THEATER Die mit den Monstern tanzen
Überall Biester, Zauberschüler, enttäuschte Liebhaber: Wie kriegt man nur wieder Hoffnung in die Welt?
Es ist das Stück zur Stunde. Immobilienwahnsinn treibt die Stadt an ihre Grenzen. Der Zuzug ist fast nicht mehr organisierbar. Und für eine günstige Bleibe würde so mancher Normalmünchner sogar morden. Regisseurin Blanka Rádóczy kitzelt mit ihrer RolandTopor-Bühnenadaption einen Nerv. Erzählt wird vom Glückspilz Trelkovsky, der doch tatsächlich das Unglaublich geschafft hat: Er zieht in ein ziemlich verfallenes Gebäude mit einer reichlich schrägen Concierge. Dumm nur, dass Der Mieter eigentlich noch ein wenig warten müsste. Das kleine Zimmer, das er sein Eigen nennen darf, ist zwar leer, die Vormieterin, die offenbar aus dem Fenster gefallen war, liegt noch im Krankenhaus. Für Skrupel, das weiß man, ist auf dem Wohnungsmarkt kein Platz. (Marstall, ab 24.11.)
Ganz starken Tobak entflammt einen Tag vorher schon die Victory Condition-Premiere, die von einem jungen Pärchen erzählt, das nach einem längeren Urlaub wieder zurück ins traute Heim kommt. Doch wie geschieht ihnen nur? Kaum ist die Waschmaschine mit der Dreckwäsche gefüllt, schießen ihnen verstörende Gedanken durch den Kopf. Ohne Vorwarnung findet sich der Mann plötzlich im Gedankenstrom eines Scharfschützen wieder, der auf eine Demonstrantin zielt. Und seine Freundin wird heimgesucht vom Phantasma einer Designerin, die plötzlich bewusstlos am Bahnsteig einer UBahn-Station liegt. Welche Drogen soll man da noch unbedenklich naschen? (Marstall, ab 23.11.)
Nun ja. Dass nichts so ist, wie es scheinen soll. Und dass man niemandem trauen darf, hätte natürlich auch schon der so biedere Feldherr Othello wissen müssen. Dummerweise ist er nicht immun gegen Einflüsterungen. Und so glaubt er doch tatsächlich, dass ihn seine geliebte Desdemona betrügt. Wenig später klebt Blut an seinen Händen. Großes Drama, große Gefühle, große Oper: Regisseurin Amélie Niermeyer hat sich die Verdi-ShakespeareTragödie vorgenommen. (Nationaltheater, ab 23.11.)
Wer große Tragik und Liebesleid – darunter auch viele Missverständnisse – nur tänzerisch ertragen kann, der kommt in der prächtigen, opulent bebilderten Ballett-Produktion Romeo und Julia zur Musik von Sergej Prokofjew auf Touren. Pflichttermin! (Gärtnerplatztheater, ab 22.11.)
Im Teufelskreis. Darin steckt auch die junge Elisabeth, die als kleine Verkäuferin von Damenwäsche doch so gerne eine bürgerlich-geordnete Existenz führen wollte. Dummerweise steckt das kalte Land mitten in der Weltwirtschaftskrise der 30er Jahre. Und um an dringend benötigtes Geld zu bekommen, möchte sie ihre Leiche schon zu Lebzeiten für 150 Mark an die Anatomie verkaufen. Tote gibt es allerdings noch und nöcher. Glaube Liebe Hoffnung eher weniger. Intendant Christian Stückl höchstpersönlich setzt den betrüblichen Ödön-von-Horvath-Totentanz in Gang. (Volkstheater, ab 30.11.)
Lichtblicke hat er immer wieder entdeckt – trotz aller Grauseligkeit. 80 Jahre hat Herbert Achternbusch das jetzt schon durchgehalten. Höchste Zeit, den umtriebigen, jung gebliebenen Sohn der Stadt gebührend zu ehren. Dafür haben sich Volkstheater-, Kammerspieleund Residenztheater-Schauspieler zusammengetan, um unter dem urbajuwarisch schönen Titel Best of Crazy Bavarian Anarchy die vielen Texte des Streithammels live auf der Bühne zu verlesen. (Volkstheater, 4.12.)
Wie misstrauisch München mit den wirklich Großen umsprang, kann man sich schmerzhaft noch einmal auf der Revolution und Wahnsinn-Performance mit Schülern aus der Otto-Falckenbergund der TheaterakademieAugust-Everding-Lehranstalt vor Augen führen lassen. Mit einem widerlichen Vortrag über „Psychopathen als revolutionäre Führer“versuchte der Münchner Psychiater Eugen Kahn einst, die führenden Revoluzzer Ernst Toller, Kurt Eisner und Erich Mühsam zu diskreditieren. Nun wird theatral zurückgeschlagen. (Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, 1./2.12.)
Mit Originaltexten von Eisner, Toller, Anita Augspurg und Linda Hoffmann trumpft auch die Freiheit 1918Performance mit der Truppe Prekär on Stage auf. Darin dreht sich alles um den verpufften Traum von dauerhaftem Frieden, radikaler Demokratie und vollkommener Gleichberechtigung. (Pathos, 22./23.11.)
Wie gut, dass es noch Märchen gibt: Eines der kommerziell erfolgreichsten ist sicher Disneys Die Schöne und das Biest. Weltweit mehr als 25 Millionen Musical-Fans haben Belle und dem Plüschmonster schon die Daumen gedrückt. Nun kommt die Originalfassung endlich wieder in die Stadt. Zusammen mit verzauberten Stehuhren und singenden Teekannen. (Deutsches Theater, ab 28.11.)
Gut dazu passt auch das junge Märchenspektakel Ein Zauberlehrling für Aschenputtel, das sich von klassischen Klängen von Musikern des Staatsoper-Orchesters begleiten lässt. Darin steht ein junger Magierschüler vor seiner letzten großen Prüfung. Er muss Gutes tun! (Gasteig Carl-OrffSaal, 23.11.)
Mit dem weltberühmten Hänselund-Gretel-Stoff spielt die Puppentheaterproduktion Knusper Knäuschen. Das Figuren-Musik-Theater für offenherzige Menschen ab vier Jahren wirft die berechtigte Frage auf, ob man nicht gemeinsam tatsächlich stärker als allein ist. (Hoch X, ab 25.11.)
Und dann wäre da noch der „Schnellkurs für Liebende“, den sich die Studenten der Theaterakademie ausgedacht haben. So machen’s alle ist dabei natürlich sehr eng mit der schmissig-pikanten Mozart-Oper „Così fan tutte“verwandt. (Prinzregententheater, ab 28.11.)