All killer, no filler
Musik, Musik, Musik: Ich liebe Musik. Gar zu selektieren ist quasi ein großes Ding der Unmöglichkeit. Daher habe ich nur internationale Bands und ihre Werke aus dem Jahr 2018 ausgewählt. Dazu freue ich mich 2019 schon auf Platten von Sundara Karma, Morrissey und Circa Waves ...
The Prodigy – No Tourists (Take Me to the Hospital/BMG)
Die Legende besagt, dass so ziemlich genau vor 28 Jahren The Prodigy ihren ersten Gig gespielt haben. Ein winziges Detail im Artwork von ihrem neusten Werk „No Tourists“– das siebte Album der Raver aus Essex – macht die entscheidende Anspielung: Auf der Anzeigetafel des Londoner Busses, der auf dem Cover abgebildet ist, steht „The Four Aces, Dalston Lane, Hackney“. Das ist der Name und die Adresse der winzigen Location, in der Rapper Maxim, Punkröhre Keith Flint and Songschreiber Liam Howlett ihre erste Show über die Bühne brachten. Ihre Gage: 100 Britische Pfund. Nun füllen The Prodigy Hallen, insbesondere in Großbritannien, bespielen Festivals wie Reading, wo Sänger Keith sich genau vor meinen Augen während „Smack My Bitch Up“auf der Bühne vor Freude herum gekugelt hat. Ihre herrlich großmäulige Ansage auf dem neuen Album „We Live Forever“, in Stein gemeißelt in einer Single, hat in diesem Fall einfach nur Recht: So ist „No Tourists“ein großer Wurf mit immenser Wucht. Fast drei Jahrzehnte sind The Prodigy dem Genre „dance music“treu geblieben, wobei sich ihr Sound aus massiven Beats und minimalistischen Vocals speist. Aber was The Prodidy an Text so von sich geben, ist völlig unerwartet – poetisch: „Light up the sky illuminate, here come the dance we instigate!“Denn den Himmel hell zu erleuchten und alle zum Tanzen anzustiften ist genau die Aufgabe von elektronisch geprägter Musik.
Blossoms – Cool Like You (Virgin EMI Records)
Es ist vielleicht nicht schlecht, wenn man Fan der grandiosen Stone Roses ist, dass der Sänger eben jener Band Fan von Dir ist. So geschehen mit den Blossoms und Ian Brown. Ihr Album „Cool Like You“gibt sich lokalen Einflüssen hin: Oasis und New Order aus Manchester. So wie die Blossoms – auch wenn sie ein wenig außerhalb in Stockport nur im Großraum von Manchester wohnen. Das Album startet grandios mit „There’s a Reason Why (I Never Returned Your Calls)“. Elf Hammer-Indie-Hits werden in der nächsten Dreiviertelstunde der Platte herausgedonnert. Besonders cool macht der Synthesizer den so fluffigen Britpop der Blossoms. Tipp ist natürlich die „deluxe edition bonus disc“mit allen elf Songs in der „accoustic“Version. James Skelly von The Coral, auf dessen Label Skeleton Key die Blossoms waren, ist immer noch mit seinem vortrefflichen Gespür für Musik Produzent der Band. Ein wenig lustig der Fakt, dass die Blossoms auf dem Baugerätelagerplatz von Bassisten Charlie Salts Opa geprobt und Videos gedreht haben. 2014 gaben sie ihre Jobs auf, um sich voll und ganz der Musik zu widmen und zu gewinnen. Beim Gig im Strom diesen Oktober hatte Sänger Tom Ogden einen Schlüssel um den Hals – was das wohl zu bedeuten hat?
Motorama – Many Nights (Talitres)
Motorama aus Rostow am Don sind etwas ganz besonders. In mein Herz haben sie sich mit dem bittersüßen Song „Heavy Wave“gespielt. Nun erblickt 2018 das Werk „Many Nights“das Licht der Welt. Eher in der Wohnung von Sänger Vladislav Parshin, genannt Vlad, als denn im großen Studio aufgenommen, atmen die Songs auch Intimität, Leichtigkeit und Perfektion. Wer die Band schon einmal live gesehen hat, weiß mit wie wenigen Mitteln, sprich Instrumenten, die Band auskommt: Ein, zwei Gitarren statt einem ganzen Fuhrpark, ein mit Duct Tape geklebter Bass, Drums und ein Synthie. Aus diesem kargen Ensemble kitzeln Motorama wunderbare Songs; „Cold Wave“nennt man ihren Sound gerne, aber ich finde eher, dass die Songs wie eine zarte, warme akustische Umarmung klingen. 2010 traten Motorama ins Rampenlicht mit dem Album „Alps“, gefolgt von „Poverty“und „Dialogues“. Mit jedem Album perfektionieren sie ihren treibenden Sound, der von wunderbaren Melodien gespeist wird. Vor zwei Jahren fuhr ich zu Motorama, die bei einem Minifestival in Esslingen zusammen mit Transfigure und Burning Pyre auftraten, Verwandte im Geiste. Nun spielen Motorama am 18. Februar in der Milla, das Ticket habe ich schon ...
DMA’s – For Now (Infectious Music)
Die DMA’s aus Sydney sind eine umwerfende Liveband. Selten so viele Leute hüpfen und tanzen gesehen wie bei dem Gig der DMA’s in der Kranhalle am 9. Mai 2017. Später hing die Band noch völlig unkompliziert mit ihren Fans an der Bar ab, irgendwann trug ich das Käppi vom Gitarristen. Manchmal wird behauptet, die DMA’s würden an Oasis anknüpfen, doch haben die DMA’s ihren ganz eigenen idiosynkratischen Sound. Auf „For Now“begeistern sie knapp eine Stunde mit zwölf Songs. Mühelos und stets im Flow klingen die Australier. Struktur gibt den Songs die geniale Gitarre von Matt Mason. Man fragt sich, worin das Geheimnis der DMA’s besteht, dass jeder Song sitzt, ein Hit ist. „All killer no filler“, so ist das verlässliche Prinzip der DMA’s. Sei es die hinreißende Ballade „In The Air“, der Gassenhauer „Warsaw“, „Dawning“oder „Lay Down“vom Album davor – die Stimme von Sänger Tommy O’Dell transportiert dabei immer einen Tick Sehnsucht, quasi ein Grundpfeiler guter Popmusik.
Ash – Islands (BMG/Infectious Music)
Die goldene Regel bei der Band Ash: Einem poppigen Album folgt eines mit Heavy Metal-Einflüssen. Sänger Tim Wheeler, Bassist Mark Hamilton und Drummer Rick McMurray sind seit 1992 eine eingeschworene Gemeinschaft, denn schon seit Teenager-Tagen machen sie gemeinsam Musik. Dazu spielte knapp acht Jahre Charlotte Hatherley an der Gitarre mit. „Trailer“hieß damals Ashs erstes Minialbum und „Petrol“eine ihrer ersten, fantastischen Singles. Nun eben haben sie wieder ein Indie-Pop-Meisterwerk herausgebracht: „Islands“. Viele Downtempo-Songs, wie „It’s A Trap“oder „Incoming Waves“entfalten eine fragile Schönheit. Nicht nur wenn Ash singen „You Are Shining Light“spürt man eine helle Seele ihrer Songs. Der Umzug von Downpatrick, Nordirland, vor langer Zeit nach New York City hat die Band nicht verändert. Dort haben sie sich das Atomic Heart Studio aufgebaut – und apropos Atomic – im Atomic Café hingen Ash sehr gerne ab, selbst wenn sie an anderer Stelle in München gespielt haben. Drummer Rick hat mir dort einmal total schlüssig den Sinn des Lebens erklärt. Nur leider ging mir die Erkenntnis auf dem Heimweg schon wieder verloren. ... ist freie Autorin und schreibt unter anderem über die Münchner Musik- und Clubszene in diversen Zeitungen und Magazinen, zum Beispiel auch die Rubrik „Nachtleben“im In-München.