Licht der Klänge, Magie der Stimmen
Die Zeit ist reif für Gospel. Für den Anfang 2018 verstorbenen Edwin Hawkins ist Gospel gleich Jesus. Mit „Oh Happy Day“hat er uns seine frohe Botschaft hinterlassen. Der Megahit „Respect“der „Queen of Soul“Aretha Franklin, die im Sommer von uns ging, avancierte zur Hymne der afro-amerikanischen Befreiungs- und der Frauenbewegung. Auch der „King of Rock and Roll“Elvis Presley wusste: „Ich bin kein König. Jesus Christus ist der König. Ich bin nur ein Entertainer.“Gospel kann, so die gute Nachricht, beides: spirituell sein und unterhalten. Gospel heißt Licht der Klänge, Magie der Stimmen. Die Gospelwelle hat mit Liebe, Energie und Rhythmen Deutschland erfasst. Amerikanische Kirchenhits und Black Contemporary Gospel, jene ekstatische Musik der Afroamerikaner, euphorisieren Sänger- und Publikumsherzen unisono. Experten schätzen, dass seit 1992, als „Sister Act“mit Whoopi Goldberg als swingende Nonne die Kinos eroberte, über 4.000 Chöre in Deutschland gegründet wurden, die vor allem Gospel singen. Allein in München soll es aktuell rund 80 Gospelchöre geben (einige davon zu finden unter: https://www.singeninmünchen. de/sparten/gospelchor). Höchste Zeit eine Auswahl der besten Münchner Gospelchöre vorzustellen. Gospel’n’Soul Kein Chor ist wie Gospel’n’Soul. Der
Mannheimer Morgen lobt die „strahlenden Stimmen“des 40-Seelen Chors, die Süddeutsche Zeitung feiert beim Auftritt im Carl-Orff-Saal bei der „Langen Nacht der Musik 2018“das kongeniale Michael-Jackson-Cover von „Man in the Mirror“als Kleinod. Aber Butter bei die Fische: Jeder, der je ein Konzert von Svenja Fischer und ihren süßen Soulsisters und Hosenträger tragenden Blues Brothers erlebt hat, geht mit einem gospeligen Gänsehautgefühl nach Hause. Soprane und Tenöre aus Leidenschaft, Melodien vom Himmel, Rhythmen, die unter die Haut gehen. Garniert mit becircenden Choreographien, die bei „Call Him Up“oder „Wanna Be Happy?“an eine himmlische Girlgroup erinnern. Plötzlich folgt eine hippe Hip-Hop-Einlage. Ein Augen- und Ohrenschmaus. Zwei Dutzend Gospelperlen bietet jedes Konzert, vom klassischen Gospel-Gassenhauer „Oh Happy Day“über FeineSahne-Fischfilet-Soul à la Kirk Franklin bis bin zur Eigenkomposition „Lovin’“. Akustische Streicheleinheiten, funkelnde Sternschnuppen. Zum großen Finale singen die Sängerinnen und Sänger Hand an Hand, ihre strahlenden Stimmen umarmen das Publikum und massieren die Seelen. Zu erleben bei den Adventskonzerten, die wieder
schnell ausverkauft sein werden: am 1.12. in der Nazareth- und am 9.12. in der Himmelfahrtskirche. Halleluja, hoffentlich erbarmt sich Svenja Fischer bald und veröffentlicht endlich ein Livealbum des himmlischen Chors.
Gospels at Heaven Egal, ob im Circus Krone, beim OpenAir im Brunnenhof der Münchner Residenz oder in der Passionskirche, wo der Chor am 2.12. gastiert: In rund 400 Konzerten in Deutschland, Österreich, Italien und Tschechien haben sich die rund 60 Chormitglieder eine treue Fanbase ersungen. Das 20-jährige-Jubiläum wird am 18.5.2019 im Prinzregententheater gefeiert. Das hätte sich wohl nicht einmal Anke Maria Caspari, die Grand Dame des Münchner Gospels, träumen lassen, als sie 1999 den Chor ins Leben rief. Mit Flower Power, Rhythmik, Fröhlichkeit und Emotionalität wirkt Gospelmusik wie eine La-Ola-Welle der Gefühle. Wer sagt denn, dass Beten immer ernst und bieder sein muss? Im April 2016 hat Sonja Lachenmayr das Zepter bei Gospels at Heaven übernommen. Geblieben ist das breite Repertoire vom traditionellen Gospels und Spirituals bis hin zur Benefiz-Hymne „We Are The World“. Begleitet von Jazzpiano und Percussion entfachen Gospels at Heaven ein fulminantes, manchmal pathetisches Feuerwerk der Gefühle.
Gospelchor St. Lukas Der Gospelchor St. Lukas hat sich seit seiner Gründung 1991 als feste Größe in Münchens Musikszene etabliert. Mit rund 40 Stimmen, mal weich und klar, dann rau und soulig, erreicht der Chor ein beachtliches Klangvolumen. In der typischen Call-and-Response-Technik antwortet der Chor in beinahe jedem Song auf einen der zahlreichen Solisten. In rot-orange flatternden Oberteilen über schwarzen Kleidern klatschen, schnipsen und stampfen die Sängerinnen und Sänger mehr oder weniger rhythmisch zu Gospelsongs, Spirituals und Kirchenliedern. Beim Worship-Dauerbrenner „Trading My Sorrows“darf die obligatorische Tanzeinlage nicht fehlen, seinem Faible für ungewöhnliche Klänge frönt Chorleiter Bastian Pusch bei einer bizarren Interpretation des Pop-Songs „People Help The People“. 2015 gewann der Gospelchor St. Lukas den BR-Klassik Wettbewerb „S(w)ing Hallelujah“und 2017 den Bayerischen Chorwettbewerb in der Kategorie „Gospel“. Die beiden Weihnachtskonzerte am 8. und 9.12. in St. Lukaskirche stehen unter dem Motto „Building Bridges“. Publikumsnähe ist das oberste Gebot, sei es beim spontanen Flashmob am Flughafen oder beim Benefiz-Triple-Konzert mit dem Muninch Mass Choir und Gospel’n’Soul vor zwei Jahren. Für nächstes Jahr steht ein besonders Highlight an: eine Reise nach Ruanda, wo man gemeinsam mit der dortigen presbyterianischen Kirche gemeinsam den Kirchentag musikalisch gestalten und feiern will. Gospel goes Graceland.
Munich goes Gospel! Seine Geburtsstunde feierte der Karlsfelder Verein „Munich goes Gospel“im Mai 2012. Viele der rund 40 Chormitglieder sangen zuvor bei Albert C. Humphrey’s & His Voices of Gospel, dem Gospelchor St. Lukas oder den Gospelsternen. Die musikalische Leiterin Caroline von Brünken, einst Frontfrau der Dachauer Jazzband Gin Chillers, und Steffen Zander am Klavier geben wirklich alles, damit ihr Chor die Kirche rockt (so am 2.12. in der Emmauskirche). Mit smarten Stimmen, himmlischer Hingabe und fantastischer Freude gewinnen die Sängerinnen und wenigen Sänger im Nu die Herzen der Zuschauer. Einzig die roten Roben wirken anachronistisch. Dennoch spiegelt sich die Liebe und Begeisterung der Chormitglieder für den Gospel in jedem Ton wider. „Die Münchner wollen singen“titelte die SZ im Juni 2017 einen Lokalartikel über die derzeitige Chor-Mania. Ganz genau: Gospel groovt. Anfangs von seiner Liebsten, einer leidenschaftlichen Gospelsängerin, als Sänger umworben, wird der Autor, nach einigen häuslichen Kostproben, heute nicht mehr als potentielles Chormitglied umgarnt. Ein Aha-Erlebnis hatte er im September 2018 beim Auftritt des Gospelsängers und zwölffachen Grammy-Gewinners Kirk Franklin beim Gospelkirchentag in Karlsruhe: Spätestens als er „My World Needs You“hörte, schlägt sein Herz endgültig für den Gospel und er freut sich sehr auf die Gospel’n’SoulKonzerte, bei denen Kirk-Franklin-Songs auf der Tracklist ganz oben stehen.