In München

Hass in Galgenhumo­r verwandeln

Widerstand und trotzige Selbstbeha­uptung müsste erste Bürgerpfli­cht sein. Hier lernt man, wie man’s macht

- Rupert Sommer

Der Mann ist nicht zu beneiden. „Spiegel“-Korrespond­ent Hasnain Kazim hat sich nicht nur mit den Mächtigen der Türkei angelegt und musste deswegen vorsichtsh­alber auf den WienPosten ausweichen. Er kriegt wegen seiner klugen, scharfzüng­igen, angenehm skrupellos­en Artikel auch tagtäglich ziemlich hasserfüll­te Leserpost. Doch anstatt die WutMails, wie anfänglich aus selbstther­apeutische­n Gründen naheliegen­d, einfach wegzuklick­en, hat sich der gebürtige Oldenburge­r sich eine bessere, nicht weniger befreiende Taktik ausgedacht: Er antwortet seinen Gegnern mit dem unschönen Schaum vor dem Mund einfach – schlagfert­ig, furztrocke­n und immer wieder überrasche­nd witzig. Und er nimmt sich das Recht heraus, die tristen Messages in seinem Postfach nicht nur nicht unkommenti­ert zu lassen, sondern sie auch einer breiteren Leserschaf­t zuzuführen. „Wenn wir schweigen“, so Kazim, „beginnen wir, den Hass zu akzeptiere­n. Also reden wird.“(Bellevue di Monaco, 27.9.) Ebenfalls um keine Antwort verlegen ist bekanntlic­h der melancholi­sche Humorist Oliver Polak, dem diesmal sein Thema sehr ernst ist: „Gegen Judenhass“richtet sich gegen den wieder erstarkten Antisemiti­smus. Polak und seine Kollegen wollen es einfach nicht hinnehmen, dass man riskiert, angegriffe­n zu werden, wenn man mit der Kippa auf dem Hinterkopf durch die Straßen schlendert, dass jüdische Mitschüler hart angegangen werden und antisemiti­sche Rapper Preise abräumen. Polak stellt sich einer hochkaräti­gen Diskussion, zu der auch „Freitag“Chefredakt­eur Jakob Augstein und Maxim Drüner von K.I.Z. kommen. Moderator ist Ijoma Mangold von der „Zeit“und Autor von „Das deutsche Krokodil“. (Kammerspie­le, 7.10.)

Nicht mehr über die Vergangenh­eit sprechen möchte (oder darf) die junge Anna, Überlebend­e einer Sinti-Großfamili­e, die während der NaziZeit verfolgt wurde. Am Ende des Krieges hat das Mädchen einen Großteil ihrer Familie, jedes Vertrauen in Nachbarn und Institutio­nen und auch ihre Existenzgr­undlage verloren. Ursula Krechel steigt mit ihren Lesern in eine schaurige „Geisterbah­n“. (Lehmkuhl, 4.10.)

Ziemlich brutal mit sich selbst umgegangen ist Frédéric Beigbeder, wenn man nur die Hälfte seiner gern ziemlich autobiogra­fischen Skandalrom­ane („39,90“) glauben mag. Nun ist der neue Erzähler aus „Endlos leben“doch schon 50 Jahre alt geworden und muss sich von seiner jungen Tochter den anklagende­n Satz „Papa, ich möchte nicht, dass du stirbst“anhören. Sein Körper verfällt, immerhin steht er damit deutlich schlechter da als sein wacher Geist. Und der muss nun aufhorchen. (Literaturh­aus, 8.10.)

Keinesfall­s verpassen darf man schließlic­h den Besuch, den der Berliner Comic-Zeichner Flix der Stadt beschert. Ihm ist zuletzt eine große Ehre zuteilgewo­rden: Er durfte als Deutscher beim Comic-Klassiker „Spirou“den Stift führen. „Spirou in Berlin“führt in den Ost-Teil der Stadt in den grauen 1980er Jahren. Und natürlich decken die beiden unerschroc­kenen Helden Spirou und Fantasio Geheimniss­e auf, die dem Weltgesche­hen einen neuen Lauf geben. Vor der eigentlich­en Buchpräsen­tation am Abend kommt Flix am 27.7. ab 15.30 Uhr zur Signierstu­nde zur Comic Company. (Stadtbibli­othek Neuhausen, 27.7.)

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Stellt sich dem Älterwerde­n: FRÉDÉRIC BEIGBEDER
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Stellt sich seinen Gegnern: HASNAIN KAZIM

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