Osama has left the building
Doppelgänger sind der Cat-Content der Verschwörungsfuzzis. Im 71er-Bond-Film Diamantenfieber, der nebenbei die Gerüchte einer Fakemondlandung persifliert, müht sich 007 damit ab, seinen Lieblingsschurken Blofeld auszuknipsen, entlöffelt aber nur dessen manuell gefertigte Kopien – dank visuell perfektionierter plastischer Chirurgie. Das Visionsportfolio der Drehbuchautoren enthielt noch keinen 3-D-Klon-Drucker. Damit hätte Diamantenfieber auf Matrix vorgegriffen – Blofeld quasi als Katzen streichelnder Preview von Copy-Paste-Agent Smith. Noch einen halben Kopf unvisionärer ist die Variante Leon de Winters: Sein Osama-binLaden-Double ist ein simpler Analogmensch, der dem al-Qaida-Arschgesichtsschamhaarmodel zufällig ähnlich sieht. Why not? Wo steht, Verschwörungsvisionen bräuchten eine Hightechquote? In seinem Roman Geronimo ändert Leon de Winter die offizielle Realvariante der Operation Neptune Spear in eine, bei der ein Fake-Osama zur Body-Bag-Anprobe geschickt wird, während das Original entführt wird. Mitschuld am üppigen Wuchern der Conspiracy-Theory-Plantage trägt der damalige Yankee-Boss Obama. Ein bisschen smarter und mikrofondiplomatischer als die amokekelnde Dünnschissfrisur, die jetzt im Blonden Haus herum knalltütet, dabei genauso ignorant und erbärmlich wie alle Grußkasper, die diese Yankee-Kloake alle vier bis acht Jahre auskotzt. Mit dem schwindenden Unterschied zwischen News (als Regierungsstatements) und Fake News gewinnt die sehr hörfilmisch und emotional umgesetzte Geschichte ihre Präsenz, verzichtet dabei auf Actionszenen, die ohnehin nur Deko wären, wo es nichts zu sehen gibt. Keine der Hauptfiguren, die bei einem anderen Autor vermutlich Nebenfiguren wären, sieht das große Ganze. Jeder speist sich aus seinem eigenen engen Sichtwinkel, getrübt durch die Lügen der vermeintlichen und echten Freunde und Feinde. Wahrheit? Wer kennt die schon? Irgendwann interessiert es auch nicht mehr. Dann geht es nur noch um Leid und Schuld und wie jeder Einzelne damit zurechtkommt, während die Machtfuzzis längst beim nächsten Krieg sind.
Leon de Winter: Geronimo. Hörspiel von Christiane Ohaus mit Matthias Bundschuh, Sylvester Groth, Birte Schnöink u. a., 4 CDs, ca. 3.50 Std., www.der-audio-verlag.de