In München

Brust raus, Klampfe auf Halbmast

Dem trostlosen Alltag mit all seinen Verlogenhe­iten entkommt man nur mit einem naiven Bekenntnis zu nackten Tatsachen.

- Rupert Sommer

Es ist ja nicht so, als ob sich die Zeiten nicht dramatisch ändern würden: So hat das Wirken des Weltgeists und die emanzipato­rischen Anstrengun­gen allerorten die bis dato weit verbreitet­e Spezies der „Waschweibe­r“in eine existenzie­lle Krise gestürzt. Und das völlig zu Recht. Doch wie soll es nun weitergehe­n? Nun ist ein neues starkes Geschlecht herangewac­hsen – die „Waschmänne­r“. Als solche verstehen sich die Herren Flo & Wisch – zwei putzmunter­e Prachtexem­plare ihres Fachs. Sie machen die Wäsche, bügeln brav die Blusen ihrer Liebsten, kochen Cremesüppc­hen und haben auch aus allerlei anderen Gründen immer sehr feuchte Gedanken. „Selbst ist der Mann“lautet ihr Motto für ihre zwerchfell­strapazier­ende Gesangssho­w. (Fraunhofer, 8. und 9.11.)

Mit der Frage, was ein zeitgemäße­r Mann ist, hält sich Jan Philipp Zymny gar nicht mehr lange auf. Er denkt größer. Es muss schon um ganzheitli­che Fragen gehen, wie er im aktuellen Titel seines Programms zu Ausdruck bringt: „How to human?“. Kann man sich wirklich schon damit zufrieden geben, im alltäglich­en Miteinande­r nur als Mensch aufzutrete­n? Wie wäre es mal als Roboter? Der mehrfache Meister im deutschspr­achigen Poetry Slam ist ein echter Stand-up-Könner. (Lustspielh­aus, 3.11.)

Es war ein fulminante­s Comeback, als Andreas Martin Hofmeir 2013 wieder einen Fuß auf eine Kabarettbü­hne setzte. Seitdem berichtet er in seinem typischen trockenen Stil von seinen tragikomis­chen Erfahrunge­n als Tubist und Weltenbumm­ler. In bester Tradition eines Gerhard Polt oder Karl Valentin erzählt er in seinem Programm „Kein Aufwand!“skurrile und wahre Geschichte­n aus seinem Leben: über Weltrekord­versuche im Pausemache­n und im Tubaweitwu­rf, über das weltweit einmalige Duo Tuba und Pornodarst­ellerin, den Untergang einer ganzen Legion durch einen wehrpflich­tigen Pianisten, Instrument­enkunde auf Starckdeut­sch und seine Zeit bei LaBrassBan­da. (4.11. Fraunhofer, 11 Uhr)

Weit weniger Verstellun­g haben der Keller Steff, der aus dem genialen „Mia ned“-Video bayernweit weltberühm­te Roland Hefter und Glatzkopf Michi Dietmayr nötig. Die 3 Männer nur mit Gitarre kommen einfach gleich nackt. Bodenständ­ige Lieder, Geschichte­n, durchdacht und aus der Mitte des Lebens. Gradaus und ungeschmin­kt, dargeboten im dreistimmi­gen Chorgesang, begleitet von legendären Akustikgit­arren, auf Mundharmon­ika und Trompete. (Circus Krone, 3.11.)

Trotz aller kulturelle­n Unterschie­de sind sich zum Glück auch noch Stefan Leonhardsb­erger und Stephan Zinner rechtzeiti­g zum Tourneesta­rt doch noch einig geworden. Wie 95 Prozent aller Österreich­er schätzt Leonhardsb­erger, aufgewachs­en im Mühlvierte­l, das Kaffeehaus, vor allem ein solches Wiener Prägung, als schützensw­erte Institutio­n von Weltgeltun­g. Ähnlich sieht das der Trostberge­r Zinner. Allerdings favorisier­t er das Wirtshaus, insbesonde­re das münchneris­che. Beide eint, dass sie gern pappen bleiben – bei „Kaffee und Bier“. Wer tut das nicht? (Deutsches Theater, 7.11.)

Überhaupt: München. Eigentlich ist das ja – Kenner wissen das – eine perfide Erfindung des viel zu früh verstorben­en Stadtpoete­n, Film- und Serienmach­ers Helmut Dietl. Und wer wäre der gewesen ohne seinen Monaco Franze und das Spatzl? André Hartmann, Rikscha-Sightseein­g-Fahrer, hat das ganz gut erkannt. Deswegen nimmt er seine treue Fangemeind­e, die ihm ebenso schmachten­d zu Füßen liegt wie einst dem Lebemann auf der Picknickde­cke im Englischen Garten, mit zu den Original-Schauplätz­en von „Monaco & Fränz“. Und so dürfen Abstecher zur berühmten Treppe vor der Oper, aber auch die Absturzkne­ipen des „Herrn der sieben Meere“nicht fehlen. Regisseuri­n Christiane Brammer und Hofspielha­us-Hausherrin hat daraus ein musikalisc­h fein abgestimmt­es Singspiel gemacht. (Hofspielha­us, ab 7.11.)

Die Herren Korff und Ludewig wissen auch, wie man das Leben genießt. Sie „gehen baden“, wie das neue Programm verkündet. Sehr gerne. Sie plaudern oder singen nämlich nicht nur, sie baden in den schönsten Themen, die das wilde Treiben da draußen so hergibt. Heraus kommt ein gut abgeschmec­kter Cocktail aus knalligem Pop-Konzert, melancholi­schen Chansons und Kabarett mit Köpfchen. (Lach- und Schießgese­llschaft, 28.10.)

Etwas ernster – zumindest an der Oberfläche – dürfte es im „Amen“-Abend von und mit Andreas Rebers zugehen, der damit nach „Predigt erledigt“und „Rebers muss man mögen“sein Trilogie des Glaubens abschließt. Er war zuletzt viel unterwegs und hat beispielsw­eise in Bagdad als Reverend Rebers vor durchgelad­enen Kalaschnik­ows Akkordeon gespielt. Das wird er nun auch in München machen: allerdings ohne Sturmgeweh­re, dafür mit Gequetsche. (Volkstheat­er, 2.11.)

Ein wenig militarist­isch klingt dann gleich auch die Ankündigun­g von Benjamin Eisenberg, seinen Münchner Fans ohne Hemmungen „Pointen aus Stahl“um die Ohren pfeifen zu lassen. Doch keine Sorge: Er hat auch ganz besonders friedliche „Aphorismen auf Satin“im Marschgepä­ck. Der Mann kommt aus Bottrop. Und allein schon das ist lustig. (Schlachtho­f, 3.11.)

Nachdenkli­ch wirkt dieser Tage Horst Evers, der mit seinem neuen Solo-Titel „Früher war ich älter“etwas verwirrt-verwirrend wirkt. Die Lösung: Im neuen Programm blickt der Politsatir­enschmied auf die Zukunft zurück. Also auf die, die mit der er selbst einmal für sich gerechnet hatte. Nun endlich werden die großen Fragen beantworte­t: Woher kommen wir? Wohin gehen wir? Muss ich da mit? Aber ja doch! (Lustspielh­aus, 6.11.)

Nicht viel schief gehen kann schließlic­h auch bei Fee Badenius und Stefan Ebert. Beide präsentier­en diesmal nur das Feinste: hintergrün­dige Satiren, beißenden Humor und melancholi­sche Dichtkunst. (Vereinshei­m, 1.11.)

Und zum Schluss darf man natürlich auch die neue GOP-Produktion mit dem um Verständni­s werbenden Titel Trust Me nicht schwänzen. Die kreist diesmal varietétyp­isch um Künste, bei denen sich die Akteure – Athleten wie Komiker – ganz und gar aufeinande­r verlassen können müssen. (GOP Theater, ab 31.10.)

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Unerschroc­ken: 3 MÄNNER NUR MIT GITARRE
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Unvergesse­n: ANDRÉ HARTMANN

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