Hermes, Baby!
Salatgurkenbatmaning und Sauerstoffzeltcamping in Ehren, aber der solideste Anti-Aging-Shooter ist immer noch zeitiges Auschecken. Die young, Alter! Für das Ingenieursklischee Walter Faber schon deshalb keine Option, weil er, sagt sein Historybunny Hanna, die Forderung der Zeit ignoriere. „Ihr Techniker, ihr Ingenieure versucht, ohne den Tod zu leben“, pfafft sie. „(...) Du hast kein Verhältnis zur Zeit, weil du kein Verhältnis zum Tod und zur Vergänglichkeit hast. Leben, Walter, Leben, das ist eine Gestalt in der Zeit.“Bisschen spät, dieser Erleuchtungsinput. Fabers Zeit läuft ab. Dafür im Dienste der Literatur. Drama, Baby! Kosmisch betrachtet ist der Fall Faber auch ein Versagen des griechischen Gottes Hermes, der zwar Fabers Schreibfluss beflügelt, nicht jedoch dessen Selbsterkenntnis. Wo Hermes doch der Schutzpatron der Reisenden ist. Und Gott der Vernunft. Eben davon hat Faber wenig. Skepsis wäre eine vernünftige Haltung – blinder Technikglaube ist es nicht. Im Vergleich zum Buch, das ausschließlich aus Fabers Ich-Perspektive „berichtet“, engagiert das Hörspiel zwei Erzähler: den subjektiven Faber (Matthias Brandt) und einen objektiven auktorialen Erzähler (Ueli Jäggi), der im Cast frech Max genannt wird. Max wie Max Frisch. Kleiner Brainbodycheck von Bearbeiter Heinz Sommer. Im Booklet und im akustischen Werkstattbericht, der im Kofferraum des Hörspiels mitfährt, kritzelt er eifrig Parallelen zwischen der Figur und seinem Autor, Faber und Frisch. Viel mehr als nur die Vorliebe zum gleichen Old-School-Laptop – eine Hermes Baby, wie das Hörspiel nicht müde wird zu erwähnen, als wolle man im selben ballpark spielen wie die Product-Placement-Orgien Hollywoods. Und wie Autobiographie-flavoured ist das antiquierte Frauenbild, das sich der 50sFaber zusammenvorurteilt? Hmmm. Todsicher sagt eine 21st-Century-Sabeth auf Fabers Berufswunschfrage „Pilotin“statt „Stewardess“. Den 50s-Geist auch im Hörspiel wehen zu lassen, war dennoch eine gute Idee. Vom Fortschrittsglauben dieser Zeit ist nichts mehr übrig geblieben. Umso wehmütiger jazzt der Soundtrack, der als eigene CD noch lange nachklingt. Max Frisch: Homo faber. Hörspiel von Heinz Sommer (Bearbeitung) und Leonhard Koppelmann (Regie) mit Paula Beer, Matthias Brandt, Ueli Jäggi, Eva Mattes u. a., Musik: hr-Bigband; 6 CD, ca. 7 Std., www.hoerverlag.de