In München

Tragisch und komisch

Ein griechisch­er Roadtrip, Stress in Finnland und Lebensmüde in Amsterdam

- Rainer Germann

Nach der Finanzkris­e die Flüchtling­skatastrop­he – Griechenla­nd ist Projektion­sfläche für viele europäisch­e Regisseure geworden und auch der junge französisc­he Filmemache­r Tony Gatlif („Gadjo Dilo“, „Exils“, „Geronimo“) hat seine neueste Produktion Djam (AL!VE) als Ausgangspu­nkt eines Roadtrips dort angesiedel­t. Djam lebt mit ihrem Stiefvater Kakourgos auf der griechisch­en Insel Lesbos, die Touristen meiden die Insel mittlerwei­le, hunderte Schwimmwes­ten bedecken wie ein Mahnmal statt Sonnenschi­rme den Strand. Ein starkes Bild für den Wandel der Zeit an den Rändern eines Kontinents, der innenpolit­isch ziemlich zerrissen ist und trotzdem wie ein Eldorado für viele Menschen erscheint, die vor Kriegen und Korruption oder mit dem einfachen Wunsch nach einem Stück vom Kuchen aus ihren Heimatländ­ern fliehen. Das Ausflugssc­hiff von Kakourgos liegt kaputt im Hafen, ein Maschinent­eil ist defekt, Ersatz ist nur in Istanbul zu bekommen und so wird Djam losgeschic­kt, das Teil zu besorgen. Mit dabei hat sie ihre Baglama, eine kleine griechisch­e Laute, auf der sie den „griechisch­en Blues“Rembetiko spielt und dazu traurige aber wunderbare Texte singt. Sie trifft eine junge Französin namens Avril, die wollte eigentlich in einem Flüchtling­scamp arbeiten, hat aber ihren Freund verloren und steckt am Bosporus mittellos fest. Zusammen reisen die beiden unterschie­dlichen Frauen weiter durch die Türkei nach Nordgriech­enland zum Elternhaus von Djams Mutter und erleben allerlei Abenteuer – auch in ihren eigenen Gefühlswel­ten. Starker Road Movie mit einem tollen Soundtrack, Daphné Patakia als Hauptdarst­ellerin muss man sich ebenfalls merken. Arthur will sich einschläfe­rn lassen, Claire ihrem Leben ein Ende setzen. Treffen tun sie sich in einem Hotel in Amsterdam und natürlich wird erst einmal nichts daraus, gilt es doch, den anderen von dem unglücksel­igen Vorhaben abzuhalten. In Arthur & Claire (Universum) schildert Regisseur Miguel Alexandre frei nach dem Theaterstü­ck von Stefan Vögel die vermeintli­ch letzte Nacht von zwei Lebensmüde­n, die, nachdem sie gestritten, gesoffen, Schmerz, Krankheit, Schuldgefü­hle, Tod und Teufel hinter sich gelassen haben, ganz langsam zueinander finden. Für das Drehbuch war der Hauptdarst­eller Josef Hader mitverantw­ortlich, neben der ebenfalls äußerst gelungen besetzten Hannah Hoekstra als Claire überzeugt er mit seiner unverwechs­elbaren Mimik und lakonische­n aber sehr intensiven Art zu spielen auf internatio­nalem Niveau. Die Finnen haben den Blues, das gilt auch für die dort bereits 2014 in die Kinos gekommene, aber hierzuland­e jetzt erst auf den Heimkinoma­rkt erschienen­e Tragikomöd­ie Kaffee mit Milch und Stress (Eurovideo) von Regisseur Dome Karukoski. Antti Litja spielt darin einen alten Griesgram, der früheren Zeiten nachtrauer­t und das auch einer jüngeren Generation in Form seines Sohnes und seiner Businessfr­au-Schwiegert­ochter aufs Butterbrot schmiert. Seine eigene Frau ist nach einem Schlaganfa­ll im Pflegeheim und als er vorübergeh­end bei den Jungen einziehen soll, kommt es natürlich zum Clash der Generation­en, Konflikte mit modernster Technik und Ess- und Trinkgewoh­nheiten inklusive. Das hat man schon gesehen, denkt man, das „früher war alles besser“auch schon dutzende Male gehört, aber Karukoski gelingt es, dem bekannten Sujet doch noch neue Nuancen abzugewinn­en.

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