KABARETT Eleganz ist eben auch nur eine Art Ansichtssache
Silberne Matte, Gold im Herzen: Selbstdarsteller überzeugen am Wirkungsvollsten, wenn sie ganz authentisch irre bleiben.
Er ist der elegante Silberfuchs der deutschen Unterhaltungsbranche – ursprünglich der fiese High-Society-Schurke aus zahllosen GrünwaldKrimis, in der zweiten Karriere – spätestens seit dem „Schuh des Manitu“- der Gute-Laune-Schlacks. Erst spät durfte Fernsehdeutschland herausfinden, dass er nicht nur ein großes Herz, sondern extra viel Humor sein Eigen nennt. Nun kommt Sky Du Mont – natürlich in den „Silbersaal“– und stellt sich der bangen Frage: Was ist das eigentlich, das Alter? Und wie kommt man möglichst elegant dahin? „Jung sterben ist auch keine Lösung“heißt das Buch zum Bühnenprogramm, und begleitet von der Klavierkabarettistin Christine Schütze ist das ganz großer Spaß. (Deutsches Theater, 25.11.)
Wie man sich selbst viel zu früh alt macht, bekommt man warnend im neuen „Immer ich“-Programm von Ingo Börchers vorgeführt – zum Abgewöhnen. Schnell noch ein Selfie geschossen, dann nichts wie ab ins Fitnessstudio zur schweißtreibenden Selbstoptimierung. Immer hektisch auf dem Sprung – und immer „authentisch“sein dabei. Was früher nur für Promis galt, ist längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Unheilvoll. (Lach- und Schießgesellschaft, 24.11.)
Um Lars Reichow ist es dabei schon geschehen. Ihm ist unlängst der Kragen geplatzt. Und damit wurde es natürlich höchste Zeit für ein neues Programm – und klare Worte: Ein Bekenntnis zur Freiheit, zu Europa und zur Demokratie. Haltung, Anstand, Wahrheit – alles wichtig. Lars Reichow geht es jedoch um mehr: Um die „Lust“. Und so nennt er seinen neuen Aufschlag, in dem er wie üblich unnachahmlich Klavier- und Kabarettkunst mixt. Wo könnte das besser hinpassen? Ja genau! (Lustspielhaus, 1.12.)
Florian Schroeder steht ebenfalls knapp vor dem Verzweifeln. Doch er weiß sich zu helfen. Er blättert schnell noch mal eben im abgeliebelten Reclam-Heft nach. „Ich bin der Teil von jener Kraft, die stets das Böse will und stets das Gute schafft“, sagt der teuflische Mephisto da zum Faust. Goethe, schön und gut. Doch was würde er heute sagen – im permanenten Ausnahmezustand unserer Zeit? Gutmensch ist ein Schimpfwort. Gleichzeitig wollen alle ungebremst auf die gute Seite – am besten sogar gleich in den Himmel. Aber ob sie dort Einlass finden? Derweil sprengen sich die Bösen in die Luft und hoffen – Ironie! – auf Erlösung im Jenseits. „Ausnahmezustand“ist ein böse gutes neues Programm. (Schlachthof, 28.11.)
Nicht so leicht aus der Ruhe bringen lässt sich dagegen Sepp Schauer, der feine Herr „Sepp Sturm“alias Alfons Sonnbichler aus dem „Sturm der Liebe“. Im neuen Bühnenprogramm „SturmWarnung – Die Achte“will er sich nicht verrückt machen lassen – schon gar nicht von der digitalen Welt. Trotzdem: Gerade im Straßenverkehr ist natürlich auch die anbrechende staade Zeit nicht leise. Mit neuen Ernährungsformen, Renovierungsversuchen oder anderen Eigenheiten der „Zuagroasten“in der gar nicht mehr gemütlichen Stadt, kann man auch Schauer kirre machen. Heinz-Josef Braun hat ihm mal wieder die passend unaufgeregten Lieder zum Programm geschrieben. (Drehleier, 23./24.11.)
Wenn schon schöne Männer, dann lieber gleich auch noch den Austrofred mitnehmen, den „feschesten Österreicher aller Zeiten“, wie er über sich selbst verbreiten lässt. Der legendäre Freddie-MercuryWiedergänger, der in der engen Kunststoffhose schon so manches Gemeindezentrum zum Kochen gebracht hat, kreist im neuen umfassenden Programm um die ganz großen Themen Liebe, Tod, Kunst und Humor. Mit Kulinarik hält er sich dagegen nicht lange auf. Denn, so der Austrofred, dass ein Schnitzel ein der Weißwurst um Lichtjahre über-
legenes Nationalgericht ist, darüber braucht man eh nicht lang diskutieren. Stimmt eigentlich. (Vereinsheim, 4.12.)
Von den noch ganz Jungen-Unarrivierten lernen kann man bekanntlich am besten auf dem alljährlichen Kabarett Kaktus-Nachwuchsfestival, das wie immer in der Pasinger Fabrik ausgetragen wird. Hier drängen vielversprechende Newcomer in drei Wettbewerbsrunden auf die Bühne. Zwischendurch geben sich die Preisträger aus dem Vorjahr noch einmal die Ehre – Tino Bomelino mit seinem Programm „Man muss die Dinge nur zu Ende“sowie Arndt Ulrichsen mit „Ist die Realität an allem schuld?“– sowie mit Ludwig W. Müller, Karl Gschaider und Milka Blauensteiner „Ein Paar Wiener für München“. Außerdem gilt es natürlich mit aller Leidenschaft, das diesjährige rund 30-Jahre-Jubiläum zu feiern. Hoch die Krüge! (Pasinger Fabrik, 23.11. bis 2.12.)
Dass auf dem Tollwood mehr zu holen ist als nur Anregungen für die Geschenkekorb, versteht sich von selbst. Besonders freuen dürfen sich die Humorwilligen auf das Gastspiel des Power-Duos mit dem sperrigen Namen Das Geld liegt auf der Fensterbank, Marie aus Hannover. Wiebke Eymess und Friedolin Müller schwelgen in Endzeit-Walzerseligkeit und zünden dann schon weit vor Silverster ein echtes Feuerwerk ab. Mit Gag-Raketen, versteht sich. (Tollwood Wintersalon, 15.12)
„Dilettanz auf dem Vulkan“bietet dort übrigens auch Mathias Tretter mit seinem aktuellen „Pop“-Gastspiel. Und das knallt wirklich. (Tolllwood Wintersalon, 21.12.)
Bleibt zum Abschluss noch ein ganz pikanter Vor-Festtags-Kitzel: Christmas is coming versteht sich als die „Weihnachtsshow der Travestie“mit Winnie Winter, Conny Condor, Tracy Dash und Dean DeVille. Andere feiern die stille Nacht leise, hier wird’s richtig laut. Und sinnlich. (Teamtheater Salon, 30.11./1.12.)