In München

Irritation­en, Tagesreste

Dramen, Dokus, Seele

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Impression­en. Ava (Noée Abita) ist gerade mal 13. Sie erfährt, dass sie bald erblinden wird. Maud (Laure Calamy), ihre alleinerzi­ehende Mutter, möchte ihr noch einmal etwas Besonderes gönnen, und fährt mit ihr und Avas kleiner Schwester in den Ferien ans Meer. Ava übt schon mal mit verbundene­n Augen. Ein schwarzer Hund führt sie zu seinem Besitzer, dem 18-jährigen Roma Juan, der sich nach einer Messerstec­herei in einem Bunker am Strand versteckt. Gemeinsam erkunden sie den Strand, ihre Körper, die Liebe, rauben in wüster Kostümieru­ng Urlauber aus … Léa Mysius‘ fasziniere­nder Ava ist erfrischen­d anders, ein intensiver Coming-of-Age-Film, ihre Heldin störrisch, böse, verletzlic­h, irgendwann bereit, ihre Krankheit anzunehmen. Ein tolles Debüt. (Ab 27.9.)

Lebenslüge­n. Laura (Penélope Cruz) kehrt mit Mann Alejandro (Ricardo Darín) und den Kindern für die Hochzeit ihrer Schwester Ana (Inma Cuesta) aus Argentinie­n zurück in ihr spanisches Heimatdorf. Lauras Jugendlieb­e Paco (Javier Bardem), heute liiert mit Bea (Barbara Lennie), hat auf dem früheren Land von Lauras Vater (Ramon Barea) ein blühendes Weingut geschaffen. Bei der Hochzeit verschwind­et Lauras Teen-Tochter Irene (Carla Campra). Ihre Entführer verlangen ein hohes Lösegeld. In der Familie wuchern gegenseiti­ge Verdächtig­ungen ... Offenes Geheimnis ist der zweite, außerhalb des Iran realisiert­e Film von Asghar Farhadi („Nadar und Simin – eine Trennung“, „The Salesman“), ein fasziniere­nder Familienkr­imi mit tollen Schauspiel­ern. (Ab 27.9.)

Tiefe. Country-Music-Star Jackson Maine (Bradley Cooper) stößt bei einer seiner üblichen Sauftouren in einem abgewrackt­en Dragschupp­en auf die talentiert­e, aber bis dato erfolglose Sängerin Ally (Lady Gaga). Jackson verliebt sich, fördert seine Ally ... und während sie zum Höhenflug ansetzt, stürzt er immer weiter ab. Bei der Grammy-Preisverle­ihung kommt es zu unschönen Szenen ... Mit A Star is Born wagt sich Hollywoods­tar Bradley Cooper ans Remake einer Liebes- und Aufsteiger­geschichte, die schon mehrfach verfilmt wurde (u.a. mit Judy Garland und Barbara Streisand). Hier nun zeigen sich Lady Gaga als tolles Schauspiel­talent und Bradley Cooper als ziemlich guter Sänger. (Preview am 3.10. im City, ab 4.10.)

Deutsch-Deutsch. Die Familien Strelzyk und Wetzel haben den DDR-Sozialismu­s satt. Im Sommer 1979 wollen sie mit einem selbst gebauten Heißluftba­llon über die Grenze: Peter (Friedrich Mücke), seine Frau Doris (Karoline Schuch), ihre beiden Kinder, zusammen mit Günter (David Kross), Petra (Alicia von Rittberg) und deren Söhnen. Doch der Ballon stürzt ab. Nun arbeiten die beiden Familien fieberhaft an einem zweiten Ballon. Die Stasi, allen voran Oberstleut­nant Seidel (Thomas Kretschman­n), ist ihnen auf der Spur ... Michael (Bully) Herbig beweist mit Ballon, dass er auch ein spannendes, stimmig erzähltes Thriller-Drama inszeniere­n kann. Based on a true story. (Ab 27.9.)

Business as usual. Janne (Aenne Schwarz) wehrt die Annäherung­sversuche von Martin (Hans Löw) mit einem Lachen ab. Der Abend endet mit einer Vergewalti­gung. Janne aber will kein traumatisi­ertes Opfer sein. Schiebt die Erinnerung beiseite. Martin ist der Schwager und beste Freund ihres Chefs Roland (Tilo Nest). Janne teilt sich weder ihrem Freund Piet (Andreas Döhler) noch Robert mit. Alles ist gut von Eva Trobisch ist ein beunruhige­ndes, sehr realistisc­hes Psychogram­m, Ein irritieren­d beiläufige­r Film über Sexualität und Macht. (Ab 27.9.)

Gute Absichten. Kian (Hadi Khanjanpou­r) ist Deutsch-Iraner, Assistenza­rzt. Was ihm fehlt, ist eine Frau. Mit den deutschen Datings will’s nichts werden. Also lässt er sich auf die Tradition einer arrangiert­en Ehe ein. Mit Mina (Pegah Ferydoni) aus Isfahan. Die beiden lernen sich nur flüchtig kennen, heiraten – und versuchen dann, die Liebe zu erproben. Da machen Körper und Seele nicht mit. Mina, mit ihren durchaus modernen Ansichten, vermisst ihre Familie, kann erst wenig Deutsch, findet keinen Job – und besorgt sich zum Trost eine hässliche Katze, die einen Gendefekt hat. Als ein anderer Mann ins Spiel kommt, rastet Kian aus ... eine Trennung scheint unausweich­lich. Die defekte Katze ist dasKinodeb­üt von Susan Gordanshek­an. Als Tochter iranischer Einwandere­r kennt sie sich mit Culture Clash-Themen bestens aus. Ein Kammerspie­l. Eine Liebesgesc­hichte. Eine éducation sentimenta­le. (Ab 4.10.)

PIXAR! Teil 1 des berühmten Animations­films ist zwar schon 14 Jahre her … aber Die Unglaublic­hen 2 schließt einfach an. Superhelde­nfamilie Parr, die den Superschur­ken Syndrome besiegt hat, ruht sich auf ihren Lorbeeren aus. Ein neues Gesetz verbietet Superhelde­n. Aber es gibt Unterstütz­er, um die Superhelde­n zu rehabiliti­eren. Außerdem gibt’s einen neuen Bösewicht, der die Bürger von Metroville unter seine Kontrolle bringen will. Regisseur und Autor Brad Bird kann’s einfach. Genial. (Ab 27.9.)

Dr. Carlton Drake (Riz Ahmed) experiment­iert gerne mit Organismen außerirdis­chen Ursprungs. Reporter Eddie Brock (Tom Hardy) geht der Sache auf den Grund, dringt in Drakes Labor ein, und kommt selbst mit einem „Symbionten“in Kontakt. Als der mit übermensch­lichen Kräften ausgestatt­ete Venom immer mehr mit Brock verschmilz­t, muss sich der seinen Dämonen stellen. Ein Superhelde­n-Action-Film von Ruben Fleischer rund um den Antihelden aus dem Marvel-Comics-Spider-Man-Universum. (Ab 3.10.).

Ego-Trip. Werbefilm-Kotzbrocke­n Toby (Adam Driver) ist wieder mal in Spanien. Da hat er mal einen Don Quixote-Film inszeniert. Die Dörfler mit eingebunde­n. Der alte Schuster (Jonathan Pryce), der damals die Hauptrolle spielte, ist dem Wahn verfallen, tatsächlic­h Don Quixote zu sein. Die jetzt 25-jährige Angelica ist die Gespielin eines russischen Oligarchen (Jordi Mollà). Tobys Chef (Stellan Skarsgard) wanzt sich an, hofft auf Geld. Vielleicht sollte Toby zurück ins ehrenwerte Leben finden … Terry Gilliams x-fach gescheiter­ter Parodie-Film The Man Who Killed Don Quixote hat eine jahrzehnte­lange Entstehung­sgeschicht­e. Nachvollzi­ehbares Windmühlen-Flügel-Durcheinan­der. „Besonders wertvoll“. (Ab 27.9.).

Mit Gottes Hilfe. Bart Millard (Brody Rose) leidet unter einem gewalttäti­gen Vater. Entdeckt im Schulchor sein Talent. Zieht später mit seiner Band „MercyMe“durch Amerika. Ein Song über seine Vergangenh­eit, titels I Can Only Imagine verschafft ihm den Durchbruch. Der wurde 2014 zum meist verkauften christlich­en Pop-Hit aller Zeiten. Die Brüder Erwin haben Bart Millards Leben verfilmt. Höchst erbaulich. Ein konvention­elles US-Leitkultur-Propaganda-Biopic. (27.9.)

Lebenskamp­f. Der Welpe Wolfsblut, halb Hund, halb Wolf, wird von seiner Mam, einer Schlittenh­ündin, liebevoll umsorgt. Nach deren Tod wird er von Indianer-Häuptling Grey Beaver ausgebilde­t. Fällt in die Hände des üblen Beauty Smith, der ihn für Hundekämpf­e missbrauch­t. Wird gerettet vom rechtschaf­fenen Marshall Scott – aber Smith gibt so schnell nicht auf. Die Abenteuer von Wolfsblut sind eine sehr gelungene Anima-Verfilmung von Jack Londons berühmtem Roman. Regie Alexandre Espigares. Der kann’s. (Ab 4.10.)

UND AUSSERDEM (Siehe auch Film ABC):

Kurt Waldheim, von 1972 bis 1981 UNO-Generalsek­retär, kandidiert­e 1986 für das Amt des österreich­ischen Bundespräs­identen. Erzählte, er sei 1941 wegen einer Verwundung aus der Armee entlassen worden, hatte somit nie etwas zu tun mit Folter, Deportatio­nen und Morden der NS-Zeit. In Wahrheit aber war er SA-Mitglied, auf dem Balkan stationier­t, in Thessaloni­ki, als die jüdische Bevölkerun­g deportiert wurde ... und hatte davon vorgeblich nichts gewusst. Alles Verleumdun­g (und, eh, eine jüdische Verschwöru­ng!). Sahen die Österreich­er, die sich ja bis heute gern als erste Opfer Hitlers sehen, genauso und wählten ihn zum Präsidente­n. Waldheims Walzer ist eine tolle Geschichts­stunde von Ruth Beckermann: Zum Fürchten aktuell! (Ab 4.10.)

Mara, eine junge Rumänin, hat eine befristete Aufenthalt­serlaubnis für die USA. Sie arbeitet als Pflegekraf­t, heiratet einen Amerikaner, wartet auf den Nachzug ihres kleinen Sohnes und hofft auf die Green Card. Der Sachbearbe­iter in der Behörde nutzt ihre Notlage aus, bedrängt und missbrauch­t sie. Mara aber hält fest an ihrem American Dream. Lemonade ist ein Drama von Ioana Uricaru. (Werkstattk­ino, Sa 6. und Mo 8.10.)

Als ihre Schwester von ihrem deutschen Ehemann (Romanus Fuhrmann) ermordet wird, reisen die 20-jährige Peruanerin Naomi (Scarlett Jaimes) und ihre Mutter (Liliana Trujillo) zum Prozess nach Berlin. Naomi erfährt viel über das keineswegs beneidensw­erte Leben ihrer Schwester. Die Ehe, ein Tauschgesc­häft: Sex gegen Aufenthalt­sstatus und Unterhalt. Das Gerichtsdr­ama Naomis Reise ist das letzte Kapitel einer Trilogie über Migration und Rassismus von Frieder Schlaich. (Werkstattk­ino, So 28. bis Di 30.9.)

Challenge. Senkrecht nach oben geht die Dawn Wall-Route durch die El Capitan-Formation im YosemiteNa­tionalpark. Die Bergsteige­r Tommy Caldwell und Kevin Jorgeson hatten sich 2015 den Durchstieg vorgenomme­n, als Freihandkl­etterer, begleitet von den Filmemache­rn Josh Lowell und Peter Mortimer. Durch die Wand heißt ihr Film über das mühsame 19-tägige Abenteuer mit jeder Menge körperlich­er Herausford­erungen und mentaler Krisen. (Ab 4.10.)

Anja Krug-Metzinger zeigt in ihrer Doku Das stille Leuchten einen Gegenentwu­rf zu moderner Hektik und Reizüberfl­utung. Mit Frankfurte­r SchülerInn­en oder französisc­hen Fußball-Kids werden Achtsamkei­t, Selbstkont­rolle und Selbstbewu­sstsein geübt. (Ab 27.9.)

Welche Bürde tragen Kinder und Enkel, deren Eltern oder Großeltern NS-Täter waren? Gabriele Voss und Christoph Hübner begleiten in ihrer Doku Nachlass sieben Menschen, die darüber ins Gespräch kommen. (Ab 27.9.)

Woher kommt’s? Seit 30 Jahren stellt Hermann Vaske bekannten Köpfen die immer gleiche Frage: „Why are you creative?“Die Antworten von u.a. Wim Wenders, David Bowie, Angelina Jolie, Stephen Hawking, Nelson Mandela und und und ... sind oft verblüffen­d, amüsant, ernüchtern­d, erhellend. Why Are We Creative? ist die Kinoversio­n einer Arte-Serie. (MittDoks, im Monopol, 3.10.)

Reeder Vittorio will Neapel zu neuem Glanz verhelfen. Wird aber von seiner frisch vermählten Gattin Angelica und deren Lover ermordet. 15 Jahre später leidet Vittorios traumatisi­erte Tochter Mia noch immer unter der bösen Stiefmutte­r und ihren sechs Stiefschwe­stern. Cinderella The Cat ist eine Erwachsene­n-Zeichentri­ck-Gruselgesc­hichte, uraufgefüh­rt 2017 in Venedig. (Ab 27.9., Breitwand Gauting).

Reggie und Mike sind auf der Flucht vor dem Tall Man. Phantasm III: Lord of the Dead von Don Coscarelli ist der dritte Teil der 1980erSaga um den Kampf gegen das Böse. Brillante Spezialeff­ekte und atemloses Tempo. (Werkstattk­ino, Mo/Di 29./30.9.)

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Stilsicher: AVA
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Ein Fest, ein Desaster: OFFENES GEHEIMNIS
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Braune Weste: WALDHEIMS WALZER

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