Egersdörfer & Co
Vorsicht Franken: Wenn diesen griesgrämigen Herrschaften der Gerstensaft ausgeht, könnte es richtig ungemütlich werden.
Er ist das Beste am Franken-„Tatort“. Und Kenner wissen, dass Matthias Egersdörfer, das nun wirklich nicht hören möchte. Dafür ist der innerlich sicherlich feinfühlige Krawall-Nürnberger viel zu aufbrausend und unberechenbar. Mit südbayerischer Schleimerei darf man ihm keinesfalls kommen. Umso spannender, dass er im neuen Programm „Carmen oder die Traurigkeit der letzten Jahre“im Trio Egersdörfer, Schulze, Mueller ungewohnt freizügig sein finsteres Herz öffnet. Zur Ausgangslage: Der bärtige Wutbürger hat schlecht geschlafen. Am Vorabend hatte er nämlich einen fürchterlichen Traum: Egersdörfer fürchtete, dass ihm sein Bier nicht mehr schmecken könnte. Also hat er vor dem endgültigen Einschlafen sicherheitshalber noch einmal einen halben Kasten ausgetrunken. Nun döste er im vormittäglichen Halbschlaf dahin und freut sich schon auf die mit Mayonnaise bestrichenen Rollmöpse, die er nach dem Zwölf-Uhr-Läuten vertilgen will. Dumm nur, dass Kollegin Carmen eben erst in einem Anfall von Heißhunger die letzten vier Konservenfischerl aus dem Glas gefingert hat. Der Nachbar hört durch die Wand ihr Würgen – und Egersdörfers Enttäuschungsbrüllen. Au weh zwick, das wird ernst, das neue Programm! (Lach- und Schießgesellschaft, 15./16.10.)
Mit dem flüssigen Gold beschäftigen sich auch Harald Helfrich und Ozzy Thompson in ihrer Paradenummer „Bierig! Hopfen und Malz – mir gfallt’s“. Darin tauchen die beiden hochmusikalisch in die Geschichte des Gerstensafts ein – von bierbrauenden alten Ägypten über das Trinkhorn der Kelten („Cervisia to go“) bis hin zu den mittelalterlichen Mönchen, die sich genussfreudig und geschäftstüchtig bis hinunter auf den Fassboden philosophierten. (Iberl Bühne, 11.10.)
Vermutlich hat sich Simon Pearce, der waschechte Urbayer mit etwas Hautfarbe, Sohn einer heimischen Volksschauspielerin und eines Nigerianers, schon längst ein ganz ähnliches seelentröstendes Überlebenselixir zurechtgelegt bzw. eingeschenkt: „So viel Weißbier kannst gar ned trinken“heißt sein neues Solo, das vom mit viel Humor behaupteten Alltagskampf gegen Rassismus und Intoleranz erzählt. Etwa von frühen Kindheitserinnerungen, wenn die Nachbarn ihre Porzellanuntertassen noch mal durchzählten, nachdem der kleine Simon zu Besuch war. Nach „Allein unter Schwarzen“und „Pearce on Earth“ist das nun schon sein drittes Bühnenprogramm und definitely not to be missed, wie der Hinterwäldler weiß. (Hofspielhaus, 25.10.)
Özcan Cosar wird nachdenklich, wenn er an die Kindheit zurückdenkt. Allerdings vor allem deswegen, weil er damals noch die handelsüblichen Träume hatte – eines Tages, Feuerwehrmann, Superstar oder Hubschrauberpilot zu werden. Natürlich wurde dann doch der übliche Weg daraus: Schule, Ausbildung, Studium, Arbeit, die Rente im Blick. „Old School – Die Zukunft kann warten“, das neue Programm des Erfolgscomedians, dreht den Spieß und den Zeitstrahl um. Warum sich nicht noch einmal die sehnsüchtigen Gedanken und Ideen von einst vornehmen, die man so schnell wieder vergessen hat? (Circus Krone, 15.10.)
Luise Kinseher, omnipräsente und allseits geliebte „Mamma Bavaria“von der Wiesn und vom Nockherberg Anstich, hat endlich mal wieder eine neue Schallplatte aufgelegt. „Mamma Mia Bavaria“stellt sich der seit Söderchens Mondfahrt wieder brisanten akuten Frage, welche Bedeutung unser aller Heimat vom Weltraum aus hat. Ihre Antwort: „Wer mit Bayern klar kommt, kann auch Europa!“. (Lustspielhaus, ab 17.10.)
Was braucht man denn schon viel zum Leben? Heizpilze, Cabriolets, monatlich wechselnde Flachbildschirme. Die schon. Aber das kann’s doch noch nicht gewesen sein, meint zumindest Matthias Ningel. Der Jungspund unter den Kabarettisten möchte sein Schicksal
selbst in die Hand nehmen. Er will doch nicht einfach nur auf die Fehltritte vermeintlich Mächtiger angewiesen sein, nur um auf die Bühne stürmen zu dürfen. Schön auch: Er verklappt keinen Missmut, sondern will „zarte Sprösslinge der Zuversicht“pflanzen. Wie lieb! (Lach- und Schießgesellschaft, 14.10.)
Optimismus tanken die Meisten ja beim Blick zurück – angeblich in die guade oide Zeit. Dahin nimmt seine Fans das neue schräge Austro-Musical Susi oder So – Kaiserin von Österreich mit. Doch wie konnte es dazu kommen? Eigentlich hatte sich ja nur eine Cover-Band für einen Auftritt auf einer heruntergekommenen Provinzbühne beworben. Doch verschusselte das Management die Auftrittstermine. Anstatt aus ihrem ÖsiPop-Programm zu schöpfen, sollen die Musiker plötzlich ein „Sissi“-Stück spielen. Dazu verdonnert sie jedenfalls eine bosnische Putzfrau, die sich schon so auf den Kostümschinken gefreut hat. Mit sanfter Gewalt überredet sie die Band, einfach kurzerhand umzudisponieren. Und so werden Plüsch und Ploröse der KuK-Zeit einfach mit Hits von Reinhard Fendrich, EAV, STS und Falco garniert. Auch schön! (Drehleier, 17.10.)
Ein Festtag im Veranstaltungskalender, bei der das Programm keineswegs wackelt, ist dagegen der zwei Mal pro Jahre stattfinden GOP Comedy Club in Münchens schönstem VarietéTheater. Diesmal führt mit Archie Clapp der bekannteste Underdog der deutschen Comedyszene durch den Abend. Er hat unter anderem Bayern3-Kultmoderator Matthias Matuschik und Arnulf Rating zu Gast. (GOP Theater, 15.10.)
Am piekfeinen Ort steigt – Applaus, Applaus – diesmal die Süddeutsche Science Slam Meisterschaft 2018. Dabei geht es darum, vermeintlich dröge Papierberge und unverständliche Grafiken sowie Statistiken in launige Spontanvorträge zu verwandeln. Nachwuchswissenschaftler bemühen sich, alle Gesetze der Physik außer Kraft zu setzen und ihr deppertes Publikum auf den Plüschsesseln kurzerhand einmal mit anspruchsvoller Materie mitzureißen. (Kammerspiele, 23.10.)
Mit Umwälzungen kennt sich der österreichische Tiefschürfer Severin Groebner gut aus. Er versperrt sich dem Pessimismus und nimmt sein Publikum auf den „Abendgang des Unterlands“mit. (Schlachthof, 16.10.)
Am selben Ort fabuliert auch Stephan Bauer vom erfüllten Leben. Für ihn war das strenggenommen das Ehe-Leben. Doch daraus wurde offensichtlich erst einmal nichts. „Vor der Ehe wollt‘ ich ewig leben“nennt er seine verklärende Rückschau. (Schlachthof, 20.10.)
Bleibt zum Schluss der Trost, sich auch noch ein wenig verwöhnen lassen zu können. Das nämlich beim „Kulinarik“-Teil aus Jörg Alexanders Abendprogramm „Alles Wunder: Magie und Kulinarik“. Dargeboten werden packende Illusionen – mit einem GänsehautHöhepunkt. Dann nämlich erscheint ein echter Geist! Wenn das kein Versprechen ist. Parallel dazu tischt Sefanie Sammeck von EatArtConcept Leckereien auf. (Teamtheater Salon, 21.10.)