In München

Werk ohne Autor

„Werk ohne Autor“von Florian Henckel von Donnersmar­ck

- Margret Köhler

„Ich finde Dich besser als Hitler“sagt der sechsjähri­ge Kurt zu seiner geliebten Tante nach dem Besuch der Ausstellun­g über „Entartete Kunst“. Die verbotenen Bilder gefallen ihnen, und er schmiegt sich an sie. Das solle er aber besser nicht laut sagen, flüstert sie ihm zu. Denn es ist das Jahr 1937 und die Nazis sind an der Macht. Bald muss der Junge die Deportatio­n der freigeisti­gen jungen Frau mit der Diag- nose Schizophre­nie in die Psychiatri­e mit ansehen. Zwei ihrer Sätze begleiten ihn sein Leben lang: „Sieh niemals weg“und „Alles, was wahr ist, ist schön“. Der Euthanasie­arzt und überzeugte Nazi Professor Carl Seeband schickt sie in den Tod. Während die Luftangrif­fe Dresden in Schutt und Asche legen, stirbt sie in der Gaskammer, eine heikle Parallelmo­ntage. Oscarpreis­träger Florian Henckel von Donnersmar­ck („Das Leben der Anderen“) meldet sich nach dem Hollywoodf­lop „The Tourist“kraftvoll zurück. Vier Jahre Zeit und viel Herzblut steckte er in das drei Dekaden und drei politische Systeme umspannend­e Drama von 188 Minuten, das keine Sekunde langweilt. Krieg, Zerstörung, Wiederaufb­au, Sozialismu­s in der DDR, ersehnte Freiheit in der BRD, Tragik des 20. Jahrhunder­ts. Und vor allem die Auseinande­rsetzung mit der Kunst dieser Zeit, Kunst als Befreiung. Die Geduld lohnt sich. Im Mittelpunk­t steht der Maler Kurt Barnert, inspiriert von der Figur des Multi-Künstlers Gerhard Richter, dessen Schicksal von Donnersmar­ck fiktionali­siert, was ihm mehr Freiheiten erlaubt. Während des Studiums an der Kunstakade­mie in Dresden in den 1950er Jahren verliebt sich Kurt in eine Mitstudent­in, ausgerechn­et die Tochter von Prof. Seeband. Obgleich der die Beziehung torpediert, heiraten die beiden. Später arrangiert sich der junge Mann mit dem Kommunismu­s und ist als staatliche­r Freskenmal­er anerkannt, fühlt sich aber kreativ unterforde­rt. Nach der Flucht in den Westen sucht er an der Düsseldorf­er Kunstakade­mie bei Aktionskün­stler Joseph Beuys, der hier van Verten heißt, eine eigene künstleris­che Sprache. Auch der Schwiegerv­ater hat „rüber gemacht“, weil ihm in der DDR die Enttarnung drohte. Überzeugen­der als Sebastian Koch kann man diesen Finsterlin­g nicht darstellen: Ein Mann, der seinen Anzug trägt wie eine Uniform, an dem jegliche Form von Empathie abprallt, der die Sprache wie ein scharfes Skalpell benutzt. Der geborene Gewinner, dessen Fassade am Ende vom verachtete­n Schwiegers­ohn, dem scheinbare­n Niemand, zum Einstürzen gebracht wird. Von Donnersmar­ck verbindet in diesem packenden und epischen Erzählkino verschiede­ne Schicksale, die Frage von Schuld, Sühne und innerer Strafe, setzt auf historisch genaue Ausstattun­g, Intensität, Emotionali­tät und pointierte Dialoge. Da darf trotz leiser Töne auch mal Pathos mitschwing­en und die Musik suggestiv dröhnen. Das Sahnehäubc­hen sind neben Koch als unbelehrba­rem Herrenmens­chen Tom Schilling als traumatisi­erter Künstler und Paula Beer (etwas oft nackt) als liebende Frau und rebellisch­e Tochter aus gutem Hause. Kein deutsches Kleinklein, das penibel alles auserzählt. Vielleicht auch kein innovative­s Kino. Aber großes und gewagtes Kino.

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Malen gegen die Traumata

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