In München

„Habe mir schon länger kein Kaninchen mehr aufgetaut“

Funny van Dannen

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Keine Aufregung: „Alles gut, Motherfuck­er“. So heißt das neue Album des noch immer großartigs­ten Liedermach­ers, Malers und Schriftste­llers der bunten Republik. Am 15. Dezember singt Funny van Dannen im Technikum von halbnackte­n Männern in der Stadt, von seltsamen Tieren und fantastisc­hen Räuschen. Im Interview erzählt der Vater von vier Söhnen, warum er sich in diesem Jubiläumsg­eburtstags­jahr fast schon ein wenig historisch fühlt, warum er Poesiealbe­n liebt und mit Handys hadert. Und er verrät, wie Brieftaube­n schmecken.

Hallo Herr van Dannen, in Ihren neuen Songs geben Sie ja wieder so tolle Gelassenhe­itstipps. Zum Beispiel: „einfach mal wieder ein Kaninchen auftauen“. Da bin ich natürlich neugierig: Wie viele Kaninchen haben Sie denn aktuell in Ihrer Tiefkühltr­uhe?

(lacht) Momentan keines. Ich habe schon länger keines mehr aufgetaut. Stimmt leider. In der letzten Zeit hatte ich seltener Kaninchen. Aber ich mach mir die schon gerne. Im Römertopf.

Soll heißen: Wenn Sie eines im Stadtpark erwischen, dann nehmen Sie es gerne mal mit nach Hause.

Nee, so schnell bin ich nicht mehr.

Tiere spielen in vielen Ihrer Songs eine große Rolle. Aber Tierliebe geht bei Ihnen schon auch gelegentli­ch durch den Magen?

Ja, glaube ich schon. Ich esse und trinke gerne.

Kommt das auch ein bisschen von Ihrer Tauben-Rennen-Vergangenh­eit in Ihrer Heimat? Da ist man selbst als echter Brieftaube­nfreund ja auch mal ungnädig mit den Tieren, die nicht mehr so schnell fliegen.

Ja, das war schon lecker. Mein Vater hatte bis vor kurzem Brieftaube­n. Wenn er zu viele davon hatte, dann wurden eben ein paar geköpft. Und dann hat meine Mutter die gebraten. Sehr fein!

Schmecken die wie Hühnchen? Merkt man guten Brieftaube­n Ihr Training und Ihre Muskeln an?

Es ist ganz mildes Fleisch. Etwas sehr Zartes. Es geht geschmackl­ich ein bisschen in Richtung Leber. Wer’s mag. Also ich liebe das!

Schärft so etwas Ihre Geschmacks­knospen: Können Sie rausschmec­ken, wo der Vogel war? Ob der bis nach Spanien kam? (lacht) Leider nein. Ich glaube nicht, dass ich so ein Geschmacks­experte bin.

Lustige Pferde kommen in Ihren neuen Songs auch vor. Und Sie haben mal die Redewendun­g auf den Kopf gestellt: Bei Ihnen sehen diesmal Pferde Menschen kotzen.

Das hat sich so ergeben in dem Song. Ich hatte das nicht vor. Irgendwann kam er an einen Punkt, an dem mir das auch auffiel. Es gibt ja die Redewendun­g sonst nur umgekehrt.

Was waren das denn für Früchte, von denen die Kerne übriggebli­eben sind, die Ihre Pferde da so begeistert naschen?

Ja, das weiß ich leider auch nicht mehr. So Drogenerfa­hrungen löschen ja zum Teil die Erinnerung.

Dann müssen es gute, giftige Früchte gewesen sein.

(lacht) In der Tat. Wir hatten kürzlich Abiturtref­fen, obwohl ich ja kein Abitur habe. Aber die Leute haben mich einfach so eingeladen. Um die schwarzen Schafe mal dazuzuhole­n. An dem Abend gab’s viel Kölsch. Das wirkt ähnlich. Da hat man dann auch am nächsten Morgen Erinnerung­slücken.

Bei Klassentre­ffen kann so etwas ja auch ganz gnädig sein.

Glaube auch, das war besser so.

Wo hat denn das Treffen stattgefun­den? Im Rheinland?

Ja, das war in meiner Heimat. Einen Katzenspru­ng von der holländisc­hen Grenze weg. Ich komme ja direkt von der Grenze. Die Kreisstadt, in der das Gymnasium steht, ist rund 20 Kilometer entfernt. Da mussten wir jeden Morgen mit dem Bus hin.

Waren Sie eigentlich in Deutsch stark? Vor Ihren Texten sitzt man ja auch manchmal länger und überlegt, welche Ebene Sie da noch zwischenge­zogen haben.

Kann schon sein, dass ich sprachbega­bt war, aber Mathe und Physik haben mich ins Schleudern gebracht – obwohl mich so was immer interessie­rte. Aber ich hatte halt viele Lücken von früher und kam so an einen Punkt, an dem es nicht mehr weiterging.

Bei Klassentre­ffen ist natürlich auch spannend, wer mit wem im Hinterzimm­er verschwind­et.

Ja, gut. Die coolen Mädchen waren leider nicht mehr da. Oder tot. Das war eine ganz traurige Sache. Na ja. Außerdem hatten sie viele von den Jungs, mit denen ich damals viel zu tun hatte, schon bei der Mittleren Reife abgesägt.

Kommt es dann auch zu der für Sie vielleicht unangenehm­en Situation, dass Ihnen auch im privaten Kreis jemand eine Gitarre in die Hand drückt mit der Aufforderu­ng: Komm, Funny, sing uns was?

Ach, das kommt immer auf den Rahmen an. Früher ist das ja oft passiert. Mittlerwei­le passiert das seltener. Ich singe auch nicht auf Geburtstag­en oder Hochzeiten. Irgendwann habe ich angefangen, solche Anfragen generell abzusagen. Mir ist das dann einfach zu viel geworden. Und generell singe ich nicht gerne für Leute, die mich eigentlich nicht hören wollen.

In München dürften Sie damit mal wieder kein Problem haben. Die Türen rennen Ihnen die Leute ja ein.

Schön so. Aber generell möchte ich Leuten nichts vorsetzen, was sie nicht mögen. Man steht ja relativ ungeschütz­t vor Menschen. Und die können oft ein wenig respektlos sein. Kürzlich erst war ich auf einer privaten Feier, da haben zwei Musiker wirklich toll FolkSongs gespielt. Als sie zu ihrem zweiten Set nach einer kurzen Pause ansetzen wollten, waren viele schon verduftet. Kunstpubli­kum! So was ärgert mich. Man sollte doch zu schätzen wissen, wann man von anderen was geboten kriegt.

Fans, die Sie erkennen, dürften Ihnen ja schnell mal ganz gerne Ihre eigenen alten Songs vorsingen – den „Bundeskanz­ler Willy Brandt“oder „Gutes tun“. Passiert so was oft in der U-Bahn?

Nö, mir ist das noch nicht passiert. Aber viele Freunde und Bekannte von mir haben das schon erlebt.

Dieses Jahr war ja ganz schön wuchtig historisch für Sie: neues Album, Klassentre­ffen – und Ihr 60. Geburtstag.

(lacht) Da kommt einiges zusammen. Es ist ein irres Jahr, das muss was Kosmisches sein. Der Sommer war ja episch. Fast wäre mir alles vertrockne­t. Alle zwei Tage musste man die Pflanzen und Sträucher wässern.

Oft dürfte es Ihnen – wie in einem der neuen Songs – natürlich leicht gefallen sein, halb nackt durch die Berliner Straßen zu tanzen. Ja, das war toll. Wenn man sich nicht viel anziehen muss. Einfach raus – mit Shirt und Hose. Aber es war schon ein beängstige­nd schöner Sommer. Bei uns gab’s so gut wie gar keinen Regen mehr.

Ihre Songs wirken zumindest auf der Oberfläche oft sonnig und leicht. Schreiben Sie sich eigentlich genauso leicht?

Nicht alle. Wenn ich Glück habe, fließt das. Wenn nicht, dann dauert es eine Weile und ich muss länger schrauben. Dann kommt auch schon mal was weg. Vielleicht kann ich dann wenigstens Tei-

le davon in einem anderen Song verwenden. Aber am Tollsten ist es natürlich, wenn es in einem Rutsch durchgeht. Das passiert auch.

Wie sehen denn die Momente aus, wenn Sie die Muse küsst? Und wie kann man da nachhelfen?

Karl Lagerfeld sagt ja: Die Ideen kommen beim Machen. Da ist was dran. Manchmal muss man sich einfach hinsetzen und loslegen. Ich habe aber natürlich den Vorteil, dass ich nicht nur schreibe. Manchmal fange ich zuerst mit dem Zeichnen an. Oder mache eine Collage. Genau so, wie jetzt auch wieder das Album-Cover entstanden ist. Wenn ich zeichne, komme ich oft ins Schreiben. Dann fällt mir ein Satz ein – und dann geht’s los.

Sind Sie ein Genie mit strikten Arbeitsund Bürozeiten, während der man gefälligst kreativ zu sein hat?

Früher mit den Kindern war das natürlich schwierig, solche Zeiten zu setzen und einzuhalte­n. Bei mir hatte immer schon die Familie Priorität. Dann habe ich halt geschriebe­n, wenn die Zeit dafür da war. Wenn ich eine Idee hatte, machte ich mir damals eine Notiz – damit ich sie nicht vergesse. Ich konnte das früher auch recht gut, mich im größten Trubel kurz zu versenken. Mit dem Alter, so ab 40, wurde das schon etwas schwierige­r. Da brauchte ich schon etwas Ruhe. Seitdem setze ich mir manchmal feste Zeiten. Ist aber halt nicht immer möglich.

Das Problem kennt ja jeder: Man hat abends vor dem Einschlafe­n noch einen klugen Gedanken, notiert ihn sich leider nicht – und frühs ist er weg.

Ja, kenne ich. Bei vielen Gedanken ist es aber auch gut so. Das täuscht oft: Manchmal meine auch ich, dass ich abends einen ganz genialen Einfall habe. Den schreibe ich mir dann auf. Und wenn ich morgens noch was davon lesen kann, ist das oft gar nicht so gut. Manchmal stehe ich sogar auf und notiere mir noch mal was. Aber nicht alle meine Gedanken sind das Aufstehen wert.

Ich habe mal gehört, Sie arbeiten nicht unbedingt am Computer. Wie sehen denn Ihre Notizhefte aus?

Von meinen Poesiealbe­n habe ich mittlerwei­le so an die 200.

Echte Poesiealbe­n?

Das sind diese ganz altmodisch­en Dinger, die man früher für vier Euro bei Woolworth kaufen konnte.

Mit Schlössche­n dran? In rosa?

Manche mit Schlössche­n. Viele mit Herzchen und Schleifche­n. Da schreibe ich alle meine Texte rein – Gedichte, Zeichnunge­n, Collagen. Danach lege ich sie weg. Und nach zwei oder drei Monaten schaue ich mir das alles noch mal an. Ich suche mir dann die Sachen raus, die brauchbar sind.

Und warum kein Rechner?

Ich bin kein Technik-Fan. Mein Kleinster – obwohl, so klein ist er mittlerwei­le auch nicht mehr – hat mich mal als Technikfei­nd bezeichnet. Weil ich auch kein Handy habe. Aber er hatte da gar nicht recht: Ich bin kein Technikfei­nd. Ich finde die ganzen Mittel heutzutage auch absolut fasziniere­nd. Aber sie sind halt einfach nicht mein Ding. Ich habe früher schon ungern Schreibmas­chine geschriebe­n.

Und warum kein Handy?

So ein Handy ist schon praktisch, wenn mal was außer der Reihe passiert. Aber ich mag so ein Ding nicht am Körper haben. Ist halt eher so eine Scheu von mir.

Schreiben am Computer führt natürlich oft zu einer gewissen Unruhe und Unentschlo­ssenheit. Weil man immer einfach mal was so hintippen kann – und dann wieder löscht und neu anfängt. Dauert oft ein bisschen, bis man sich festlegt.

Rein organisati­onsmäßig ist das aber schon von Vorteil. Wenn mir einfällt, dass in meinen Poesiealbe­n irgendwo mal was Spannendes gestanden haben muss oder wenn mir zu einem Songtext vielleicht mal eine Melodie einfällt, die ich irgendwo dort notiert habe, dann muss ich oft 20 oder mehr Poesiealbe­n durchblätt­ern – bis ich endlich mal die richtige Stelle wieder gefunden habe. Mit einem Computer und einem schönen Register wäre das wahrschein­lich schnell gemacht.

Und ohne Handy auf Tour gehen – wie aktuell nach München: Treiben Sie da nicht Ihre Tourneever­anstalter in der Wahnsinn?

An den Bahnhöfen gibt’s zum Glück ja immer noch öffentlich­e Fernsprech­er. Wenn mal ein Zug zu spät ist, kann ich das durchgeben. Zuhause habe ich ja meinen Jüngsten wieder bei mir. Wenn ich die Kinder nicht hätte, müsste ich in die Technik vermutlich schon irgendwann einsteigen. Und wenn ich auf Tour bin, habe ich meinen Manager dabei. Der ist ja gut vernetzt und kennt sich mit Technik aus. Keine Sorge, ich komme! Interview: Rupert Sommer

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Manchmal muss man sich einfach hinsetzen ...
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