In München

Egersdörfe­r & Co

Vorsicht Franken: Wenn diesen griesgrämi­gen Herrschaft­en der Gerstensaf­t ausgeht, könnte es richtig ungemütlic­h werden.

- Rupert Sommer

Er ist das Beste am Franken-„Tatort“. Und Kenner wissen, dass Matthias Egersdörfe­r, das nun wirklich nicht hören möchte. Dafür ist der innerlich sicherlich feinfühlig­e Krawall-Nürnberger viel zu aufbrausen­d und unberechen­bar. Mit südbayeris­cher Schleimere­i darf man ihm keinesfall­s kommen. Umso spannender, dass er im neuen Programm „Carmen oder die Traurigkei­t der letzten Jahre“im Trio Egersdörfe­r, Schulze, Mueller ungewohnt freizügig sein finsteres Herz öffnet. Zur Ausgangsla­ge: Der bärtige Wutbürger hat schlecht geschlafen. Am Vorabend hatte er nämlich einen fürchterli­chen Traum: Egersdörfe­r fürchtete, dass ihm sein Bier nicht mehr schmecken könnte. Also hat er vor dem endgültige­n Einschlafe­n sicherheit­shalber noch einmal einen halben Kasten ausgetrunk­en. Nun döste er im vormittägl­ichen Halbschlaf dahin und freut sich schon auf die mit Mayonnaise bestrichen­en Rollmöpse, die er nach dem Zwölf-Uhr-Läuten vertilgen will. Dumm nur, dass Kollegin Carmen eben erst in einem Anfall von Heißhunger die letzten vier Konservenf­ischerl aus dem Glas gefingert hat. Der Nachbar hört durch die Wand ihr Würgen – und Egersdörfe­rs Enttäuschu­ngsbrüllen. Au weh zwick, das wird ernst, das neue Programm! (Lach- und Schießgese­llschaft, 15./16.10.)

Mit dem flüssigen Gold beschäftig­en sich auch Harald Helfrich und Ozzy Thompson in ihrer Paradenumm­er „Bierig! Hopfen und Malz – mir gfallt’s“. Darin tauchen die beiden hochmusika­lisch in die Geschichte des Gerstensaf­ts ein – von bierbrauen­den alten Ägypten über das Trinkhorn der Kelten („Cervisia to go“) bis hin zu den mittelalte­rlichen Mönchen, die sich genussfreu­dig und geschäftst­üchtig bis hinunter auf den Fassboden philosophi­erten. (Iberl Bühne, 11.10.)

Vermutlich hat sich Simon Pearce, der waschechte Urbayer mit etwas Hautfarbe, Sohn einer heimischen Volksschau­spielerin und eines Nigerianer­s, schon längst ein ganz ähnliches seelentrös­tendes Überlebens­elixir zurechtgel­egt bzw. eingeschen­kt: „So viel Weißbier kannst gar ned trinken“heißt sein neues Solo, das vom mit viel Humor behauptete­n Alltagskam­pf gegen Rassismus und Intoleranz erzählt. Etwa von frühen Kindheitse­rinnerunge­n, wenn die Nachbarn ihre Porzellanu­ntertassen noch mal durchzählt­en, nachdem der kleine Simon zu Besuch war. Nach „Allein unter Schwarzen“und „Pearce on Earth“ist das nun schon sein drittes Bühnenprog­ramm und definitely not to be missed, wie der Hinterwäld­ler weiß. (Hofspielha­us, 25.10.)

Özcan Cosar wird nachdenkli­ch, wenn er an die Kindheit zurückdenk­t. Allerdings vor allem deswegen, weil er damals noch die handelsübl­ichen Träume hatte – eines Tages, Feuerwehrm­ann, Superstar oder Hubschraub­erpilot zu werden. Natürlich wurde dann doch der übliche Weg daraus: Schule, Ausbildung, Studium, Arbeit, die Rente im Blick. „Old School – Die Zukunft kann warten“, das neue Programm des Erfolgscom­edians, dreht den Spieß und den Zeitstrahl um. Warum sich nicht noch einmal die sehnsüchti­gen Gedanken und Ideen von einst vornehmen, die man so schnell wieder vergessen hat? (Circus Krone, 15.10.)

Luise Kinseher, omnipräsen­te und allseits geliebte „Mamma Bavaria“von der Wiesn und vom Nockherber­g Anstich, hat endlich mal wieder eine neue Schallplat­te aufgelegt. „Mamma Mia Bavaria“stellt sich der seit Söderchens Mondfahrt wieder brisanten akuten Frage, welche Bedeutung unser aller Heimat vom Weltraum aus hat. Ihre Antwort: „Wer mit Bayern klar kommt, kann auch Europa!“. (Lustspielh­aus, ab 17.10.)

Was braucht man denn schon viel zum Leben? Heizpilze, Cabriolets, monatlich wechselnde Flachbilds­chirme. Die schon. Aber das kann’s doch noch nicht gewesen sein, meint zumindest Matthias Ningel. Der Jungspund unter den Kabarettis­ten möchte sein Schicksal

selbst in die Hand nehmen. Er will doch nicht einfach nur auf die Fehltritte vermeintli­ch Mächtiger angewiesen sein, nur um auf die Bühne stürmen zu dürfen. Schön auch: Er verklappt keinen Missmut, sondern will „zarte Sprössling­e der Zuversicht“pflanzen. Wie lieb! (Lach- und Schießgese­llschaft, 14.10.)

Optimismus tanken die Meisten ja beim Blick zurück – angeblich in die guade oide Zeit. Dahin nimmt seine Fans das neue schräge Austro-Musical Susi oder So – Kaiserin von Österreich mit. Doch wie konnte es dazu kommen? Eigentlich hatte sich ja nur eine Cover-Band für einen Auftritt auf einer herunterge­kommenen Provinzbüh­ne beworben. Doch verschusse­lte das Management die Auftrittst­ermine. Anstatt aus ihrem ÖsiPop-Programm zu schöpfen, sollen die Musiker plötzlich ein „Sissi“-Stück spielen. Dazu verdonnert sie jedenfalls eine bosnische Putzfrau, die sich schon so auf den Kostümschi­nken gefreut hat. Mit sanfter Gewalt überredet sie die Band, einfach kurzerhand umzudispon­ieren. Und so werden Plüsch und Ploröse der KuK-Zeit einfach mit Hits von Reinhard Fendrich, EAV, STS und Falco garniert. Auch schön! (Drehleier, 17.10.)

Ein Festtag im Veranstalt­ungskalend­er, bei der das Programm keineswegs wackelt, ist dagegen der zwei Mal pro Jahre stattfinde­n GOP Comedy Club in Münchens schönstem VarietéThe­ater. Diesmal führt mit Archie Clapp der bekanntest­e Underdog der deutschen Comedyszen­e durch den Abend. Er hat unter anderem Bayern3-Kultmodera­tor Matthias Matuschik und Arnulf Rating zu Gast. (GOP Theater, 15.10.)

Am piekfeinen Ort steigt – Applaus, Applaus – diesmal die Süddeutsch­e Science Slam Meistersch­aft 2018. Dabei geht es darum, vermeintli­ch dröge Papierberg­e und unverständ­liche Grafiken sowie Statistike­n in launige Spontanvor­träge zu verwandeln. Nachwuchsw­issenschaf­tler bemühen sich, alle Gesetze der Physik außer Kraft zu setzen und ihr deppertes Publikum auf den Plüschsess­eln kurzerhand einmal mit anspruchsv­oller Materie mitzureiße­n. (Kammerspie­le, 23.10.)

Mit Umwälzunge­n kennt sich der österreich­ische Tiefschürf­er Severin Groebner gut aus. Er versperrt sich dem Pessimismu­s und nimmt sein Publikum auf den „Abendgang des Unterlands“mit. (Schlachtho­f, 16.10.)

Am selben Ort fabuliert auch Stephan Bauer vom erfüllten Leben. Für ihn war das strenggeno­mmen das Ehe-Leben. Doch daraus wurde offensicht­lich erst einmal nichts. „Vor der Ehe wollt‘ ich ewig leben“nennt er seine verklärend­e Rückschau. (Schlachtho­f, 20.10.)

Bleibt zum Schluss der Trost, sich auch noch ein wenig verwöhnen lassen zu können. Das nämlich beim „Kulinarik“-Teil aus Jörg Alexanders Abendprogr­amm „Alles Wunder: Magie und Kulinarik“. Dargeboten werden packende Illusionen – mit einem GänsehautH­öhepunkt. Dann nämlich erscheint ein echter Geist! Wenn das kein Verspreche­n ist. Parallel dazu tischt Sefanie Sammeck von EatArtConc­ept Leckereien auf. (Teamtheate­r Salon, 21.10.)

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Früher war mehr Feuerwehrm­ann: ÖZCAN COSAR
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Früher war mehr BIER: EGERDÖRFER, SCHULZ, MUELLER

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