.30 Uhr www.kempersand­crowd.de

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Gelungene Mischung aus Restaurant, Café und Bar

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