Träumerische Petitesse
Ein alter Bekannter im Hofspielhaus: „Der kleine Prinz“
75 Jahre lang gibt es sie nun schon, diese Figur, die sich der französische Flieger und Autor Antoine de SaintExupéry ausgedacht hat. Und wohl genauso lang macht auch dieser eine Satz daraus die Runde: „Man sieht nur mit dem Herzen gut, das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar.“Ein Satz, den die einen nicht mehr hören können, weil er zu Tode zitiert und so banalisiert wurde, für andere aber ist er immer noch liebenswerte Weisheit und löst vor allem positiv besetzte Erinnerungen aus an ein modernes Märchen, das fast alle irgendwann mal gelesen haben – die Bemerkungen im Publikum, die so rund um einen aufpoppen, lassen den Schluß zu. Manche mögen aber auch einfach nur das Hofspielhaus. Das liegt zwar immer noch versteckt zwischen Staatsoper und Platzl, hat sich aber in den nun schon drei Jahren seines Bestehens längst eine treue Gemeinde erspielt. Und so sitzen also an diesem Freiluftabend im Hinterhof, gemutmaßt, wohl nur Fans: solche des kleinen Theaters und die des „kleinen Prinzen“. In diesem Hof ist es noch etwas enger als im Keller, wo sonst gespielt wird, man ist nah dran, sowohl am Oberschenkel des neben einem Sitzenden wie an der Bühne. Die klein ist und doch riesig genug, um Platz zu bieten für die Geschichte von dem seltsamen Männeken, das seinen Planeten verlässt, auf der Suche nach Antworten und Werten und Freunden ein paar weitere Planeten bereist und schließlich auf der Erde inmitten einer Wüste auf einen abgestürzten Piloten trifft. In zig Sprachen und Dialekte übersetzt – die Zahlen schwanken stark, mal sind es 180, mal 350 –, gehört das Buch auf jeden Fall zu den meistgelesenen auf der Welt, und so liegt die Spannung an dieser nur eine gute Stunde dauernden Aufführung (ohne die Pause gerechnet) weniger auf der Geschichte an sich, die kennt man. Nein, die Umsetzung macht neugierig, schon allein deshalb, weil die Mittel, räumlich wie pekuniär, in einem kleinen Theater wie diesem immer begrenzt sind. Für diesen Abend haben sie einen Beamer gesponsert bekommen, und der lässt nicht nur die Sterne des Universums vor unseren Augen blinken, sondern noch ein paar sehr spezielle Stars – die unterschiedlichen Meinungsvertreter, die der Prinz trifft: Christine Blumhoff, Veronika von Quast, Gerd Lohmeyer und Stefan Murr tauchen übergroß in Videos auf. Der kleine Prinz wirkt dann noch kleiner, wenn er zu ihnen aufblickt und spricht. Dabei ist sein Darsteller ein ganz ein großer, wenn es darum geht, in diese Rolle zu schlüpfen. In einem langen Offiziersmantel steckend schmiegt sich Ferdinand SchmidtModrow in dieses Märchenwesen hinein, macht einen neugierigen Forscher nach Grundfragen des Daseins und der Moral aus ihm: naives Kind mit großen Augen, faszinierter Dauerfrager, melancholischer Sänger zur Ukulele. Martin Halm, eine Generation älter, spielt das sehr virile alter ego des Autors, den abgestürzten Piloten im Lederjacket: einer der zupackt und Lösungen findet, schließlich muss er sein kaputtes (Modellbau-)Flugzeug reparieren. Und der sich doch dem Zauber des Prinzen nicht entziehen kann. Regisseur Sascha Fersch komponiert nicht nur ein paar ganz nette Songs, sondern formt überlegt aus den medialen Zutaten und der Präsenz von zwei TV- und theatererfahrenen Darstellern eine träumerische, ja anrührende Petitesse. Am Ende: begeisterter Jubel, der wohl noch auf dem Planeten zu hören war, von dem der kleine Prinz stammt. Auch wenn er wieder nicht erzählt hat, welcher das genau ist ...