Aufs Radl steigen und die Welt retten
Es ist nie zu spät für eine Revolution: im engen Familienkorsett, in der Küche und in der Kriegesmarine
Kurz bevor die Juristin und Erfolgsautorin Juli Zeh jetzt vielleicht doch Verfassungsrichterin wird, hat die meinungsfreudige „Unter Leute“-Schriftstellerin – an der Verfilmung fürs ZDF arbeit man derzeit – noch einen neuen Roman rausgehauen. Es ist „Neujahr“, so der Titel, auf Lanzarote. Familienvater Henning steigt trotz Wind und Wetter auf sein Radl, weil er Abstand und den Kopf freibekommen muss. Schnell stellt er nicht nur seine eigene, eigentlich harmlos biedere Existenz, sondern das gesamte Gesellschaftssystem in Frage. Darunter macht sie es nicht. (LMU Große Aula, 25.10.)
Ebenfalls sehr schnell auf den Weg machen sollte man sich, wenn man noch den Auftritt von Martin Walker, den genuss-und sinnenfreudigen Rot wein krimi schriftsteller und Vater von „Bruno, Chef de police“, erleben möchte. „Revanche“heißt der neue Fall. Und auch der wird süffig. (Buchhandlung Partnachplatz, 25.10.)
Wo wir gerade beim Thema sind: „Just Wine – Weinwissen ohne Bullshit“, dafür steht der Erfahrungsschatz von Justine Leone, des jungen Champagnerkorkens der Weinszene, der mit seinen Erfolgen gerade gen Decke knallt. Der Sommelier und Musiker vergleicht edle Tropfen gerne mit Teilen eines Baums – vom feuchten Wurzelwerk in der Erde bis hin zu den üppigen Früchten. (Lehmkuhl, 25.10.)
Apropos Schlemmerei: Dann sollte man natürlich auch gleich noch bei Lukas Diestel und Jonathan Löffelbein, den Foodbloggern von „Worst of Chefkoch“, vorbeischauen. 2017 haben die beiden mit ihren skurrilen Rezepten den Weg in die Offline-Welt gewagt und fühlen mit ihrer kurioskreativen Leseshow nun die großen Theater. Neben den kulinarischen Tex- ten haben sie diesmal auch weitere Geschmacksanreger dabei – Kurzgeschichten und „idiotische Gedichte“. (Volkstheater, 5.11.)
Auf jeden Fall sollte man auch mal wieder Margaret Wittgenstein, einst eine der schönsten und klügsten Frauen Wiens, besuchen. Als 22-Jährige hatte sie Gustav Klimt in einem seiner rätselhaft ornamentalen Gemälde verewigt, und in der Neuen Pinakothek hängt sie. Die Münchner Schriftstellerin Margaret Greiner hat sich der „Grand Dame der Wiener Moderne“, die später Margaret Stonborough-Wittgenstein hieß, mal wieder angenommen. Sehr fein! (Lillemors Frauenbuchladen, Barerstr. 70, 30.10.)
Wer gerne weiblichen Stimmen lauscht, darf dann natürlich auch nicht bei der mittlerweile bereits vierten Ausgabe des Schamrock-Festivals der Dichterinnen fehlen. Augusta Laar und Kalle Aldis Laar haben dafür wieder grenzüberschreitend großartige Lyrikerinnen eingeladen, die sich diesmal dem Festival-Motto „Europa Inside / Outside“stellen. Highlights im Programm sind unter anderem Workshops und Literatur-Performances von Anne Waldman, der Beat-Poetin und Gründerin der „Jack Kerouac School of Disembodied Poetics“, sowie von Swantje Lichtenstein aus Düsseldorf, Audrey Chen aus China und den USA, Lynn Parkerson aus Brooklyn und von Katrin Sofie F. aus München. (WhiteBox, Atelierstr. 18, 26. bis 28.10.)
Ebenfalls eine starke Stimme und sicher nicht weniger politisch wird die Lesung von Rolf Stumberger werden, der am kongenial gewählten Ort an den 100. Jahrestag des Matrosenaufstands in Kiel und Wilhelmshaven erinnert. (Alte Utting, 4.11.)
Bleibt zum Abschluss der sehr eindringliche Tipp, sich gleich mal in geballter Form einen Überblick über spannende Neuerscheinungen und mögliche Einträge für die Weihnachtswunschliste zu versammeln. Möglich macht das die Buchmesse litera bavarica, an der sich Verlage von Allitera, über Großanbieter C.H. Beck, Morisken, edition tingeltangel/Edition Luftschiffer bis hin zum rührigen Hause Volk beteiligen. (Zentrum St. Bonifaz, Karlstr. 34, 3.11.)