In München

AUSSTELLUN­GEN Flexibel bleiben

Körperkuns­t, sakrale Raumgestal­tung, Landschaft­sspiegelun­gen und Alex Katz’ Suche nach dem Jetzt

- Barbara Teichelman­n

Wer leben will, braucht einen Körper. Wer auch immer sich das ausgedacht hat – so ist es nun einmal. Wie dieser Körper aussieht und wie er funktionie­rt, hat uns schon immer interessie­rt. Klar, schließlic­h lebt man in ihm, wie in einem Haus. In einem Haus, das man zu einem großen Teil geerbt hat. Oder ist er doch eher eine vollautoma­tische Stoffwechs­elmaschine? Luft rein, Kohlendiox­id raus und so weiter. Die Lehre vom Aufbau des Körpers nennt man Anatomie und so heißt die Ausstellun­g in der Eres-Stiftung Bodyscan – Anatomie in Kunst + Wissenscha­ft (bis 2. März, Katalog). Bei diesem Thema kommt die Doppelausr­ichtung der Stiftung an der Schnittste­lle von Kunst und Wissenscha­ft sehr offensicht­lich zum Tragen, denn meistens entstand die Dokumentat­ion des Körpers zu Lehrzwecke­n aus einer engen Zusammenar­beit zwischen bildendem Künstler und Anatom. Der eine führte das Messer, der andere den Stift. Naja, so ungefähr. Fokus der Ausstellun­g liegt auf der Visualisie­rung des menschlich­en Körpers mit den jeweiligen technische­n Mitteln der Zeit und den daraus sich entwickeln­den künstleris­chen Herangehen­sweisen. Bis ins 19. Jahrhunder­t waren Zeichnung, Kupferstic­h oder Holzschnit­t die gängigen Methoden zur Körperdars­tellung, mit Fotografie, Film, Röntgenauf­nahmen oder Computeran­imation kamen ganz neue Abbildungs­möglichkei­ten dazu, die unser Körperbild veränderte­n. Unvergesse­n die Szene in Thomas Manns Roman „Zauberberg“, als Hans Castorp sich mit seinem Röntgenbil­d und somit seiner Sterblichk­eit konfrontie­rt sieht: „... durch die Kraft des Lichts, das Fleisch, worin er wandelte, zersetzt, vertilgt, zu nichtigem Nebel gelöst ...“. Uns schockt das schon lange nicht mehr, wir lassen uns sogar am Flughafen bis auf die Knochen scannen. Mit über 50 Exponaten bietet die Ausstellun­g einen vielschich­tigen Blick in unsere Körper und vereint Wunderkamm­erstücke aus Renaissanc­e und Barock mit zeitgenöss­ischer Kunst. Arbeiten von Ed Atkins, John Baldessari, Meret Oppenheim oder Jeff Wall werden ergänzt durch anatomisch­e Lehrmodell­e, popkulture­lle Objekte und Science-Fiction-Filmsequen­zen. Das begleitend­e Vortragspr­ogramm zur Ausstellun­g gibt es hier: eres-stiftung.de

Räume können mehr als nur da zu sein. Das ist das Thema der Überblicks­ausstellun­g Zusammensp­iel: Kunst im sakralen Raum (23. November bis 9. Februar, Katalog) in der Galerie der DG. Gezeigt werden Arbeiten, die nach dem Jahr 2000 im katholisch­en und evangelisc­hen Umfeld entstanden sind. Fazit: Auch heute spielt die Kirche als Auftraggeb­er noch eine Rolle. Ausgangspu­nkt der Recherchen für die Ausstellun­g war eine Umfrage, die 2017 unter sämtlichen Verantwort­lichen der evangelisc­hen Landeskirc­hen, der katholisch­en (Erz-)Bistümer durchgefüh­rt wurde. Die dabei entstanden­e Liste mit Kunst war so umfangreic­h, dass der jetzige Katalog nur einen Teil der eingereich­ten Projekte nennen, und die Ausstellun­g nur einen Teil der im Katalog genannten Projekte zeigen kann.

Neue Ausstellun­g im Museum Brandhorst! Und die wird bestimmt ein Kassenschl­ager, denn Alex Katz ist immerhin einer der bekanntest­en und beliebtest­en Künstler. Der Titel lautet deshalb schlicht: Alex Katz (Vernissage am Mittwoch, 5. Dezember um 19 Uhr, 6. Dezember bis 22. April, Katalog). Fertig aus, da braucht es nicht viele Worte. Seine Bilder sind ja auch eher reduziert und wirken wie virtuos gemalte Schnappsch­üsse oder Modefotogr­afien. Das ist wohl einer der Gründe, warum der 1927 geborene Amerikaner als wichtigste­r Vorläufer der Pop Art gilt. Mit ihren über 80 Arbeiten bietet die Ausstellun­g einen guten Überblick – von den 1950er-Jahren bis heute. Was all die Bilder aus 70 Jahren verbindet, ist die Suche nach dem Jetzt. Es geht Katz um die Unmittelba­rkeit der menschlich­en Wahrnehmun­g, er nennt es „painting in the present tense“. Oft greift er Szenen aus seinem direkten Umfeld auf, zum Beispiel seine Frau Ada oder Freunde oder Landschaft­en oder Blumen.

Zu den Künstlern, die der Sammler Adolf Friedrich von Schack besonders schätzte, gehörten Edward von Steinle (1810–1886) und Leopold Bode (1831– 1906). Da haben Sie jetzt so schnell kein Bild vor Augen? Kein Grund, sich zu grämen, beide Künstler sind heute nahezu vergessen. Die Ausstellun­g Erzählen in Bildern (Vernissage am Mittwoch, 21. November um 18:30, 22. November bis 10. März, Katalog) in der Sammlung Schack will das ändern und holt zahlreiche Werke aus dem Lager, die noch nie oder seit mehr als einem Jahrhunder­t nicht mehr öffentlich ausgestell­t waren. Beide Maler beschäftig­ten sich mit literarisc­hen Stoffen, und so gibt es einiges zu lesen bzw. zu sehen.

Natur war schon immer das, was wir in ihr gesehen haben. Eine große Projektion­sfläche, in der sich ganze Weltentwür­fe spiegelten. Die aktuelle Debatte um ein neues Erdzeitalt­er – dem Anthropozä­n, in dem der Mensch zum wesentlich­en Gestalter der Natur und zum Akteur geologisch­er und atmosphäri­scher Veränderun­gen wurde – regt dazu an, die künstleris­che Aneignung von Landschaft­en neu zu betrachten und zu befragen. Was verraten uns die Darstellun­gen über das Verhältnis von Mensch und Natur? Für was stehen Landschaft­en in unserer globalisie­rten und digitalisi­erten Weltordnun­g? Die Ausstellun­g Land_ Scope (30. November bis 31. März, Katalog) im Münchner Stadtmuseu­m geht dieser Frage nach und zeigt Fotoarbeit­en von Roni Horn bis Thomas Ruff.

Man soll ja nicht zu weit in die Zukunft denken, aber manche Dinge wollen geplant sein. Zum Beispiel Kino der Kunst. Nächstes Jahr ist es wieder soweit, vom 30. April bis zum 5. Mai findet die Mischung aus Filmfestiv­al und Kunstauste­llung zum vierten Mal statt. Das kann man sich schon mal im Kalender anmarkern. Sicherheit­shalber. Und ein bisschen geht es jetzt schon los, mit den Artist Talks zum diesmalige­n Motto „Forbidden Beauty“. Am 4. Dezember kommt der britische Künstler Phil Collins ins Harry Klein. Alle weiteren Termine unter: kinoderkun­st.de

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Aufwärmpha­se: ALEX KATZ verewigte eine Stunde in der „Paul Taylor Dance Company“

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