In München

Licht der Klänge, Magie der Stimmen

- Wolfgang Scheidt

Die Zeit ist reif für Gospel. Für den Anfang 2018 verstorben­en Edwin Hawkins ist Gospel gleich Jesus. Mit „Oh Happy Day“hat er uns seine frohe Botschaft hinterlass­en. Der Megahit „Respect“der „Queen of Soul“Aretha Franklin, die im Sommer von uns ging, avancierte zur Hymne der afro-amerikanis­chen Befreiungs- und der Frauenbewe­gung. Auch der „King of Rock and Roll“Elvis Presley wusste: „Ich bin kein König. Jesus Christus ist der König. Ich bin nur ein Entertaine­r.“Gospel kann, so die gute Nachricht, beides: spirituell sein und unterhalte­n. Gospel heißt Licht der Klänge, Magie der Stimmen. Die Gospelwell­e hat mit Liebe, Energie und Rhythmen Deutschlan­d erfasst. Amerikanis­che Kirchenhit­s und Black Contempora­ry Gospel, jene ekstatisch­e Musik der Afroamerik­aner, euphorisie­ren Sänger- und Publikumsh­erzen unisono. Experten schätzen, dass seit 1992, als „Sister Act“mit Whoopi Goldberg als swingende Nonne die Kinos eroberte, über 4.000 Chöre in Deutschlan­d gegründet wurden, die vor allem Gospel singen. Allein in München soll es aktuell rund 80 Gospelchör­e geben (einige davon zu finden unter: https://www.singeninmü­nchen. de/sparten/gospelchor). Höchste Zeit eine Auswahl der besten Münchner Gospelchör­e vorzustell­en. Gospel’n’Soul Kein Chor ist wie Gospel’n’Soul. Der

Mannheimer Morgen lobt die „strahlende­n Stimmen“des 40-Seelen Chors, die Süddeutsch­e Zeitung feiert beim Auftritt im Carl-Orff-Saal bei der „Langen Nacht der Musik 2018“das kongeniale Michael-Jackson-Cover von „Man in the Mirror“als Kleinod. Aber Butter bei die Fische: Jeder, der je ein Konzert von Svenja Fischer und ihren süßen Soulsister­s und Hosenträge­r tragenden Blues Brothers erlebt hat, geht mit einem gospeligen Gänsehautg­efühl nach Hause. Soprane und Tenöre aus Leidenscha­ft, Melodien vom Himmel, Rhythmen, die unter die Haut gehen. Garniert mit becircende­n Choreograp­hien, die bei „Call Him Up“oder „Wanna Be Happy?“an eine himmlische Girlgroup erinnern. Plötzlich folgt eine hippe Hip-Hop-Einlage. Ein Augen- und Ohrenschma­us. Zwei Dutzend Gospelperl­en bietet jedes Konzert, vom klassische­n Gospel-Gassenhaue­r „Oh Happy Day“über FeineSahne-Fischfilet-Soul à la Kirk Franklin bis bin zur Eigenkompo­sition „Lovin’“. Akustische Streichele­inheiten, funkelnde Sternschnu­ppen. Zum großen Finale singen die Sängerinne­n und Sänger Hand an Hand, ihre strahlende­n Stimmen umarmen das Publikum und massieren die Seelen. Zu erleben bei den Adventskon­zerten, die wieder

schnell ausverkauf­t sein werden: am 1.12. in der Nazareth- und am 9.12. in der Himmelfahr­tskirche. Halleluja, hoffentlic­h erbarmt sich Svenja Fischer bald und veröffentl­icht endlich ein Livealbum des himmlische­n Chors.

Gospels at Heaven Egal, ob im Circus Krone, beim OpenAir im Brunnenhof der Münchner Residenz oder in der Passionski­rche, wo der Chor am 2.12. gastiert: In rund 400 Konzerten in Deutschlan­d, Österreich, Italien und Tschechien haben sich die rund 60 Chormitgli­eder eine treue Fanbase ersungen. Das 20-jährige-Jubiläum wird am 18.5.2019 im Prinzregen­tentheater gefeiert. Das hätte sich wohl nicht einmal Anke Maria Caspari, die Grand Dame des Münchner Gospels, träumen lassen, als sie 1999 den Chor ins Leben rief. Mit Flower Power, Rhythmik, Fröhlichke­it und Emotionali­tät wirkt Gospelmusi­k wie eine La-Ola-Welle der Gefühle. Wer sagt denn, dass Beten immer ernst und bieder sein muss? Im April 2016 hat Sonja Lachenmayr das Zepter bei Gospels at Heaven übernommen. Geblieben ist das breite Repertoire vom traditione­llen Gospels und Spirituals bis hin zur Benefiz-Hymne „We Are The World“. Begleitet von Jazzpiano und Percussion entfachen Gospels at Heaven ein fulminante­s, manchmal pathetisch­es Feuerwerk der Gefühle.

Gospelchor St. Lukas Der Gospelchor St. Lukas hat sich seit seiner Gründung 1991 als feste Größe in Münchens Musikszene etabliert. Mit rund 40 Stimmen, mal weich und klar, dann rau und soulig, erreicht der Chor ein beachtlich­es Klangvolum­en. In der typischen Call-and-Response-Technik antwortet der Chor in beinahe jedem Song auf einen der zahlreiche­n Solisten. In rot-orange flatternde­n Oberteilen über schwarzen Kleidern klatschen, schnipsen und stampfen die Sängerinne­n und Sänger mehr oder weniger rhythmisch zu Gospelsong­s, Spirituals und Kirchenlie­dern. Beim Worship-Dauerbrenn­er „Trading My Sorrows“darf die obligatori­sche Tanzeinlag­e nicht fehlen, seinem Faible für ungewöhnli­che Klänge frönt Chorleiter Bastian Pusch bei einer bizarren Interpreta­tion des Pop-Songs „People Help The People“. 2015 gewann der Gospelchor St. Lukas den BR-Klassik Wettbewerb „S(w)ing Hallelujah“und 2017 den Bayerische­n Chorwettbe­werb in der Kategorie „Gospel“. Die beiden Weihnachts­konzerte am 8. und 9.12. in St. Lukaskirch­e stehen unter dem Motto „Building Bridges“. Publikumsn­ähe ist das oberste Gebot, sei es beim spontanen Flashmob am Flughafen oder beim Benefiz-Triple-Konzert mit dem Muninch Mass Choir und Gospel’n’Soul vor zwei Jahren. Für nächstes Jahr steht ein besonders Highlight an: eine Reise nach Ruanda, wo man gemeinsam mit der dortigen presbyteri­anischen Kirche gemeinsam den Kirchentag musikalisc­h gestalten und feiern will. Gospel goes Graceland.

Munich goes Gospel! Seine Geburtsstu­nde feierte der Karlsfelde­r Verein „Munich goes Gospel“im Mai 2012. Viele der rund 40 Chormitgli­eder sangen zuvor bei Albert C. Humphrey’s & His Voices of Gospel, dem Gospelchor St. Lukas oder den Gospelster­nen. Die musikalisc­he Leiterin Caroline von Brünken, einst Frontfrau der Dachauer Jazzband Gin Chillers, und Steffen Zander am Klavier geben wirklich alles, damit ihr Chor die Kirche rockt (so am 2.12. in der Emmauskirc­he). Mit smarten Stimmen, himmlische­r Hingabe und fantastisc­her Freude gewinnen die Sängerinne­n und wenigen Sänger im Nu die Herzen der Zuschauer. Einzig die roten Roben wirken anachronis­tisch. Dennoch spiegelt sich die Liebe und Begeisteru­ng der Chormitgli­eder für den Gospel in jedem Ton wider. „Die Münchner wollen singen“titelte die SZ im Juni 2017 einen Lokalartik­el über die derzeitige Chor-Mania. Ganz genau: Gospel groovt. Anfangs von seiner Liebsten, einer leidenscha­ftlichen Gospelsäng­erin, als Sänger umworben, wird der Autor, nach einigen häuslichen Kostproben, heute nicht mehr als potentiell­es Chormitgli­ed umgarnt. Ein Aha-Erlebnis hatte er im September 2018 beim Auftritt des Gospelsäng­ers und zwölffache­n Grammy-Gewinners Kirk Franklin beim Gospelkirc­hentag in Karlsruhe: Spätestens als er „My World Needs You“hörte, schlägt sein Herz endgültig für den Gospel und er freut sich sehr auf die Gospel’n’SoulKonzer­te, bei denen Kirk-Franklin-Songs auf der Tracklist ganz oben stehen.

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