LITERATUR Vergiss die Peitsche nicht, Schatz!
Wie man sich gefühlsmäßig wieder auf Touren bringt. Und wovor man sich fürchten darf.
Jetzt weihnachtet es doch wirklich schon wieder. Unübersehbar. Und leider auch riechbar. Und die Partnerschaft liegt noch immer in Trümmern. Wie kommt Routine ist der Tod jeglicher Erotik. Stress und Alltagsversessenheit liefern ihren unheilvollen Beitrag dazu, dass es schon länger knirscht im Gebälk. Wie gut, dass es mit Birgit Hölzl und Stefan Ruzas vom Duo Liebling + Schatz nicht nur Experten gibt, die ihre eigene Ehe wieder in den Griff bekommen haben, sondern von den Bewältigungsstrategien auch mehr als nur ein Liedchen singen können. Unter dem vielversprechenden Motto „Energize Your Love“gibt das Autorenpaar, das auch praktische Seminare mit Zupack-Tipps abhält, Lebenshilfe für den Hausgebrauch. Hingehen – bald flutscht es wieder. (Lovelace, 27.11.)
Als vielbeschäftigter Familienvater ist natürlich auch Stephan Zinner tief drin im Thema. Er verzapft – musikalisch kongenial von ihm selbst begleitet – in seiner „Die Badewanne des Todes“skurrile Geschichten über unterschätzte Gefahren. Etwa beim allzu blauäugigen Entschärfen einer Fliegerbombe auf der üblichen Jogging-Strecke, beim Kindergeburtstag und in der Kunstfilm-Vorführung. (Fraunhofer, 4./5./6.12.)
Wer aus gemischten Fan-Familien stammt, weiß natürlich auch, wie brisant das Thema Fußball in dieser Stadt werden kann. Vielleicht kehrt mit der Veröffentlichung von „Die Wiedergeburt des TSV 1860 München“, in der Ralph Drechsel, der Journalist, zusammen mit der Fotografin Anne Wild die Achterbahn-Leidensgeschichte der Löwen nachzeichnet, so etwas wie vorgezogener, schwer rührseliger Weihnachtsfriede ein. Zur offiziellen Buchpräsentation soll übrigens auch 1860-Präsident Robert Reisinger kommen. Unter anderem. (Riffraff, Tegernseer Landstr. 96, 23.11.)
Was man mit diesen vielbesprochenen Büchern, von denen alle reden, eigentlich genau anfangen soll, kann man sich schnell noch von der Piper-Verlegerin und langjährigen „Frankfurter Allgemeine Zeitung“-Feuilletonistin Felicitas von Lovenberg erzählen lassen. Sie hat eine „Gebrauchsanweisung fürs Lesen“geschrieben. Wie praktisch. (Gasteig Kleiner Konzertsaal, 25.11.)
Vielleicht dann gleich mal mit „The End – Das Buch vom Tod“anfangen? Darin berichtet Eric Wrede, einst Musikmanager und seit einigen Jahren Bestattungsunternehmer, von den Dingen, über die man in der Kneipe üblicherweise nicht so gern spricht: vom Sterben nämlich. Und von den letzten Schritten. Er begleitet Menschen auf ihrem Sterbe-Weg und möchte ihnen die Angst nehmen. So gut wie Eric Wrede schreibt, dürfte das locker klappen. (Einstein Kultur, 28.11.)
So ein bisschen morbide ums Herz wird einem dann allerdings auch in der Science-Lesung „Wenn nicht jetzt, dann wann?“mit Astrophysiker Harald Lesch. In Sachen Klimawandel ist es fünf vor zwölf, sagt er. Höchste Zeit zum Handeln, aber zum Glück kein Grund zum Verzweifeln. (Gasteig Carl-Orff-Saal, 28.11.)
Vom Mut innovativer Verleger kann man sich auf der traditionellen Andere Bücher bracht das Land-Schau auf dem weiterhin grassierenden Literaturfest München anstecken lassen. Bereits zum zwölften Mal präsentieren 30 unabhängige Verlage Bücher, die sich weit weg vom Mainstream zu schwimmen trauen. Mit dabei sind Vertreter vom Avant-, Hirschkäfer-, Maro- bis hin zum Transit- und Verbrecher-Verlag. Unbedingt mitnehmen sollte man auch die „Bildschön“-Ausstellung mit Werken toller Illustratoren aus den kleinen Verlagshäusern. (Literaturhaus, 1./2.12.)
Von Migration, Identitätsfragen und dem Knirschen im deutsch-türkischen Getriebe handelt die Lese-Performance der Schauspielerin Dilsad Budak-Sarioglu und dem sprechenden Titel „Türkland“. Sie lässt sich von Ilgit Ucum begleiten. (Pasinger Fabrik 23./24.11.)
Texte von und über Ausgezeichnete Frauen, Nobelpreisträgerinnen für Literatur im Speziellen, kommen auf der gleichnamigen Lesung von und mit Susanne Schroeder und Stefan Lehnen zu Gehör. Darunter leider bislang noch immer viel zu wenig beachtete Werke von Svetlana Alexijewitsch (Preisträgerin des Jahres 2015), von Elfriede Jelinek (2004), Doris Lessing (2007), Herta Müller (2009), Nelly Sachs (1966) und Wislawa Szymborska aus dem Nobel-Jahr 1996. (Pasinger Fabrik, 25.11.)
Bleibt zum Schluss der entschiedene Marschbefehl für die Comic-Live-Lesung mit Barbara Yelin und Lukas Jüliger. „Die Unheimlichen“ist eine Reihe, in der deutsche Zeichner klassische und moderne Schauergeschichten neu interpretieren. Darin erfährt man, wie man sich eines Wassergespensts entledigt. Oder wie man einer Wasserleiche wieder Leben einhauchen kann. Pflichttermin für die dunkle Jahreszeit. (Literaturhaus, 4.12.)