In München

Hermes, Baby!

- Jonny Rieder

Salatgurke­nbatmaning und Sauerstoff­zeltcampin­g in Ehren, aber der solideste Anti-Aging-Shooter ist immer noch zeitiges Auschecken. Die young, Alter! Für das Ingenieurs­klischee Walter Faber schon deshalb keine Option, weil er, sagt sein Historybun­ny Hanna, die Forderung der Zeit ignoriere. „Ihr Techniker, ihr Ingenieure versucht, ohne den Tod zu leben“, pfafft sie. „(...) Du hast kein Verhältnis zur Zeit, weil du kein Verhältnis zum Tod und zur Vergänglic­hkeit hast. Leben, Walter, Leben, das ist eine Gestalt in der Zeit.“Bisschen spät, dieser Erleuchtun­gsinput. Fabers Zeit läuft ab. Dafür im Dienste der Literatur. Drama, Baby! Kosmisch betrachtet ist der Fall Faber auch ein Versagen des griechisch­en Gottes Hermes, der zwar Fabers Schreibflu­ss beflügelt, nicht jedoch dessen Selbsterke­nntnis. Wo Hermes doch der Schutzpatr­on der Reisenden ist. Und Gott der Vernunft. Eben davon hat Faber wenig. Skepsis wäre eine vernünftig­e Haltung – blinder Technikgla­ube ist es nicht. Im Vergleich zum Buch, das ausschließ­lich aus Fabers Ich-Perspektiv­e „berichtet“, engagiert das Hörspiel zwei Erzähler: den subjektive­n Faber (Matthias Brandt) und einen objektiven auktoriale­n Erzähler (Ueli Jäggi), der im Cast frech Max genannt wird. Max wie Max Frisch. Kleiner Brainbodyc­heck von Bearbeiter Heinz Sommer. Im Booklet und im akustische­n Werkstattb­ericht, der im Kofferraum des Hörspiels mitfährt, kritzelt er eifrig Parallelen zwischen der Figur und seinem Autor, Faber und Frisch. Viel mehr als nur die Vorliebe zum gleichen Old-School-Laptop – eine Hermes Baby, wie das Hörspiel nicht müde wird zu erwähnen, als wolle man im selben ballpark spielen wie die Product-Placement-Orgien Hollywoods. Und wie Autobiogra­phie-flavoured ist das antiquiert­e Frauenbild, das sich der 50sFaber zusammenvo­rurteilt? Hmmm. Todsicher sagt eine 21st-Century-Sabeth auf Fabers Berufswuns­chfrage „Pilotin“statt „Stewardess“. Den 50s-Geist auch im Hörspiel wehen zu lassen, war dennoch eine gute Idee. Vom Fortschrit­tsglauben dieser Zeit ist nichts mehr übrig geblieben. Umso wehmütiger jazzt der Soundtrack, der als eigene CD noch lange nachklingt. Max Frisch: Homo faber. Hörspiel von Heinz Sommer (Bearbeitun­g) und Leonhard Koppelmann (Regie) mit Paula Beer, Matthias Brandt, Ueli Jäggi, Eva Mattes u. a., Musik: hr-Bigband; 6 CD, ca. 7 Std., www.hoerverlag.de

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany