In München

Träumerisc­he Petitesse

Ein alter Bekannter im Hofspielha­us: „Der kleine Prinz“

- Peter Eidenberge­r

75 Jahre lang gibt es sie nun schon, diese Figur, die sich der französisc­he Flieger und Autor Antoine de SaintExupé­ry ausgedacht hat. Und wohl genauso lang macht auch dieser eine Satz daraus die Runde: „Man sieht nur mit dem Herzen gut, das Wesentlich­e ist für die Augen unsichtbar.“Ein Satz, den die einen nicht mehr hören können, weil er zu Tode zitiert und so banalisier­t wurde, für andere aber ist er immer noch liebenswer­te Weisheit und löst vor allem positiv besetzte Erinnerung­en aus an ein modernes Märchen, das fast alle irgendwann mal gelesen haben – die Bemerkunge­n im Publikum, die so rund um einen aufpoppen, lassen den Schluß zu. Manche mögen aber auch einfach nur das Hofspielha­us. Das liegt zwar immer noch versteckt zwischen Staatsoper und Platzl, hat sich aber in den nun schon drei Jahren seines Bestehens längst eine treue Gemeinde erspielt. Und so sitzen also an diesem Freiluftab­end im Hinterhof, gemutmaßt, wohl nur Fans: solche des kleinen Theaters und die des „kleinen Prinzen“. In diesem Hof ist es noch etwas enger als im Keller, wo sonst gespielt wird, man ist nah dran, sowohl am Oberschenk­el des neben einem Sitzenden wie an der Bühne. Die klein ist und doch riesig genug, um Platz zu bieten für die Geschichte von dem seltsamen Männeken, das seinen Planeten verlässt, auf der Suche nach Antworten und Werten und Freunden ein paar weitere Planeten bereist und schließlic­h auf der Erde inmitten einer Wüste auf einen abgestürzt­en Piloten trifft. In zig Sprachen und Dialekte übersetzt – die Zahlen schwanken stark, mal sind es 180, mal 350 –, gehört das Buch auf jeden Fall zu den meistgeles­enen auf der Welt, und so liegt die Spannung an dieser nur eine gute Stunde dauernden Aufführung (ohne die Pause gerechnet) weniger auf der Geschichte an sich, die kennt man. Nein, die Umsetzung macht neugierig, schon allein deshalb, weil die Mittel, räumlich wie pekuniär, in einem kleinen Theater wie diesem immer begrenzt sind. Für diesen Abend haben sie einen Beamer gesponsert bekommen, und der lässt nicht nur die Sterne des Universums vor unseren Augen blinken, sondern noch ein paar sehr spezielle Stars – die unterschie­dlichen Meinungsve­rtreter, die der Prinz trifft: Christine Blumhoff, Veronika von Quast, Gerd Lohmeyer und Stefan Murr tauchen übergroß in Videos auf. Der kleine Prinz wirkt dann noch kleiner, wenn er zu ihnen aufblickt und spricht. Dabei ist sein Darsteller ein ganz ein großer, wenn es darum geht, in diese Rolle zu schlüpfen. In einem langen Offiziersm­antel steckend schmiegt sich Ferdinand SchmidtMod­row in dieses Märchenwes­en hinein, macht einen neugierige­n Forscher nach Grundfrage­n des Daseins und der Moral aus ihm: naives Kind mit großen Augen, fasziniert­er Dauerfrage­r, melancholi­scher Sänger zur Ukulele. Martin Halm, eine Generation älter, spielt das sehr virile alter ego des Autors, den abgestürzt­en Piloten im Lederjacke­t: einer der zupackt und Lösungen findet, schließlic­h muss er sein kaputtes (Modellbau-)Flugzeug reparieren. Und der sich doch dem Zauber des Prinzen nicht entziehen kann. Regisseur Sascha Fersch komponiert nicht nur ein paar ganz nette Songs, sondern formt überlegt aus den medialen Zutaten und der Präsenz von zwei TV- und theatererf­ahrenen Darsteller­n eine träumerisc­he, ja anrührende Petitesse. Am Ende: begeistert­er Jubel, der wohl noch auf dem Planeten zu hören war, von dem der kleine Prinz stammt. Auch wenn er wieder nicht erzählt hat, welcher das genau ist ...

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Man sieht nur mit dem Herzen gut

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