Baut auf, was euch nicht kaputt ...
Königsgemächer, italienische Ideen, 200 Jahre Nationaltheater und eine Ruine mitten im Museum
Zehn Jahre haben die Restaurierungsund Sanierungsarbeiten des Königsbaus der Residenz gedauert. Dass sie sich auch gelohnt haben, davon können wir uns jetzt mit eigenen Augen überzeugen, denn vom 13. bis 21. Oktober ist Residenzwoche (alle Veranstaltungen hier: residenzwoche.de). Zum 16. Mal übrigens. „Feierlaune“lautet das offizielle Motto, und es ist einiges los. Über 120 Sonderführungen, eine Studio-Ausstellung, ein Vortrag, eine Jubiläumspräsentation, eine Lichtinstallation auf den Königsbaufassaden und zehn Konzerte. Irgendwas vergessen? Ne, die Feierlaune kann man ja nicht bereitstellen, die muss sich vielmehr einstellen, bestenfalls bei den Besuchern. Wer sich die Lichtinstallation „LichtKunstSpiele“des Künstlers Ingo Bracke (13., 14., 19. und 20. Oktober von jeweils 19 bis 22 Uhr) anschaut, sollte die Mütze nicht vergessen. Es wird abends doch schon recht frisch.
Apropos Herbst. Es ist mal wieder so viel los, dass man nicht weiß, wie man sich ohne sieben bis acht Klone organisieren soll. Natürlich will man in die Pinakothek der Moderne, wo die Graphische Sammlung italienische Monumentalmalerei in der Druckgrafik aus dem späten 15. bis ins 18. Jahrhundert zeigt. Grande Decorazione (13. Oktober bis 6. Januar, Katalog) heißt die Ausstellung und lässt bereits eine gewisse Opulenz erahnen. Die macht sich sowohl in der Anzahl der gezeigten Arbeiten – es sind über 120 – als auch in den berühmten Namen bemerkbar: Andrea Mantegna, Raffael, Michelangelo, Primaticcio, Annibale Carracci, Pietro da Cortona oder Giovanni Battista Tiepolo. Anschließend bleiben wir in Italien, wechseln aber die Straßenseite und stapfen rüber in die und mitten hinein ins 15. Jahrhundert zu Florenz und seine Maler. Von Giotto bis Leonardo da Vinci (18. Oktober bis 27. Januar, Katalog). Die erste Schau in den neuen Sonderausstellungsräumen beschäftigt sich mit den künstlerischen Innovationen rund um den Geburtsort der Renaissance. Dank internationaler Leihgaben sind auch hier große Namen am Start: Fra Angelico, Filippo Lippi, Antonio Pollaiuolo, Andrea del Verrocchio, Domenico Ghirlandaio, Sandro Botticelli, Filippino Lippi, Leonardo da Vinci oder Fra Bartolommeo. Hingehen halt.
Und dann wird auch noch das Nationaltheater 200 Jahre alt. Da muss man natürlich auch hin bzw. ins Deutsche Theatermuseum, das den Geburtstag mit einer Jubiläumsausstellung feiert. Vision und Tradition. 200 Jahre Nationaltheater in München. Eine Szenografiegeschichte (13. Oktober bis 14. April). Gezeigt werden die bedeutendsten und spektakulärsten originalen Bühnenbildentwürfe von 1818 bis 2018. Schöne Idee, denn einerseits spiegeln diese Bühnenwelten den jeweiligen Zeitgeist wider, also die Theatergeschichte. Andererseits machen sie die Geschichte des Theaters erlebbar. Neuester Zugang sind die Entwürfe des Künstlers Georg Baselitz zu Richard Wagners Parsifal. Die kann man derzeit sowohl im Museum und mit Musik auch auf der Bühne bewundern.
Auch wenn man es ihm nicht ansieht – sogar das Museum Villa Stuck wird älter. Es feiert heuer sein 50-jähriges Jubiläum und zwar mit einer großen Ausstellung, die eigentlich eher eine große Skulptur ist. Thomas Hirschhorns Never Give Up The Spot (19. Oktober bis 3. Februar) ist eine Ruinenlandschaft, die sich über alle drei Stockwerke ausdehnt und diese so quasi zu einem Raum verbindet. Es geht aber nicht nur um die Ästhetik der Zerstörung, es geht vielmehr um die Erfahrung der Instabilität und des Abgründigen. Es geht um die Sicherheit, dass letztlich nichts sicher ist. Hirschhorn: „Es ist ein umgedrehtes Potemkinsches Dorf. Die Räume werden demnach nicht besser dargestellt als sie sind, sondern der Zustand der Räume wird schlechter dargestellt als er in Wirklichkeit ist.“Der Titel der Ausstellung bedeutet soviel wie „aushalten, nicht aufgeben, vor Ort sein, in der Realität durchhalten –produktiv sein“. Oder es werden. Zwei Unterstände gibt es in der verwüsteten Landschaft, dort kann tatsächlich gearbeitet werden. Künstlerisch zum Beispiel. Die Materialien, aus denen die Ruine geformt wurde, stehen bereit und warten darauf, dass die Besucher etwas mit ihnen anstellen. Dazu gibt es Werkzeuge, Sitzgelegenheiten, Computer, Drucker, Fotokopierer, Bücher und Zeichenmaterial. Das Produzieren und das Produzierte werden Teil der Ausstellung. In einem der Unterstände liegt ein von Hirschhorn gestaltetes Künstlerbuch aus, das er ganz dem Thema „Ruine“gewidmet hat und das den Titel trägt „Destruction is difficult. Indeed it is as difficult as creation“, ein Zitat aus einem der Gefängnis-Tagebücher des italienischen Philosophen und Kommunisten Antonio Gramsci (1881-1937). Hirschhorn möchte damit daran erinnern „wie schwierig es ist, herrschende Gewohnheiten, ungerechte Hierarchien, ungleichmachende Traditionen, ausschließende Bräuche und unsinnige Verhältnisse umzustoßen oder abzuschaffen. Und wie schwierig es ist, an ihrer Stelle etwas Neues, etwas Gerechtes, etwas Positives, etwas Einschließendes zu schaffen.“Dem ist nichts hinzuzufügen. Außer, dass die Ausstellung für jeden zugänglich sein soll und deshalb keinen Eintritt kostet. Auch das Künstlerbuch darf man einfach so mitnehmen. Hirschhorn war es wichtig, dass diese Skulptur ein Ort der Zerstörung ist, die Produktivität freisetzt, ein Ort jenseits der kapitalistischen Weltordnung, ein Ort, an dem es nichts zu kaufen gibt. Ein Ort, an dem man auf sich selbst zurück geworfen und aufgefordert wird, herauszufinden, was wir tun können außer zu konsumieren und zu arbeiten. Ein Transformationsangebot also, irgendwo zwischen Destruktion und Kreation. Oder anders gesagt: Baut auf, was Euch nicht kaputt macht! Zum Schluss noch ein Klassiker der herbstlichen Kulturtermine. Am Samstag, 20. Oktober ist die 20. Lange Nacht der Münchner Museen (alle Programminfos hier: muenchner.de/museumsnacht). 90 Museen, Sammlungen und Galerien sind dabei, von Kunst über Naturwissenschaft bis Technik. Für 15 Euro kann man mit den Shuttlebussen der MVG durch die Nacht düsen und überall rein. Fairer Deal.