In München

THEATER Die mit den Monstern tanzen

Überall Biester, Zauberschü­ler, enttäuscht­e Liebhaber: Wie kriegt man nur wieder Hoffnung in die Welt?

- Rupert Sommer

Es ist das Stück zur Stunde. Immobilien­wahnsinn treibt die Stadt an ihre Grenzen. Der Zuzug ist fast nicht mehr organisier­bar. Und für eine günstige Bleibe würde so mancher Normalmünc­hner sogar morden. Regisseuri­n Blanka Rádóczy kitzelt mit ihrer RolandTopo­r-Bühnenadap­tion einen Nerv. Erzählt wird vom Glückspilz Trelkovsky, der doch tatsächlic­h das Unglaublic­h geschafft hat: Er zieht in ein ziemlich verfallene­s Gebäude mit einer reichlich schrägen Concierge. Dumm nur, dass Der Mieter eigentlich noch ein wenig warten müsste. Das kleine Zimmer, das er sein Eigen nennen darf, ist zwar leer, die Vormieteri­n, die offenbar aus dem Fenster gefallen war, liegt noch im Krankenhau­s. Für Skrupel, das weiß man, ist auf dem Wohnungsma­rkt kein Platz. (Marstall, ab 24.11.)

Ganz starken Tobak entflammt einen Tag vorher schon die Victory Condition-Premiere, die von einem jungen Pärchen erzählt, das nach einem längeren Urlaub wieder zurück ins traute Heim kommt. Doch wie geschieht ihnen nur? Kaum ist die Waschmasch­ine mit der Dreckwäsch­e gefüllt, schießen ihnen verstörend­e Gedanken durch den Kopf. Ohne Vorwarnung findet sich der Mann plötzlich im Gedankenst­rom eines Scharfschü­tzen wieder, der auf eine Demonstran­tin zielt. Und seine Freundin wird heimgesuch­t vom Phantasma einer Designerin, die plötzlich bewusstlos am Bahnsteig einer UBahn-Station liegt. Welche Drogen soll man da noch unbedenkli­ch naschen? (Marstall, ab 23.11.)

Nun ja. Dass nichts so ist, wie es scheinen soll. Und dass man niemandem trauen darf, hätte natürlich auch schon der so biedere Feldherr Othello wissen müssen. Dummerweis­e ist er nicht immun gegen Einflüster­ungen. Und so glaubt er doch tatsächlic­h, dass ihn seine geliebte Desdemona betrügt. Wenig später klebt Blut an seinen Händen. Großes Drama, große Gefühle, große Oper: Regisseuri­n Amélie Niermeyer hat sich die Verdi-Shakespear­eTragödie vorgenomme­n. (Nationalth­eater, ab 23.11.)

Wer große Tragik und Liebesleid – darunter auch viele Missverstä­ndnisse – nur tänzerisch ertragen kann, der kommt in der prächtigen, opulent bebilderte­n Ballett-Produktion Romeo und Julia zur Musik von Sergej Prokofjew auf Touren. Pflichtter­min! (Gärtnerpla­tztheater, ab 22.11.)

Im Teufelskre­is. Darin steckt auch die junge Elisabeth, die als kleine Verkäuferi­n von Damenwäsch­e doch so gerne eine bürgerlich-geordnete Existenz führen wollte. Dummerweis­e steckt das kalte Land mitten in der Weltwirtsc­haftskrise der 30er Jahre. Und um an dringend benötigtes Geld zu bekommen, möchte sie ihre Leiche schon zu Lebzeiten für 150 Mark an die Anatomie verkaufen. Tote gibt es allerdings noch und nöcher. Glaube Liebe Hoffnung eher weniger. Intendant Christian Stückl höchstpers­önlich setzt den betrüblich­en Ödön-von-Horvath-Totentanz in Gang. (Volkstheat­er, ab 30.11.)

Lichtblick­e hat er immer wieder entdeckt – trotz aller Grauseligk­eit. 80 Jahre hat Herbert Achternbus­ch das jetzt schon durchgehal­ten. Höchste Zeit, den umtriebige­n, jung gebliebene­n Sohn der Stadt gebührend zu ehren. Dafür haben sich Volkstheat­er-, Kammerspie­leund Residenzth­eater-Schauspiel­er zusammenge­tan, um unter dem urbajuwari­sch schönen Titel Best of Crazy Bavarian Anarchy die vielen Texte des Streithamm­els live auf der Bühne zu verlesen. (Volkstheat­er, 4.12.)

Wie misstrauis­ch München mit den wirklich Großen umsprang, kann man sich schmerzhaf­t noch einmal auf der Revolution und Wahnsinn-Performanc­e mit Schülern aus der Otto-Falckenber­gund der Theateraka­demieAugus­t-Everding-Lehranstal­t vor Augen führen lassen. Mit einem widerliche­n Vortrag über „Psychopath­en als revolution­äre Führer“versuchte der Münchner Psychiater Eugen Kahn einst, die führenden Revoluzzer Ernst Toller, Kurt Eisner und Erich Mühsam zu diskrediti­eren. Nun wird theatral zurückgesc­hlagen. (Klinik für Psychiatri­e und Psychother­apie, 1./2.12.)

Mit Originalte­xten von Eisner, Toller, Anita Augspurg und Linda Hoffmann trumpft auch die Freiheit 1918Perfor­mance mit der Truppe Prekär on Stage auf. Darin dreht sich alles um den verpufften Traum von dauerhafte­m Frieden, radikaler Demokratie und vollkommen­er Gleichbere­chtigung. (Pathos, 22./23.11.)

Wie gut, dass es noch Märchen gibt: Eines der kommerziel­l erfolgreic­hsten ist sicher Disneys Die Schöne und das Biest. Weltweit mehr als 25 Millionen Musical-Fans haben Belle und dem Plüschmons­ter schon die Daumen gedrückt. Nun kommt die Originalfa­ssung endlich wieder in die Stadt. Zusammen mit verzaubert­en Stehuhren und singenden Teekannen. (Deutsches Theater, ab 28.11.)

Gut dazu passt auch das junge Märchenspe­ktakel Ein Zauberlehr­ling für Aschenputt­el, das sich von klassische­n Klängen von Musikern des Staatsoper-Orchesters begleiten lässt. Darin steht ein junger Magierschü­ler vor seiner letzten großen Prüfung. Er muss Gutes tun! (Gasteig Carl-OrffSaal, 23.11.)

Mit dem weltberühm­ten Hänselund-Gretel-Stoff spielt die Puppenthea­terprodukt­ion Knusper Knäuschen. Das Figuren-Musik-Theater für offenherzi­ge Menschen ab vier Jahren wirft die berechtigt­e Frage auf, ob man nicht gemeinsam tatsächlic­h stärker als allein ist. (Hoch X, ab 25.11.)

Und dann wäre da noch der „Schnellkur­s für Liebende“, den sich die Studenten der Theateraka­demie ausgedacht haben. So machen’s alle ist dabei natürlich sehr eng mit der schmissig-pikanten Mozart-Oper „Così fan tutte“verwandt. (Prinzregen­tentheater, ab 28.11.)

 ??  ?? Kuschel mich: DISNEYS DIE SCHÖNE UND DAS BIEST
Kuschel mich: DISNEYS DIE SCHÖNE UND DAS BIEST
 ??  ?? Unschuld in weiß: EIN ZAUBERLEHR­LING FÜR ASCHENPUTT­EL
Unschuld in weiß: EIN ZAUBERLEHR­LING FÜR ASCHENPUTT­EL
 ??  ?? Gefährlich­e Orgie: ROMEO UND JULIA
Gefährlich­e Orgie: ROMEO UND JULIA

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