Hass in Galgenhumor verwandeln
Widerstand und trotzige Selbstbehauptung müsste erste Bürgerpflicht sein. Hier lernt man, wie man’s macht
Der Mann ist nicht zu beneiden. „Spiegel“-Korrespondent Hasnain Kazim hat sich nicht nur mit den Mächtigen der Türkei angelegt und musste deswegen vorsichtshalber auf den WienPosten ausweichen. Er kriegt wegen seiner klugen, scharfzüngigen, angenehm skrupellosen Artikel auch tagtäglich ziemlich hasserfüllte Leserpost. Doch anstatt die WutMails, wie anfänglich aus selbsttherapeutischen Gründen naheliegend, einfach wegzuklicken, hat sich der gebürtige Oldenburger sich eine bessere, nicht weniger befreiende Taktik ausgedacht: Er antwortet seinen Gegnern mit dem unschönen Schaum vor dem Mund einfach – schlagfertig, furztrocken und immer wieder überraschend witzig. Und er nimmt sich das Recht heraus, die tristen Messages in seinem Postfach nicht nur nicht unkommentiert zu lassen, sondern sie auch einer breiteren Leserschaft zuzuführen. „Wenn wir schweigen“, so Kazim, „beginnen wir, den Hass zu akzeptieren. Also reden wird.“(Bellevue di Monaco, 27.9.) Ebenfalls um keine Antwort verlegen ist bekanntlich der melancholische Humorist Oliver Polak, dem diesmal sein Thema sehr ernst ist: „Gegen Judenhass“richtet sich gegen den wieder erstarkten Antisemitismus. Polak und seine Kollegen wollen es einfach nicht hinnehmen, dass man riskiert, angegriffen zu werden, wenn man mit der Kippa auf dem Hinterkopf durch die Straßen schlendert, dass jüdische Mitschüler hart angegangen werden und antisemitische Rapper Preise abräumen. Polak stellt sich einer hochkarätigen Diskussion, zu der auch „Freitag“Chefredakteur Jakob Augstein und Maxim Drüner von K.I.Z. kommen. Moderator ist Ijoma Mangold von der „Zeit“und Autor von „Das deutsche Krokodil“. (Kammerspiele, 7.10.)
Nicht mehr über die Vergangenheit sprechen möchte (oder darf) die junge Anna, Überlebende einer Sinti-Großfamilie, die während der NaziZeit verfolgt wurde. Am Ende des Krieges hat das Mädchen einen Großteil ihrer Familie, jedes Vertrauen in Nachbarn und Institutionen und auch ihre Existenzgrundlage verloren. Ursula Krechel steigt mit ihren Lesern in eine schaurige „Geisterbahn“. (Lehmkuhl, 4.10.)
Ziemlich brutal mit sich selbst umgegangen ist Frédéric Beigbeder, wenn man nur die Hälfte seiner gern ziemlich autobiografischen Skandalromane („39,90“) glauben mag. Nun ist der neue Erzähler aus „Endlos leben“doch schon 50 Jahre alt geworden und muss sich von seiner jungen Tochter den anklagenden Satz „Papa, ich möchte nicht, dass du stirbst“anhören. Sein Körper verfällt, immerhin steht er damit deutlich schlechter da als sein wacher Geist. Und der muss nun aufhorchen. (Literaturhaus, 8.10.)
Keinesfalls verpassen darf man schließlich den Besuch, den der Berliner Comic-Zeichner Flix der Stadt beschert. Ihm ist zuletzt eine große Ehre zuteilgeworden: Er durfte als Deutscher beim Comic-Klassiker „Spirou“den Stift führen. „Spirou in Berlin“führt in den Ost-Teil der Stadt in den grauen 1980er Jahren. Und natürlich decken die beiden unerschrockenen Helden Spirou und Fantasio Geheimnisse auf, die dem Weltgeschehen einen neuen Lauf geben. Vor der eigentlichen Buchpräsentation am Abend kommt Flix am 27.7. ab 15.30 Uhr zur Signierstunde zur Comic Company. (Stadtbibliothek Neuhausen, 27.7.)