Volker Kutscher
Marlow
(Piper)
Fast acht Millionen Zuschauer – so viele wie sonst nur beim „Tatort“– fieberten mit, als die ARD zuletzt die vielfach gefeierte „Babylon Berlin“-Serie ein Jahr nach ihrer Premiere bei Sky ins Programm gehievt hatte. Fast genauso süchtig wie der zitterfingrige Morphinist Gereon Rath klickten sich die Fans mit bleichen Gesichtern nachts durch die Mediatheken. Doch jetzt folgte erst mal das große Bibbern auf Entzug: Für die dritte „Babylon“-Staffel braucht es Geduld. Oder aber man greift zur Ersatzdroge – den Originalromanen von Volker Kutscher, der mit dem „Nassen Fisch“schon die Krimivorlage für die Drehbücher lieferte, die von den TV-Produzenten dann aber kräftig durchgeackert und auf Krawall getrimmt wurden. „Marlow“ist schon der siebte RathRoman, zehn sollen es werden. Im Jahr 1938, kurz vor dem von den Nazis angezettelten Krieg, wird Schluss sein. Doch schon im neuen Schmöker fährt der Karren gegen die Wand – und das darf man ganz wörtlich verstehen. Rath bekommt es schon auf den ersten Seiten mit einem blutigen Tatort, einem offenbar außer Kontrolle geratenen Berliner Taxi, zu tun. Doch nicht zu früh freuen: Die KutscherWelt unterscheidet sich deutlich von der Serie. Der Autor hat den Schneid, gegen die starken TV-Bilder anzuschreiben – und „seine“Geschichte zu behalten. Deswegen lauert im Zentrum des Moloch-Großstadt-Romans auch der geheimnisvolle Oberschurke Marlow in SS-Uniform, der schon früh seine Strippen zog, im Fernsehen aber ausgeblendet blieb. Und auch die kesse Charlotte „Charlie“Ritter, mittlerweile Raths Ehefrau, bekommt eine andere Biografie. Etwas ernüchternd nur, dass Kutscher sprachlich nicht immer ganz gegen die Wucht der Bilder ankommt. Doch sein Buch hilft gegen das Zittern.