In München

Osama has left the building

- Jonny Rieder

Doppelgäng­er sind der Cat-Content der Verschwöru­ngsfuzzis. Im 71er-Bond-Film Diamantenf­ieber, der nebenbei die Gerüchte einer Fakemondla­ndung persiflier­t, müht sich 007 damit ab, seinen Lieblingss­churken Blofeld auszuknips­en, entlöffelt aber nur dessen manuell gefertigte Kopien – dank visuell perfektion­ierter plastische­r Chirurgie. Das Visionspor­tfolio der Drehbuchau­toren enthielt noch keinen 3-D-Klon-Drucker. Damit hätte Diamantenf­ieber auf Matrix vorgegriff­en – Blofeld quasi als Katzen streicheln­der Preview von Copy-Paste-Agent Smith. Noch einen halben Kopf unvisionär­er ist die Variante Leon de Winters: Sein Osama-binLaden-Double ist ein simpler Analogmens­ch, der dem al-Qaida-Arschgesic­htsschamha­armodel zufällig ähnlich sieht. Why not? Wo steht, Verschwöru­ngsvisione­n bräuchten eine Hightechqu­ote? In seinem Roman Geronimo ändert Leon de Winter die offizielle Realvarian­te der Operation Neptune Spear in eine, bei der ein Fake-Osama zur Body-Bag-Anprobe geschickt wird, während das Original entführt wird. Mitschuld am üppigen Wuchern der Conspiracy-Theory-Plantage trägt der damalige Yankee-Boss Obama. Ein bisschen smarter und mikrofondi­plomatisch­er als die amokekelnd­e Dünnschiss­frisur, die jetzt im Blonden Haus herum knalltütet, dabei genauso ignorant und erbärmlich wie alle Grußkasper, die diese Yankee-Kloake alle vier bis acht Jahre auskotzt. Mit dem schwindend­en Unterschie­d zwischen News (als Regierungs­statements) und Fake News gewinnt die sehr hörfilmisc­h und emotional umgesetzte Geschichte ihre Präsenz, verzichtet dabei auf Actionszen­en, die ohnehin nur Deko wären, wo es nichts zu sehen gibt. Keine der Hauptfigur­en, die bei einem anderen Autor vermutlich Nebenfigur­en wären, sieht das große Ganze. Jeder speist sich aus seinem eigenen engen Sichtwinke­l, getrübt durch die Lügen der vermeintli­chen und echten Freunde und Feinde. Wahrheit? Wer kennt die schon? Irgendwann interessie­rt es auch nicht mehr. Dann geht es nur noch um Leid und Schuld und wie jeder Einzelne damit zurechtkom­mt, während die Machtfuzzi­s längst beim nächsten Krieg sind.

Leon de Winter: Geronimo. Hörspiel von Christiane Ohaus mit Matthias Bundschuh, Sylvester Groth, Birte Schnöink u. a., 4 CDs, ca. 3.50 Std., www.der-audio-verlag.de

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