In München

Baut auf, was euch nicht kaputt ...

Königsgemä­cher, italienisc­he Ideen, 200 Jahre Nationalth­eater und eine Ruine mitten im Museum

- Alte Pinakothek Barbara Teichelman­n

Zehn Jahre haben die Restaurier­ungsund Sanierungs­arbeiten des Königsbaus der Residenz gedauert. Dass sie sich auch gelohnt haben, davon können wir uns jetzt mit eigenen Augen überzeugen, denn vom 13. bis 21. Oktober ist Residenzwo­che (alle Veranstalt­ungen hier: residenzwo­che.de). Zum 16. Mal übrigens. „Feierlaune“lautet das offizielle Motto, und es ist einiges los. Über 120 Sonderführ­ungen, eine Studio-Ausstellun­g, ein Vortrag, eine Jubiläumsp­räsentatio­n, eine Lichtinsta­llation auf den Königsbauf­assaden und zehn Konzerte. Irgendwas vergessen? Ne, die Feierlaune kann man ja nicht bereitstel­len, die muss sich vielmehr einstellen, bestenfall­s bei den Besuchern. Wer sich die Lichtinsta­llation „LichtKunst­Spiele“des Künstlers Ingo Bracke (13., 14., 19. und 20. Oktober von jeweils 19 bis 22 Uhr) anschaut, sollte die Mütze nicht vergessen. Es wird abends doch schon recht frisch.

Apropos Herbst. Es ist mal wieder so viel los, dass man nicht weiß, wie man sich ohne sieben bis acht Klone organisier­en soll. Natürlich will man in die Pinakothek der Moderne, wo die Graphische Sammlung italienisc­he Monumental­malerei in der Druckgrafi­k aus dem späten 15. bis ins 18. Jahrhunder­t zeigt. Grande Decorazion­e (13. Oktober bis 6. Januar, Katalog) heißt die Ausstellun­g und lässt bereits eine gewisse Opulenz erahnen. Die macht sich sowohl in der Anzahl der gezeigten Arbeiten – es sind über 120 – als auch in den berühmten Namen bemerkbar: Andrea Mantegna, Raffael, Michelange­lo, Primaticci­o, Annibale Carracci, Pietro da Cortona oder Giovanni Battista Tiepolo. Anschließe­nd bleiben wir in Italien, wechseln aber die Straßensei­te und stapfen rüber in die und mitten hinein ins 15. Jahrhunder­t zu Florenz und seine Maler. Von Giotto bis Leonardo da Vinci (18. Oktober bis 27. Januar, Katalog). Die erste Schau in den neuen Sonderauss­tellungsrä­umen beschäftig­t sich mit den künstleris­chen Innovation­en rund um den Geburtsort der Renaissanc­e. Dank internatio­naler Leihgaben sind auch hier große Namen am Start: Fra Angelico, Filippo Lippi, Antonio Pollaiuolo, Andrea del Verrocchio, Domenico Ghirlandai­o, Sandro Botticelli, Filippino Lippi, Leonardo da Vinci oder Fra Bartolomme­o. Hingehen halt.

Und dann wird auch noch das Nationalth­eater 200 Jahre alt. Da muss man natürlich auch hin bzw. ins Deutsche Theatermus­eum, das den Geburtstag mit einer Jubiläumsa­usstellung feiert. Vision und Tradition. 200 Jahre Nationalth­eater in München. Eine Szenografi­egeschicht­e (13. Oktober bis 14. April). Gezeigt werden die bedeutends­ten und spektakulä­rsten originalen Bühnenbild­entwürfe von 1818 bis 2018. Schöne Idee, denn einerseits spiegeln diese Bühnenwelt­en den jeweiligen Zeitgeist wider, also die Theaterges­chichte. Anderersei­ts machen sie die Geschichte des Theaters erlebbar. Neuester Zugang sind die Entwürfe des Künstlers Georg Baselitz zu Richard Wagners Parsifal. Die kann man derzeit sowohl im Museum und mit Musik auch auf der Bühne bewundern.

Auch wenn man es ihm nicht ansieht – sogar das Museum Villa Stuck wird älter. Es feiert heuer sein 50-jähriges Jubiläum und zwar mit einer großen Ausstellun­g, die eigentlich eher eine große Skulptur ist. Thomas Hirschhorn­s Never Give Up The Spot (19. Oktober bis 3. Februar) ist eine Ruinenland­schaft, die sich über alle drei Stockwerke ausdehnt und diese so quasi zu einem Raum verbindet. Es geht aber nicht nur um die Ästhetik der Zerstörung, es geht vielmehr um die Erfahrung der Instabilit­ät und des Abgründige­n. Es geht um die Sicherheit, dass letztlich nichts sicher ist. Hirschhorn: „Es ist ein umgedrehte­s Potemkinsc­hes Dorf. Die Räume werden demnach nicht besser dargestell­t als sie sind, sondern der Zustand der Räume wird schlechter dargestell­t als er in Wirklichke­it ist.“Der Titel der Ausstellun­g bedeutet soviel wie „aushalten, nicht aufgeben, vor Ort sein, in der Realität durchhalte­n –produktiv sein“. Oder es werden. Zwei Unterständ­e gibt es in der verwüstete­n Landschaft, dort kann tatsächlic­h gearbeitet werden. Künstleris­ch zum Beispiel. Die Materialie­n, aus denen die Ruine geformt wurde, stehen bereit und warten darauf, dass die Besucher etwas mit ihnen anstellen. Dazu gibt es Werkzeuge, Sitzgelege­nheiten, Computer, Drucker, Fotokopier­er, Bücher und Zeichenmat­erial. Das Produziere­n und das Produziert­e werden Teil der Ausstellun­g. In einem der Unterständ­e liegt ein von Hirschhorn gestaltete­s Künstlerbu­ch aus, das er ganz dem Thema „Ruine“gewidmet hat und das den Titel trägt „Destructio­n is difficult. Indeed it is as difficult as creation“, ein Zitat aus einem der Gefängnis-Tagebücher des italienisc­hen Philosophe­n und Kommuniste­n Antonio Gramsci (1881-1937). Hirschhorn möchte damit daran erinnern „wie schwierig es ist, herrschend­e Gewohnheit­en, ungerechte Hierarchie­n, ungleichma­chende Traditione­n, ausschließ­ende Bräuche und unsinnige Verhältnis­se umzustoßen oder abzuschaff­en. Und wie schwierig es ist, an ihrer Stelle etwas Neues, etwas Gerechtes, etwas Positives, etwas Einschließ­endes zu schaffen.“Dem ist nichts hinzuzufüg­en. Außer, dass die Ausstellun­g für jeden zugänglich sein soll und deshalb keinen Eintritt kostet. Auch das Künstlerbu­ch darf man einfach so mitnehmen. Hirschhorn war es wichtig, dass diese Skulptur ein Ort der Zerstörung ist, die Produktivi­tät freisetzt, ein Ort jenseits der kapitalist­ischen Weltordnun­g, ein Ort, an dem es nichts zu kaufen gibt. Ein Ort, an dem man auf sich selbst zurück geworfen und aufgeforde­rt wird, herauszufi­nden, was wir tun können außer zu konsumiere­n und zu arbeiten. Ein Transforma­tionsangeb­ot also, irgendwo zwischen Destruktio­n und Kreation. Oder anders gesagt: Baut auf, was Euch nicht kaputt macht! Zum Schluss noch ein Klassiker der herbstlich­en Kulturterm­ine. Am Samstag, 20. Oktober ist die 20. Lange Nacht der Münchner Museen (alle Programmin­fos hier: muenchner.de/museumsnac­ht). 90 Museen, Sammlungen und Galerien sind dabei, von Kunst über Naturwisse­nschaft bis Technik. Für 15 Euro kann man mit den Shuttlebus­sen der MVG durch die Nacht düsen und überall rein. Fairer Deal.

 ??  ?? Thomas Hirschhorn verbindet Destruktio­n mit Kreation und baut eine hierarchie­freie Ruinenland­schaft
Thomas Hirschhorn verbindet Destruktio­n mit Kreation und baut eine hierarchie­freie Ruinenland­schaft

Newspapers in German

Newspapers from Germany