Einfach Weiterleben
Berliner Luft und eine Schauspielerin in der Krise
Die jungen Wilden. Sommer 1929. Vier Film-Enthusiasten, die später in Hollywood berühmt werden sollten, drehen zusammen mit tollen Laiendarstellern einen Film über das Lebensgefühl der Berliner. Filmen Menschen am Sonntag (atlas film) auf den Straßen. Improvisieren. Probieren. Trauen sich was. Ein Wochenende. Wolfgang quatscht vor dem Bahnhof Zoo ein Mädel an: Christl. Die freut sich, als er sie zu einem Sonntagsausflug einlädt. Zusammen mit Erwin, einem Taxichauffeur, und Annie, einem Mannequin. Christl bringt Brigitte, ihre beste Freundin mit, die in einem Musikgeschäft Schallplatten verkauft. Und raus geht’s mit der S-Bahn zum Nikolassee. Badevergnügen, Eros, Picknick, Verführung, Sex, Eifersucht ... Heimkehr. „Und dann am Montag. Wieder Alltag. Wieder Woche. 4 Millionen warten auf den nächsten Sonntag.“Mit perfekt erzählten Emotionen. Mit Witz. Ironie. Tollen, dokumentarischen Bildern vom Leben in der großen Stadt Berlin. Buch: Billie Wilder. Nach einer Reportage von Robert Siodmak. Kamera: Eugen Schüfftan. Assistent: Fred Zinnemann. Filmhistoriker Martin Koerber erzählt im Booklet die spannende Geschichte der Rekonstruktion. Die Originalkopie ist verschollen. Dafür finden sich Kopien in den Niederlanden, in Belgien, der Schweiz, die sich gegenseitig ergänzen. Dank digitaler Technik mit hinreißend schönem Ergebnis. Und unaufdringlicher Musikbegleitung von Donald Sosin, dem berühmten New Yorker Stummfilm-Musik-Maestro. Die hochbetagte Brigitte Borchert erinnert sich im Bonus-Track an den Dreh – und ein # MeToo-Erlebnis mit Heinrich George. Bezaubernd!
April 1981: Der Weltstar Romy Schneider (Marie Bäumer) ist auf freiwilligem Entzug in einem Kurhotel an der bretonischen Küste und bekommt Besuch von ihre Freundin Hilde (Birgit Minichmayr) aus Österreich. Romy sucht Halt, sie will sich von Alkohol und Tabletten entgiften, um ihren 14-jährigen Sohn David wieder für sich zu gewinnen, außerdem hat sie bereits die Idee für einen nächsten und auch letzten Film, „Die Spaziergängerin von SansSouci“. Zwei Männer tauchen auf, der Stern-Reporter Michael Jürgs (Robert Gwisdek) und Romys alter Bekannter, der Fotograf Robert Lebeck (Charly Hübner). In 3 Tage in Quiberon (Prokino) erzählt Regisseurin Emely Atef mit Hilfe der stimmungsvollen SchwarzweißBilder von Kameramann Thomas Kiennast von einem Star in der Krise, der sich, befeuert von Weißwein und Tabletten, der Presse mit einem intimen Interview zum Fraß vorwirft – alles im echten Leben ganz genau so passiert, einer der wenigen Vorwürfe, den man diesem über weite Strecken sehr gelungenen Film machen kann, nur wenig Platz wird hier für die Fantasie des Zuschauers einräumt. Marie Bäumer spielt die Rolle ihres Lebens, wie Schneider lebt auch sie in Frankreich und die Ähnlichkeit ist fast schon gespenstisch. „Einfach weiterleben – oder weiter durchdrehen“, sagt sie einmal in dem SternInterview – mit dem Unfalltod ihres Sohnes drei Monate später, hielt das Leben nur die zweite Option für die größte europäische Schauspielerin ihrer Zeit parat.