André Georgi
Die letzte Terroristin
(Suhrkamp)
‘91. E-Bay gibt’s noch nicht, Startpreis 1 € (oder 1 DM) sehr wohl. Die Treuhand (THA) verscherbelt das Zonen-Inventar und sammelt bei den Ossis eifrig Rage-Button-Klicks. Durch den Mauerbreak aus der Chillzone gemobbt, sieht die RAF Aktionsbedarf. In dieses Set-up knallt André Georgi (Tribunal) seine geniestreichelnde fiktionale Variante des Rohwedder-Attentats, eine präzise gesellschaftspolitische Analyse statt provokanter Verschwörungstheorie zu einem offenen Fall. Gegenspieler sind ein beruflich wie privat arg zerzauster BKA-Schnüffler und das dritte Upgrade der RAF – dazwischen Dahlmann, Topseller für Ossifirmen und Topanschlagsfavorit. Georgi pflegt einen sympathischen Abstand zu seinen Figuren. Gut und böse? Zero. Es geht um Menschen, ihre Entscheidungen, wie sie diese rechtfertigen und was sie damit auslösen. Gegen Ende schreibt Georgi eine unheimlich intime Szene: Die Mutter eines RAF-Members besucht die Witwe eines AnschlagOpfers. Gefesselt von einer Zwangsjacke aus Schuldgefühlen und Sprachlosigkeit, beginnt sie zu weinen, geht schließlich, wortlos, hilflos wie der letzte Mensch auf Erden, begleitet von den Worten der Tochter: „Bitte kommen Sie nicht wieder. Wir haben nicht die Kraft, Sie zu trösten.“